Der sogenannte Österreich-Preisaufschlag sorgt immer wieder für Aufregung. Studien zeigen, dass in Österreich für dieselben Produkte mehr bezahlt werden muss als in Deutschland. Der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA fordern daher ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen.

Immer wieder ist hierzulande der sogenannte Österreich-Preisaufschlag ein Aufreger. Laufend zeigen Erhebungen, dass in Österreich fürs selbe Produkt mehr hingeblättert werden muss als etwa in Deutschland. Der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA fordern in diesem Zusammenhang ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen im Sinne eines fairen Warenangebots im europäischen Binnenmarkt. Sie stören sich an einer befürchteten Aufweichung eines entsprechenden EU-Vorhabens.

Im Mai hatte die EU-Kommission angekündigt, bis Ende 2026 einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, um territoriale Lieferbeschränkungen der globalen Nahrungsmittelindustrie in Europa zu verbieten, erinnerten GPA und Handelsverband (HV) in einer gemeinsamen Aussendung am Donnerstag. Doch in einer später im Mai veröffentlichten finalen Version der Binnenmarkstrategie sei "völlig überraschend nur noch die Rede davon, dass die EU-Kommission bis Ende 2026 'Instrumente zur Bekämpfung ungerechtfertigter territorialer Lieferbeschränkungen' erarbeiten werde, um jene Praktiken zu erfassen, 'die über die vom Wettbewerbsrecht erfassten hinausgehen'." Die Gewerkschaft und der HV vermuten nun, dass "Vertreter der multinationalen Markenindustrie ihre Finger im Spiel" hatten.

Ein Produkt, zwei Märkte, zwei Preise

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen. Diese machen es Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen.

Die TSCs erlauben es internationalen Produzenten, Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. "Diese länderspezifischen Vertriebsstrategien - gerade im Lebensmittelbereich - treffen den österreichischen Handel mit voller Wucht", kritisiert GPA-Chefin und SPÖ-Politikerin Barbara Teiber. "Unsere Unternehmen dürfen nicht dort einkaufen, wo es am günstigsten wäre. Die Zeche zahlen letztlich die Konsument:innen, die für Alltagsgüter wie Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel deutlich mehr zahlen müssen als beispielsweise in Deutschland."

"Tatsache ist, dass über 90 Prozent der Beschaffung im Lebensmitteleinzelhandel im EU-Binnenmarkt nach wie vor national erfolgt", so HV-Geschäftsführer Rainer Will. "Das liegt vor allem an den Praktiken der multinationalen Nahrungsmittelindustrie, den EU-Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen künstlich zu segmentieren und so den internationalen Einkauf faktisch unmöglich zu machen."

Nicht nur Österreich betroffen

Wenn beispielsweise ein österreichischer Händler den Haarspray eines multinationalen Produzenten einkaufe, gehe das nur über die nationale Vertriebsgesellschaft des jeweiligen Multis. Das Haarspray koste für den österreichischen Händler in der Beschaffung 3,20 Euro - ein deutscher Händler zahle fürs selbe Haarspray nur 2 Euro als Einkaufspreis.

Die Großhandelspreise in kleinen Ländern wie Österreich seien aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene in großen Ländern wie Deutschland. Dies gelte für die meisten kleineren Länder in Europa, also auch für Dänemark, Belgien oder Luxemburg.

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hatte in ihrer Branchenuntersuchung der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette einen "Österreich-Aufschlag" bei Markenartikeln von zumindest 15 bis 20 Prozent gegenüber dem deutschen Preisniveau ermittelt. Das gehe auf die Praktik der internationalen Industriekonzerne zurück.

"Unsere österreichischen Händler müssen in der Beschaffung zurzeit je nach Produkt um bis zu 60 Prozent höhere Preise bezahlen als deutsche Händler", so Will. Es fließe ein "reines Körberlgeld" für die internationale Markenartikelindustrie.

Großes Sparpotenzial für Verbraucher

Teiber verwies auf eine EU-Studie, wonach Verbraucher durch eine Abschaffung dieser Lieferbeschränkungen bis zu 14 Milliarden Euro jährlich sparen könnte. "Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten wäre das eine spürbare Entlastung für Millionen Menschen in Europa - und ein überfälliger Schritt hin zu faireren Preisen für alle."

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In den vergangenen Jahren haben EU-Behörden immer wieder mit Strafen gegen entsprechende Verstöße reagiert. Der Nahrungsmittelmulti Mondelez (Milka Schokolade) wurde beispielsweise im Mai 2024 zu einem Bußgeld von 334 Mio. Euro wegen der Behinderung des grenzüberschreitenden Handels verurteilt. Anheuser-Busch InBev (AB InBev), ein Konkurrent der Brauunion-Mutter Heineken, und die größte Brauereigruppe der Welt, wurde bereits 2019 mit 200 Mio. Euro Bußgeld bestraft. Gegen Procter & Gamble (P&G) laufen zurzeit Ermittlungen der EU-Wettbewerbskommission wegen des Verdachts auf unzulässige Marktabschottung.

Aber bei weitem nicht alle Praktiken fielen unter den Schirm des EU-Kartellrechts, kritisieren GPA und HV. Sie begrüßen, dass die EU-Kommission künftig gegen alle TSCs vorgehen will - auch jene, die bisher nicht vom Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht erfasst sind, auch wenn die neuesten Ankündigungen "noch nicht das Gelbe vom Ei" seien. Sowohl GPA als auch HV fordern eine rasche gesetzliche Umsetzung der Binnenmarktstrategie - auf EU-Ebene und in der nationalen Anwendung. "Es ist ein Gebot der Stunde, endlich für gleiche Einkaufsbedingungen für Händler in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und die künstlichen Preisdifferenzen zwischen den europäischen Ländern zu reduzieren, für die der heimische Handel oft zu Unrecht kritisiert wird", so Will. (APA/bearbeitet von amb)