Klimakatastrophe, massenhafte Todesfälle, Ernteausfälle und Kriege – das Jahr 536 nach Christus hatte all das und gilt bei Experten deshalb als "worst year to be alive" – also das Jahr, in dem man wirklich nicht gerne gelebt hätte.

Es ging der Menschheit insgesamt noch nie so gut wie heutzutage – auch wenn das angesichts der zahlreichen Krisen vielleicht nicht so wirken mag. Aber heute hat etwa jeder Durchschnittseuropäer weit mehr Zugang zu Bildung, Reisen, Medizin oder sozialer Teilhabe als selbst ein König vor 100 Jahren oder früher.

Je weiter man in die Vergangenheit blickt, desto deutlicher werden die Unterschiede. Das schlimmste Jahr für die Menschheit in Europa, Asien und im Nahen Osten soll vor rund 1.500 Jahren gewesen sein – genauer gesagt im Jahr 536 nach Christus.

Im Jahr 536 war das Weströmische Reich bereits seit rund 60 Jahren untergegangen. Nach der Absetzung des letzten Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 hatten die Ostgoten Italien übernommen. Das Oströmische Reich hingegen, mit seiner Hauptstadt Konstantinopel, sollte noch fast 1.000 Jahre fortbestehen – und stand unter Kaiser Justinian gerade mitten in dem Versuch, Italien zurückzuerobern.

Die Zeit war geprägt von territorialen Auseinandersetzungen und Völkern, die um die Herrschaft in den ehemaligen Provinzen des Reichs rangen. Dann kam es im Sommer 536 zu einem Ereignis, das weit über die Grenzen des Imperiums hinauswirkte: Der Chronist Prokopios von Caesarea schreibt, dass "die Sonne ohne Glanz" gewesen sei. Ein mysteriöser Staubschleier legte sich über Europa, den Nahen Osten und Asien.

Ein Nebel aus Chaos und Zerstörung

Was dann folgte, veranlasste den Harvard-Historiker Michael McCormick 2018 zu der Aussage, 536 sei das schlimmste Jahr gewesen, in dem man je gelebt haben könne. Ein mysteriöser Nebel verdunkelte die Sonne für 18 Monate. Die Temperaturen fielen um 1,5 bis 2,5 Grad, wie das Wissenschaftsmagazin "Science" berichtet.

Es gibt Aufzeichnungen aus China über Schneefall im Sommer, der die gesamte Ernte vernichtete und eine Hungerkrise auslöste. Irische Chroniken beschreiben eine Hungersnot zwischen 536 und 539. Auch aus Mesopotamien sind Berichte über den Zusammenbruch der Landwirtschaft überliefert.

Diese Ereignisse müssen für die meisten Menschen so unerklärlich gewesen sein, dass sie wohl sogar in mythologische Erzählungen eingingen. Historiker vermuten etwa, dass sie die Grundlage für den "ewigen Winter" (Fimbulvetr) in der nordischen Mythologie war, die Vorzeit des "Ragnarök" – der altnordischen Götterdämmerung.

Nicht mal mehr Bäume wachsen

Dass diese mysteriöse Wolke wirklich existierte und ein dunkles Zeitalter einleitete, war schon länger bekannt. Unklar blieb zunächst die Ursache. Schließlich konnten Michael McCormick und der Gletscherforscher Paul Mayewski anhand von Eisproben aus einem Schweizer Gletscher belegen, dass ein Vulkanausbruch in Island für die Katastrophe verantwortlich war. 540 und 547 nach Christus folgten weitere Eruptionen.

Die Auswirkungen dieser Ausbrüche lassen sich auch in Jahresringen von Bäumen nachweisen, die Archäologen aus dieser Zeit fanden. Sie zeigen deutlich vermindertes Wachstum – ein klares Zeichen für extreme klimatische Bedingungen.

Für Gesellschaften, die zu diesem Zeitpunkt weitestgehend auf Ackerbau und Viehzucht angewiesen waren, war das eine Katastrophe. Gemeinschaften, die hingegen überwiegend als Jäger und Sammler lebten, erwiesen sich als deutlich widerstandsfähiger, wie eine Studie über Stämme aus Estland zeigte.

Nach den Ernteausfällen 536/537 folgte die zweite Eruption 540, die die folgenden Jahre zur kältesten Dekade der vergangenen 2.300 Jahre machte. Der zweite Kälteschock führte schließlich zu einer Epidemie im Oströmischen Reich, die sich über den gesamten Mittelmeerraum ausbreitete und als "Justinianische Pest" in die Geschichte einging, benannt nach dem damaligen oströmischen Kaiser Justinian.

Da die Seuche auf bereits geschwächte und unterernährte Gesellschaften traf, raffte sie Schätzungen zufolge zwischen 35 und 55 Prozent der Bevölkerung dahin.

Naturereignisse und Menschheitsgeschichte

All diese Entwicklungen helfen, historische Übergänge besser zu verstehen: Der Fall des Römischen Reichs und der Übergang ins frühe Mittelalter könnten durch die Vulkanausbrüche, die Klimakrise und die anschließende Pest erheblich beschleunigt worden sein.

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Es waren also nicht nur politische und gesellschaftliche Wirrungen, die zum schleichenden Untergang einer Weltmacht führten, sondern auch klimatische Bedingungen. Außerdem erklärt diese Katastrophe, warum die Gesellschaften zu dieser Zeit so stark geschwächt waren, dass sich im 6. Jahrhundert nur wenige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen feststellen lassen.

Manche Historiker argumentieren, dass sich das wirtschaftliche Wachstum in Europa bis etwa 640 kaum erholte – also mehr als 100 Jahre nach dem ersten Ausbruch. Erst fast 1.000 Jahre später kam es wieder zu einem vergleichbaren Einbruch: Der "Schwarze Tod" – die Beulenpest – sorgte in den Jahren zwischen 1346 und 1353 für eine ähnliche Katastrophe.

Verwendete Quellen