Einem neuen Bericht von Klimawissenschaftlern zufolge sind die meisten Belastungsgrenzen der Erde überschnitten. Die Forscher warnen vor einer massiven Zustandsverschlechterung und weisen dabei besonders auf eine Entwicklung hin.

Die Mehrheit der lebenswichtigen Funktionen unseres Planeten ist nach einem neuen Bericht von Klimawissenschaftlern in Gefahr. Dem "Planetary Health Check" des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge sind sieben von neun kritischen Belastungsgrenzen des Erdsystems überschritten - eine mehr als im Vorjahr. Neu im Gefahrenbereich: Die Ozean-Versauerung - also wenn der sogenannte pH-Wert des Meerwassers sinkt.

Der "Planetary Health Check"-Bericht liefert eine Einschätzung zum Zustand des Erdsystems. Er basiert auf planetaren Belastungsgrenzen - neun Prozessen, die Stabilität, Widerstandsfähigkeit und lebenserhaltende Funktionen des Planeten regulieren, wie das PIK im Report schreibt.

PIK-Direktor: Zustand der Erde verschlechtert sich massiv

Klimaforscher Johan Rockström
Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung. © dpa/Christoph Soeder

"Mehr als drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich. Die Menschheit verlässt ihren sicheren Handlungsraum und erhöht so das Risiko, den Planeten zu destabilisieren", sagte PIK-Direktor Johan Rockström, Co-Autor des Berichts. Der Zustand der Erde verschlechtere sich massiv.

Die sieben überschrittenen Grenzen sind laut Bericht: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung, Veränderung der Süßwassersysteme, Veränderungen im Stickstoff- und im Phosphorkreislauf, Eintrag menschengemachter Substanzen sowie auch die Ozean-Versauerung.

Nur zwei Belastungsgrenzen im sicheren Bereich

Zwei der ausgewiesenen Belastungsgrenzen liegen laut Forschern noch im sicheren Bereich: die Belastung durch Aerosole (Luftverschmutzung) und die Ozonschicht. Sobald eine Grenze überschritten wird, steigt laut Forschern das Risiko, die wichtigen Funktionen der Erde dauerhaft zu schädigen, und die Wahrscheinlichkeit, dass Kipppunkte überschritten werden, die Veränderungen unumkehrbar machen. Die Wissenschaftler beobachtet diese Grenzen anhand zentraler Indikatoren.

Hauptursache für die Ozean-Versauerung ist laut "Planetary Health Check" die Verbrennung fossiler Energieträger, verstärkt durch Abholzung und Landnutzungswandel. Ozeane nehmen etwa große Mengen des menschengemachten Kohlendioxids aus der Atmosphäre auf, wodurch ihr Wasser saurer wird. Durch diese Faktoren verlieren die Meere zunehmend ihre stabilisierende Rolle im Erdsystem, wie das Forscherteam mitteilte. Die Folgen seien spürbar: Kaltwasserkorallen, tropische Riffe und arktische Ökosysteme gerieten unter Druck. Zudem ergeben sich demnach negative Folgen für ganze Nahrungsketten und die Ernährungssicherheit auch des Menschen.

"Die Entwicklung geht eindeutig in die falsche Richtung."

Levke Caesar, Co-Leiterin des "Planetary Boundaries Science Lab"

So zeigen laut PIK winzige Meeresschnecken, sogenannte Flügelschnecken, bereits Schädigungen an ihren Schalen. Sie seien eine wichtige Nahrungsquelle für Fische und Wale.

"Die Entwicklung geht eindeutig in die falsche Richtung. Die Ozeane versauern, Sauerstoffwerte sinken, und marine Hitzewellen nehmen zu. Damit wächst der Druck auf ein System, das für stabile Lebensbedingungen auf unserem Planeten unverzichtbar ist", so die Co-Leiterin des "Planetary Boundaries Science Lab" und Leitautorin des Berichts, Levke Caesar. Die Versauerung sei ein unübersehbares Warnsignal, dass die Stabilität der Erde in Gefahr sei, sagte die US-amerikanische Ozeanografin und Mitglied der Initiative "Planetary Guardians", Sylvia Earle.

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Forscher: Entwicklung noch umkehrbar

Der Bericht der Forscher ist auch ein Appell an Politiker, Wirtschaft und Gesellschaft, die Lebensgrundlagen besser zu schützen. "Beispiele wie der Rückgang der Luftverschmutzung durch Aerosole und die Erholung der Ozonschicht zeigen, dass wir die globale Entwicklung umsteuern können. Auch wenn die Diagnose ernst ist, besteht weiterhin die Chance diese Entwicklung umzukehren", sagte PIK-Direktor Rockström. (dpa/bearbeitet von mak)