Stundenlang kann sie Nachkommastellen der Kreiszahl Pi auswendig aufsagen: Eine Frankfurter Polizistin ist deutsche Nummer eins in der Disziplin. Nun will sie ihren Titel verteidigen.

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Tausende Zahlen kann Susanne Hippauf auswendig aufsagen: Sie hält den deutschen Rekord im Pi-Memorieren. Dabei sagt man die Nachkommastellen der Kreiszahl Pi auf, deren Anzahl bis ins Unendliche geht.

Die 42-Jährige kam im vergangenen Jahr bei einem Wettbewerb auf 15.637 Stellen, die sie fehlerfrei aneinanderreihte - das war der deutsche Titel. Fast drei Stunden brauchte sie dafür. Kommendes Wochenende will die Frankfurter Polizistin bei einem erneuten Pi-Wettbewerb im ostfriesischen Emden ihren Titel verteidigen.

Was ist Pi?

  • Die Kreiszahl faszinierte schon 300 Jahre vor Christus: Sie gibt das Verhältnis eines Kreisumfangs zum Durchmesser an. Sie ist mathematisch betrachtet unendlich und irrational. Forschende aus der Schweiz berechneten Pi im Jahr 2021 auf die 62,8-billionste Stelle genau. Sie beginnt so: 3,141...

Datum für Pi-Wettbewerb ist kein Zufall

Mehrere Konkurrenten wollen antreten und Susanne Hippauf den deutschen Titel streitig machen, wie Organisator Jan van Koningsveld sagt. Der Emder Pi-Wettbewerb findet jedes Jahr rund um den weltweiten Pi-Tag statt, den 14. März: Dieser bildet nach der amerikanischen Datumsschreibweise die Kreiszahl Pi mit den ersten beiden Nachkommastellen: 3-14.

"Der Wettbewerb ist so ziemlich einmalig", sagt van Koningsveld. In Deutschland gebe es nichts Vergleichbares, und auch in Europa sei ihm nichts bekannt. Die kleine Szene der Pi-Memorierer kenne er gut - auch weil er nach eigenen Angaben die Pi-Weltrangliste im Internet führt. Um in der Liste geführt zu werden, muss das Memorieren unter anderem von mindestens zwei Zeugen bestätigt werden. Bei mehr als 10.000 Stellen muss zusätzlich ein akademischer oder wissenschaftlicher Zeuge die Leistung bestätigen. Das Ziel sei es, eine möglichst genaue Liste zu erstellen, heißt es auf der Website.

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In 20 Jahren seien rund 2.800 Einträge zusammengekommen. "Klar, man kann das als Spaß sehen", sagt van Koningsveld. "Diejenigen, die aber so viele Stellen lernen, die machen das als Sport, und für den muss man auch trainieren."

Die Polizei-Hauptkommissarin Hippauf aus Frankfurt am Main ist ausweislich dieser Weltrangliste auch weltweit die beste Frau im Pi-Memorieren, den Weltrekord hält demnach ein Mann aus Indien mit mehr als 70.000 Stellen. Es folgen zunächst ausschließlich Männer, Hippauf steht auf Platz 18.

Die 42-Jährige trainiert seit Januar intensiv für den Wettbewerb an diesem Freitag und Samstag. Sie hat auf 18.000 Nachkommastellen erhöht, berichtet sie. Beim Lernen bedient sich die Polizistin der sogenannten Loci-Technik, bei der mit den Zahlen Orte und Personen verknüpft werden - "loci" bedeutet auf Lateinisch "Orte". In ihrem Fall sind dies wunderschöne Plätze auf der ganzen Welt, denn Reisen gehört zu den Hobbys von Hippauf.

Was ist die Loci-Technik?

  • Dabei handelt es sich um eine äußerst effektive Methode, sich Informationen zu merken: Verknüpft man das, was man sich merken will, mit Bildern im Kopf, bleiben Lerninhalte besser im Gedächtnis hängen. Fast alle Gedächtnissportler nutzen die Methode, indem sie sich gedanklich auf eine fiktive Struktur konzentrieren - etwa eine Reiseroute oder den Weg zur Arbeit - an der sie die Informationen mit dieser Struktur verknüpfen. Zum Beispiel: Am Bushaltestellenhäuschen hängt ein Plakat "fünfjähriges Jubiläum!", also kommt als Nächstes die Zahl 5. Loci kommt vom lateinischen "Locus" (Platz): An eindeutigen Orten wird jeweils eine Information abgelegt.

Harry Potter und Kai Pflaume als Gedächtnisstützen

In die von ihr erdachte Gedächtnis-Route hat die Polizistin auch viele Prominente eingebaut: etwa Kai Pflaume, den sie bei einem wunderschönen Sonnenaufgang am Tafelberg in Südafrika trifft, und den Mann von Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Joachim Sauer, der auf der Insel Lanzarote auftaucht. Auch Harry Potter spielt in ihrem erdachten Zahlen-Universum eine Rolle. So mache das Pi-Memorieren richtig Spaß, sagt die 42-Jährige.

Wettbewerbs-Organisator van Koningsveld sagt, da sich in diesem Jahr so viele Gedächtniskünstler wie noch nie zu dem kleinen Wettstreit angemeldet hätten, müsse das Orga-Team erweitert werden. Zu der siebten Ausgabe sagten mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu. Sie kommen aus Dänemark, Norwegen, Österreich und der ganzen Bundesrepublik. Die Zahlenkolonnen werden vor Zeugen aufgesagt, die die Leistung bestätigen müssen.

Insgesamt wollten drei Teilnehmer den deutschen Rekord brechen. Möglicherweise könne es auch einen Europarekord geben. Aber ob es wirklich so komme, müsse abgewartet werden. "Wenn die Hälfte davon zustande kommt, ist das schon eine tolle Sache." Dass immer neue Rekorde aufgestellt werden, sei überhaupt nicht selbstverständlich, sagt van Koningsveld, der selbst mehrfacher Weltmeister im Kopfrechnen war. "Weil das eine Riesen-Konzentrationsleistung ist."

Postleitzahlen und Melodien: Jeder Kopf ist anders

Für das Pi-Memorieren gebe es verschiedene Möglichkeiten, berichtet van Koningsveld. Manche teilten die Nachkommastellen in Fünferblöcke auf und dächten sich Bilder hinein - der zweite Fünferblock von Pi lautet etwa 26536. "Das ist eine Postleitzahl von Norderney, dann habe ich Norderney im Kopf", sagt van Koningsveld. Andere wendeten auditive Techniken an und merkten sich Melodien und die Aussprache. Am Ende sei jede Menge Kreativität gefragt - das sei in jedem Alter möglich. "Das kann jeder", sagt van Koningsveld. "Ich erlebe es immer wieder, dass Leute es ausprobieren und dachten, sie könnten es nicht. Dann sind sie voller Begeisterung und hören nicht wieder auf."

So ging es auch der Frankfurter Polizistin Hippauf. Ihren ersten deutschen Rekord errang sie 2018. "Ich hatte ein Buch über Gedächtnistechniken gelesen und konnte mir relativ schnell viel merken, das hat mir total Spaß gemacht", sagt sie über den Beginn ihres ungewöhnlichen Hobbys. Es sei erstaunlich, zu welcher Leistung das Gehirn fähig sei, wenn man es herausfordere. Mit Blick auf den anstehenden Wettbewerb sei sie motiviert, "noch etwas draufzusetzen". (Isabell Scheuplein, Lennart Stock/dpa)

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