"Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen", lautet ein Sprichwort. Es scheint einen guten Ratschlag für Verhalten bei Gewitter zu bieten, doch das ist trügerisch. Denn Experten raten, Bäume bei Gewitter grundsätzlich zu meiden.

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"Etwa 90 Prozent der Blitzschläge sind vermeidbar, wenn sich die Menschen vorsichtig verhalten", betont der Rostocker Rechtsmediziner Fred Zack. Die höhere Risikobereitschaft von Männern macht sich dementsprechend auch statistisch bemerkbar: Nach Recherchen von Zack sind in den Statistiken vieler Länder über Unfälle durch Blitzschlag zwischen 70 und 90 Prozent der Getöteten männlich.

Trügerische Sicherheit unter Buchen

"Ich war völlig überrascht, als mir eine Lehrerin 2023 berichtete, dass sie ihren Schülern beibringe: 'Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen!'", sagt Zack. Dieses Erlebnis war einer der Gründe, ein Sachbuch über Blitzschlagunfälle zu schreiben. Zack führt es auf die gefälligen Reime zurück, dass dieses Sprichwort nach wie vor an die jüngere Generation weitergegeben wird.

In einer Doktorarbeit an der Universitätsmedizin Rostock hat Larissa Bremer eine historische Fallsammlung des Ausschusses für Blitzableiterbau aus den Jahren 1951 bis 1965 ausgewertet. Demnach fanden 5,7 Prozent der tödlichen Blitzunfälle an Bäumen unter Buchen statt (5 von 87 Fällen). Die Auswertung nach Unfallorten zeigte, dass die Umgebung von Bäumen mit 112 von 412 Fällen am häufigsten genannt wurde.

Der Grund, weshalb Bäume so gefährlich sind, ist der sogenannte Seitenüberschlag. Trifft ein Blitz den Baum, unter dem ein Mensch Schutz sucht, kann der Blitz auf dem Weg zum Boden seitlich auf diese Person überspringen, selbst wenn sie sich wenige Meter entfernt befindet.

Mit Mythen und Volksweisheiten über Blitzschläge aufräumen

Eine ungeeignete Regel ist für Zack auch die Aussage, dass der Blitz immer in die höchste Erhebung einer Umgebung einschlage. "Das ist zwar häufig der Fall, aber es gibt viele Gegenbeispiele", unterstreicht er. So ereignete sich bei der Bundesgartenschau 2009 in Schwerin ein tödlicher Blitzschlag unter einer 15 Meter hohen Linde, obwohl ein 75 Meter hoher Turm des Schweriner Schlosses nur 100 Meter entfernt war.

Auch dass nicht zweimal an derselben Stelle ein Blitz einschlägt, ist ein Mythos, wie viele Gegenbeispiele belegen. Nach Angaben von Martin Uman im Jahr 1986 schlug zur damaligen Zeit in die Antenne des Empire State Buildings in New York City (USA) durchschnittlich 23-mal im Jahr der Blitz ein.

Wissenschaftlich widerlegt ist auch, dass keine Gefahr droht, wenn man zwar Gewitterwolken sieht, es aber noch nicht regnet. Laut der erwähnten historischen Fallsammlung aus den Jahren 1951 bis 1965 hat es in 13,3 Prozent der tödlichen Blitzunfälle zum Zeitpunkt des Einschlags nicht geregnet. "Der sogenannte Blitz aus heiterem Himmel kann bis zu 16 Kilometer von der Gewitterwolke entfernt einschlagen", erklärt Zack.

Wie man sich vor einem Unfall durch Blitzschlag schützt

Zwar überleben selbst viele Menschen, die direkt vom Blitz getroffen werden, doch die Folgen können dennoch schwerwiegend sein. "Ob man tödliche, mittelschwere oder leichte Verletzungen durch einen Blitzschlag erleidet, hängt in hohem Maße vom Zufall ab", hebt Zack hervor. Wer einen Blitzschlag überlebt, hat unter Umständen noch viele Jahre an den Spätfolgen zu leiden.

In seinem Buch nennt Zack zwei international anerkannte Regeln. Zum einen ist die "30-30-Regel" hilfreich für den eigenen Schutz vor einem Blitzschlagunfall: Wenn zwischen dem Blitz und dem Donner 30 Sekunden liegen, ist das Gewitter etwa zehn Kilometer entfernt und man sollte schnell einen relativ sicheren Ort aufsuchen. 30 Minuten nach dem letzten Blitz oder Donner kann man wieder weitgehend gefahrlos ins Freie treten.

Zum anderen empfiehlt der nationale Wetterdienst der USA: "When thunder roars, go indoors", zu Deutsch: "Wenn Donner zu hören ist, gehe in ein Haus". Zu den relativ sicheren Orten gehören auch Fahrzeuge mit Metallkarosserie (sogenannter Faraday'scher Käfig) und Bereiche unter einer Brücke, allerdings nicht zu nah am Pfeiler.

Regeln zum Schutz vor Blitzunfällen

Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und Empfehlungen amerikanischer Expertenkommissionen hat Fred Zack diese Sicherheitsregeln zusammengestellt:

  • Vor und während Aktivitäten im Freien auf Wetterberichte achten.
  • Auf die Bildung von Gewitterwolken achten.
  • Bei Donnergrollen sofort relativ sichere Orte aufsuchen.
  • Orte mit hoher Blitzgefahr, wie große Sportanlagen, Bäume, Gewässer, Gebirge, einfache Unterstände, bei Gewittergefahr meiden.
  • Die "30-30-Regel" beachten.

Zum Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Fred Zack, freier Mitarbeiter der Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock, befasst sich seit mehr als 25 Jahren mit den Folgen von Blitzunfällen für den Menschen und hat auch ein medizinisches Fachbuch darüber geschrieben.

Verwendete Quellen