Berlin - Nomi bekommt eine kleine Schwester. Kennen Sie nicht? Das ist die digitale Assistentin auf dem Dashboard, die seit etwa fünf Jahren in Oberliga-Autos wie ET5, dem EL6 oder zuletzt dem ET9 des chinesischen Start-ups Nio ihre betuchten Kunden unterhalten hat.
Nun verrichtet bald auch die freundliche Lumo ihren Dienst - mit abgespecktem Auftritt und dafür mehr Funktion. Denn sie geht - in den ersten europäischen Ländern noch in diesem Sommer im Markenableger Firefly an den Start. Der Firefly ist ein pfiffiger und charakterstarker Kleinwagen.
Maßgeblich in der Europa-Zentrale in München konzipiert und auf Nachbarn wie den Mini aus der BMW-Familie zugeschnitten, wird es bei uns allerdings noch ein paar Monate länger dauern, bis das "Glühwürmchen" den Großstadtdschungel zum Strahlen bringt. Frühestens Ende diesen wahrscheinlich eher Anfang nächsten Jahres soll der Firefly zu Preisen ab etwa 30.000 Euro losschwirren.
Damit würde er ziemlich genau doppelt so teuer wie in China, was der Hersteller mit der deutlich erweiterten Ausstattung rechtfertigt und mit den hohen Einfuhrzöllen der EU entschuldigt.
Außen charmant, innen geräumig
Dafür gibt es einen Viertürer von fast genau vier Metern Länge, der nicht nur Charme und Charakter hat, weil er nett anzuschauen ist, ohne niedlich zu sein; und weil ihn seine drei Knopfaugen pro Scheinwerfer unverwechselbar machen. Sondern er hat auch reichlich was auf dem Kasten.
Für einen Kleinwagen ist er dank seines Radstandes von 2,62 Metern nämlich innen überraschend groß, so dass man auch in der zweiten Reihe als Erwachsener noch erstklassig sitzt – vielleicht nicht unbedingt auf einer Urlaubsfahrt nach Spanien, aber auf jeden Fall beim Shopping-Trip in die Stadtmitte. Und beim Einkaufen muss sich ebenfalls niemand einschränken.
Schon der Kofferraum fast 404 Liter und lässt sich auf 1.253 erweitern. Der Frunk unter der Bugklappe hat in dieser Klasse konkurrenzlose 92 Liter. Und zu den zwei Dutzend Ablagen in der Kabine zählen zwei praktische Fächer unter den Sitzkissen. Diese sind groß wie Schuhkartons, in ihnen lassen sich entweder besonders wertvolle oder zum Beispiel schmutzige Gegenstände blicksicher verstauen.
Klotzen statt kleckern
Dazu gibt es ein vergleichsweise nüchternes und für einen Kleinwagen eher seriöses Ambiente, das aber nicht billig wirkt und sich rundherum gut anfühlt. Hinzu gesellt sich eine Ausstattung, mit der Nio den Preis seines kleinen Neffen ins rechte Licht rücken will. Klimatisierte Sitze zum Beispiel findet man bei Kleinwagen vergleichsweise selten. Genau wie eine elektrische Heckklappe. Oder die Kameras zu allen Seiten, die beim Abbiegen und Rangieren den Blick in die Spiegel ergänzen. Die meisten anderen Assistenzsysteme dagegen sind gängig - und ohne fünf Sterne im NCAP-Crashtest muss es gerade eine Marke aus China nach den vielen Flops in der ersten Welle bei uns gar nicht erst versuchen.
Schwirren statt fahren
Während der Firefly bei Größe und Charakter innen ganz schön erwachsen wirkt, präsentiert er sich dem Fahrer als jugendlicher Wirbelwind. Zwar ist der Motor mit 105 kW/143 PS und 200 Nm gerade für ein Elektroauto eher von der schwächeren Sorte, und ein echter Sprinter ist der Firefly auch nicht. Schließlich braucht er 8,1 Sekunden, bis er aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt hat, und wird schon bei 150 km/h wieder eingebremst.
Aber was ihm an Dynamik fehlt, macht er durch seine Agilität wieder wett. Weil der Motor im Heck sitzt, lassen sich die Vorderräder weiter einschlagen als bei anderen Kleinwagen, der Wendekreis schrumpft, und der Kleine wird gefühlt gar vollends zum Winzling. Wo man selbst mit Mini & Co. beim Wenden oder Parken bisweilen schwer rangieren muss, schwirrt der Firefly mühelos durch die Stadt wie ein Glühwürmchen durch die Nacht und dreht Kreise um die Konkurrenz.

Kein Energiebündel
Zwar wirkt der Firefly damit so aufgekratzt wie das Duracell-Häschen aus der Fernsehwerbung von einst – ist aber nicht wirklich ein Energiebündel. Denn zur Preispolitur beschränken sich die Chinesen wie viele Hersteller in diesem Segment auf einen Akku, der nicht nur auf die günstigeren LFP-Zellen setzt, sondern der mit 41,2 kWh auch vergleichsweise klein ist. Schon im Normzyklus sind deshalb nur 330 Kilometer drin und im Alltag wahrscheinlich kaum mehr als 250. Und obendrein spart Nio an der Ladeleistung.
Die 11 kW am Wechselstrom sind vielleicht noch üblich, doch bei maximal 100 kW wird es auch am Schnelllader zäh. In der Theorie ist das nicht schlimm, weil auch der Firefly die Idee vom Akkutausch übernimmt und so in drei Minuten wieder voll ist. In der Praxis allerdings ist das kein Trost, weil der Kleinwagen eigene Swap-Stations braucht.
Und da haben wir mit gerade mal 20 Stationen in fünf Jahren bei Nio gerade schmerzhaft gelernt, wie lange der Aufbau eines solchen Netzes dauert. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die neuen Wechselstellen kleiner und billiger sind und die Baugenehmigung schneller gehen sollte.
Fazit: Charmeur mit Strahlkraft
Er sieht endlich mal unverwechselbar aus, bietet viel Platz auf wenig Fläche und bringt ein bisschen Spaß in den Stadtverkehr. So könnte der Firefly zu einem der schärfsten Konkurrenten des Mini werden – bis es ans Laden geht.
Denn solange er ans Kabel muss, ist die Strahlkraft des Glühwürmchens dabei eher bescheiden. Doch wenn es irgendwann wirklich mal Wechselstationen im Zentrum gibt, könnte er tatsächlich den Großstadtdschungel zum Leuchten bringen.

Datenblatt: Firefly
Motor und Antrieb: | Ein Elektromotor |
Max. Leistung: | 105 kW/143 PS |
Max. Drehmoment: | 200 Nm |
Antrieb: | Heckantrieb |
Getriebe: | Eingang-Automatik |
Maße und Gewichte | |
Länge: | 4.003 mm |
Breite: | 1.885 mm |
Höhe: | 1.557 mm |
Radstand: | 2.615 mm |
Leergewicht: | 1.467 kg |
Zuladung: | 391 kg |
Kofferraumvolumen: | 404-1.253 Liter + 92 Liter Frunk |
Fahrdaten | |
Höchstgeschwindigkeit: | 150 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 8,0 s |
Durchschnittsverbrauch: | 14,4 kWh/100 km |
Batteriekapazität | 41,2 kWh |
Reichweite: | 330 km |
CO2-Emission: | 0 g/km |
Ladeleistung: | AC/DC: 11/100 kW |
Kosten | |
Basispreis der Modellreihe: | ca 30.000 Euro |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | 0 Euro/Jahr |
Wichtige Serienausstattung | |
Sicherheit: | Sieben Airbags, Spurhalte- und Abstandsregelung, Auffahrschutz, Anfahrwarnung, Ausstiegswarnung |
Komfort: | Klimatisierte Sitze, Navigation, 360-Grad-Kameras, Vehicle-to-Load-Funktion. |
© Deutsche Presse-Agentur