Ein Speicheltest, der binnen Minuten Krebs erkennen kann? Ein Forschungsteam aus Kalifornien hat eine Methode entwickelt, die tatsächlich darauf hoffen lässt. Doch lässt sich mit einem solchen Schnelltest wirklich eine verlässliche Diagnose stellen?
Um Krebs frühzeitig zu erkennen, führt aktuell noch kein Weg an Vorsorgeuntersuchungen vorbei. Doch der Gedanke etwa an Rektaluntersuchungen oder Darmspiegelungen lässt viele davor zurückschrecken.
Umso verlockender erscheint da eine Methode, die kürzlich in einer neuen Studie im Fachmagazin "Nature Communications" präsentiert wurde: Ein Tropfen Speichel genügt – und schon liefert ein neuartiger Schnelltest das Ergebnis direkt aufs Handy. Ähnlich wie bei einem Corona-Schnelltest, ganz ohne Arztbesuch oder Laborauswertung.
Was nach Science-Fiction klingt, lieferte in der Studie vielversprechende Ergebnisse. Das Team aus Berkeley testete vier Biomarker – kleine Eiweißbestandteile, die auf bestimmte Krankheiten hinweisen können: PCT für Sepsis, CEA für Darm- oder Lungenkrebs und PSA für Prostatakrebs. Der Schnelltest erkannte selbst kleinste Mengen von drei Pikogramm pro Milliliter in nur zwölf Minuten. Rekordzeit – keine Laboruntersuchung kann da mithalten.
Forscher nutzen Kaffeering-Effekt
Die Forschenden nutzten bei ihrem Testverfahren ein simples physikalisches Phänomen: den sogenannten Kaffeering-Effekt. So funktioniert es: Ein Tropfen Speichel wird auf eine Testoberfläche gegeben und getrocknet. Dabei wandern die festen Bestandteile nach außen, ähnlich wie bei einem Kaffeefleck, der am Rand dunkler ist als in der Mitte. Auch Tumormarker wie PSA oder CEA folgen diesem Muster: Sie reichern sich am Rand an und lassen sich so leichter nachweisen.
Im zweiten Schritt kommen speziell entwickelte Nanopartikel zum Einsatz. Sie werden auf den getrockneten Speichel aufgetragen und binden sich gezielt an vorhandene Biomarker. Dabei verändert sich die Lichtstreuung der Probe, wodurch ein charakteristisches Muster entsteht. Dieses kann mit einer gewöhnlichen Handykamera erfasst und per App mithilfe Künstlicher Intelligenz analysiert werden – etwa zu Hause am eigenen Smartphone.
Krebs-Schnelltest bald in der Drogerie?
Ein solcher Schnelltest wäre nicht nur kostengünstig, sondern würde den Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen deutlich erleichtern, da der Arztbesuch und die anschließende Laboruntersuchung entfallen. Zudem könnten sie in Landstrichen mit schlechter medizinischer Infrastruktur Versorgungslücken schließen.
"Die Idee hat möglicherweise Potenzial."
Können wir also bald Krebs-Schnelltests in der Drogerie oder Apotheke kaufen und uns unangenehme Vorsorgeuntersuchungen durch einen Tropfen Speichel ersparen? "Die Idee hat möglicherweise Potenzial, doch wir befinden uns hier noch in der Grundlagenforschung", sagt Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).
Entscheidend seien noch klinische Studien an Menschen, um den Test zu validieren und mit etablierten Diagnoseverfahren zu vergleichen. "Es gilt zu klären: Bringt der Schnelltest einen echten klinischen Nutzen – und ist er besser als die bisherigen Methoden?"
Tumormarker eignen sich nur bedingt zur Krebsfrüherkennung
Bis ein Schnelltest in dieser Form in den Handel kommen könnte, würde es also noch dauern – falls es überhaupt dazu kommt. Ein Hauptproblem ist für Ernst vor allem die Aussagekraft der Biomarker. Sie können auf Krankheiten oder körperliche Vorgänge hinweisen, PSA zum Beispiel auf Prostatakrebs. Doch ein erhöhter PSA-Wert bedeutet nicht zwangsläufig Krebs.
"Für erhöhte Tumormarker kann es viele Gründe geben. Entzündung zum Beispiel, Medikamente oder Rauchen", erklärt Anke Ernst. Der Nachweis von Tumormarkern ist also keine eindeutige Krebsdiagnose. Umgekehrt schließt ein niedriger Wert eine Krebserkrankung nicht unbedingt aus, nicht bei allen Betroffenen sind die Werte erhöht. "Das gilt für Speichel- wie für Bluttests. Deswegen haben Biomarker bislang noch keinen großen Stellenwert in der Früherkennung von Krebs", sagt Ernst.
Derzeit würde ein solcher Schnelltest daher wohl mehr Unsicherheit als Klarheit schaffen. Die Studienautoren selbst betonen, dass ihre Methode bislang nur das Potenzial für einen Heimtest besitzt. Für den Einsatz in der Krebsfrüherkennung sind jedoch weitere Biomarker nötig: vor allem sogenannte zirkulierende Tumor-DNA, kleine DNA-Bruchstücke von Tumorzellen, die im Blut nachweisbar sind.
Das Erbmaterial von Krebszellen unterscheidet sich laut Ernst aber nicht nur zwischen verschiedenen Krebsarten, sondern auch zwischen Patientinnen und Patienten – selbst bei derselben Tumorart. "Meiner persönlichen Meinung nach wird es niemals einen Schnelltest geben, der eindeutig mit 'Krebs: ja oder nein' antwortet", sagt die Expertin.
Schnelltests können den Gang zum Arzt nicht ersetzen
Aber selbst, falls Schnelltests irgendwann Krebs eindeutig erkennen könnten, bleibt eine andere Frage: Will man zu Hause am Küchentisch mit einem positiven Ergebnis konfrontiert werden – ohne direkte ärztliche Beratung oder Erklärung? "Es ist keine gute Idee, den Menschen das Resultat einfach so vor die Füße zu werfen", warnt auch Ernst.
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Einen Arztbesuch ersetzen kann der Test ohnehin nicht. "Im besten Fall zeigt ein Schnelltest nur an, dass ein Arztbesuch eine gute Idee ist", so die Expertin. Der Goldstandard der Krebsdiagnostik bleibe bei den allermeisten Krebserkrankungen die Biopsie, also eine Gewebeprobe. Wer es mit der Krebsvorsorge ernst meint, wird um Darmspiegelung, Prostatauntersuchung und andere Verfahren also vorerst nicht herumkommen.
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Anke Ernst ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformationen und leitet die Internet- und Social-Media-Redaktion des Krebsinformationsdiensts des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Der Krebsinformationsdienst ist eine Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, Angehörige und interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich kostenlos rund um das Thema Krebs informieren wollen.
Verwendete Quellen
- Telefoninterview mit Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst des DKFZ
- krebsinformationsdienst.de: Prostatakrebs (Prostatakarzinom)
- krebsinformationsdienst.de: Darmkrebs (kolorektales Karzinom)
- bundesgesundheitsministerium.de: Krebsfrüherkennung
- aok.de: Mehrheit der Menschen in Deutschland offen für das Thema Krebsvorsorge
- nature.com: Plasmonic coffee-ring biosensing for AI-assisted point-of-care diagnostics