Darf ein Papst noch Freunde treffen, ein Haustier halten? Darf er Tennis spielen – und wenn ja, nur in Soutane? Ein Vatikan-Experte verrät, wie viel normales Leben ein Papst noch führt – und was passierte, als Franziskus einfach mal "ausbüxte".

Ein Interview

Das Magazin "Forbes" kürte Papst Franziskus 2018 zum sechstmächtigsten Menschen der Welt. Auch Papst Leo XIV. dürfte in dieser Rangliste bald weit oben auftauchen. Denn mit seinem Amtsantritt wurde er nicht nur zum Staatsoberhaupt des kleinsten Landes der Welt – des Vatikanstaats –, sondern auch zum Oberhaupt der größten christlichen Glaubensgemeinschaft mit rund 1,4 Milliarden Gläubigen.

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Mit dieser Verantwortung zieht ein enger Takt an Terminen und Pflichten in seinen Alltag ein. Wie viel persönlicher Freiraum bleibt da noch? Wie streng ist eigentlich das Privatleben eines Papstes geregelt? Darüber haben wir mit Vatikan-Experte Nino Galletti von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom gesprochen.

Über den Tagesablauf von Papst Leo XIV. ist bisher wenig bekannt. Er dürfte aber eng durchgetaktet sein. Bei Papst Franziskus begann der Arbeitstag bereits um 4:30 Uhr und endete um 22 Uhr. Haben Päpste überhaupt so etwas wie Freizeit?

Nino Galetti: Als Oberhaupt von Staat und Kirche kann der Papst seinen Tagesablauf prinzipiell selbst gestalten. Abgesehen von festen Terminen – etwa dem öffentlichen Angelus-Gebet am Sonntagmittag – kann er sich seine Zeit und auch seine Freizeit einteilen, wie er es für richtig hält. Was das frühe Aufstehen betrifft: Päpste sind meist ältere Männer, Papst Leo XIV. ist mit seinen 69 Jahren ja sogar noch vergleichsweise jung. Mit zunehmendem Alter verfestigen sich Gewohnheiten, und wer ein Frühaufsteher ist, bleibt das meist auch nach der Wahl zum Papst. Franziskus etwa stand sehr früh auf, um die Frühmesse zu feiern, und begann seine Amtsgeschäfte gegen acht Uhr morgens.

Sie sagen, ein Papst kann sich seine Zeit frei einteilen – also auch Urlaub machen, wenn er möchte. Weiß man, wie viele freie Tage sich ein Papst tatsächlich nimmt?

Nein, das weiß man nicht genau. Traditionell machten die Päpste Urlaub in Castel Gandolfo, der südlich von Rom gelegenen Sommerresidenz. Dort, in den Albaner Bergen, ist das Klima angenehmer als in der Stadt – das wissen die Päpste seit Jahrhunderten zu schätzen. Papst Benedikt XVI. war der letzte, der diese Residenz regelmäßig nutzte. Papst Franziskus hingegen hat Urlaub auf Balkonien gemacht: Er blieb selbst im Hochsommer in Rom, wenn ganz Italien in den Urlaub fährt. Aber ganz gleich, wo: Dass ein Papst zwei Wochen völlig abtaucht und in dieser Zeit nicht erreichbar ist – das gibt es nicht. Kein Staatsoberhaupt macht das. Auch ein Bundeskanzler ist im Urlaub immer erreichbar und wird meist begleitet von einem Sekretär.

Von Papst Johannes Paul II. heißt es, dass er heimlich Skiausflüge unternommen hat.

Ja, Papst Johannes Paul II. war in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Er war erst 58 Jahre alt, als er gewählt wurde – also sehr jung – und, wie auch Papst Leo XIV., ein ausgesprochen sportlicher Mensch. Tatsächlich hat er sich zu Beginn seines Pontifikats hin und wieder einen Tag freigenommen, um heimlich Skifahren zu gehen. Natürlich war er dabei nie allein – drei oder vier Begleiter fuhren stets mit. Anders wäre das auch nicht zu verantworten, schließlich hätte ihm etwas passieren können. Skifahren hatte zudem den Vorteil, dass er mit Mütze und Skibrille weitgehend unerkannt blieb. Bei einem Strandurlaub wäre das schon schwieriger gewesen. Das ist das Bittere am Papstamt: Ganz alltägliche Dinge kann man nicht mehr tun.

Einfach mit Sonnenbrille und Hut durch die Straßen Roms spazieren oder spontan in ein Restaurant gehen – ist das für einen Papst gar nicht mehr möglich?

Nein, so etwas geht im Grunde nicht mehr. Papst Franziskus ist hin und wieder "ausgebüxt" – dazu gibt es zwei schöne Anekdoten. Eine davon spielte sich vor etwa drei Jahren ab, als er noch etwas mobiler war. Damals wollte er sich eine neue Schallplatte kaufen. Er kannte einen kleinen Plattenladen in Rom, stieg in ein Auto und fuhr aus dem Vatikan einfach hin. Dort ließ er sich beraten und – so heißt es – kaufte eine Platte mit klassischer Musik. Doch natürlich blieb das nicht lange unbemerkt. Schnell versammelten sich Menschen vor dem Laden, wollten Fotos machen oder von ihm gesegnet werden. Ob so ein Ausflug dann wirklich noch Freude bereitet, sei mal dahin gestellt.

Und was war die zweite Anekdote?

Bei einem Staatsbesuch in Belgien im Jahr 2024 musste die gesamte Wagenkolonne plötzlich anhalten – Papst Franziskus hatte am Straßenrand eine kleine Kaffeebar entdeckt und spontan Lust auf einen Kaffee bekommen. Der Wirt war völlig überrumpelt. Man merkte Franziskus an, wie sehr er diesen Moment genoss. Er wollte einfach ganz in Ruhe in einem Café sitzen und einen Kaffee trinken.

Kann der Papst auch mal etwas ganz allein unternehmen?

Natürlich – er kann allein beten, meditieren oder die Messe feiern. Man darf nicht vergessen: Der Papst ist in erster Linie ein Geistlicher. Im Gebet findet er Ruhe und Kraft. Er kann sich jederzeit zurückziehen, wenn er das Bedürfnis danach hat – und das ist auch notwendig. Als Staatsoberhaupt und Oberhaupt der Kirche begegnet er täglich vielen Menschen, jeder will mit ihm sprechen. Das ist nicht nur erfüllend, sondern auch anstrengend.

Trifft Robert Francis Prevost als Papst weiterhin privat Familie und Freunde?

Ja, das ist durchaus möglich. Von Papst Benedikt weiß man zum Beispiel, dass ihn sein Bruder regelmäßig besucht hat. Zu Ostern oder im Sommer blieb er sogar manchmal eine ganze Woche in Rom. Tagsüber arbeitete der Papst, am Nachmittag oder Abend verbrachten die beiden Zeit miteinander. Gäste kann der Papst selbstverständlich empfangen.

Papst Leo wird wieder in den Apostolischen Palast einziehen, in dem zuvor Papst Benedikt XVI. lebte. Seine Wohnung dort soll er nicht nur mit engsten Mitarbeitern, sondern auch mit Katzen geteilt haben.

Dass Papst Benedikt Katzen sehr mochte, ist richtig. Aber dass er tatsächlich welche in seiner Wohnung hielt, ist mir nicht bekannt – das würde mich auch wundern. Die Wohnung liegt im dritten Stock, ein weiter Weg bis nach draußen. Ich bezweifle, dass sich eine Katze dort wohlfühlen würde. Es kann natürlich sein, dass in den vatikanischen Gärten Katzen umherstreifen. Rom ist ja für seine vielen Katzen bekannt. Vielleicht hat Benedikt seine Mitarbeiter gebeten, ihnen Wasser und Futter hinzustellen – und sich dort an ihrer Gesellschaft erfreut.

Manche behaupten ja, dass Haustiere im Apostolischen Palast generell verboten sind.

Dazu kann ich nur sagen: Der Papst ist ein absoluter Herrscher – was dort erlaubt ist, bestimmt er. Abgesehen davon eignet sich der Apostolische Palast tatsächlich nicht für Haustiere. Dort hängen Kunstschätze von Raffael und Michelangelo – nicht auszudenken, wenn sich eine Katze daran die Krallen wetzen würde.

Als Katzenfreund ist Papst Leo bisher nicht bekannt – wohl aber als Fan der White Sox. Laufen im Vatikan künftig also Baseballspiele im Fernsehen?

Papst Benedikt hat regelmäßig die deutsche "Tagesschau" und das italienische "Telegiornale" geschaut, ich weiß nicht, ob Papst Leo bei den White Sox mitfiebert, um zu entspannen. Dass wir uns so etwas nur schwer vorstellen können, liegt wohl daran, dass im öffentlichen Bild meist das Besondere und nicht das Alltägliche betont wird.

Robert Prevost gilt auch als begeisterter Tennisspieler. Kann er diesen Sport weiter ausüben?

Wenn er das möchte – warum nicht? Er ist ja ein vergleichsweise junger und fitter Papst. Papst Franziskus hat sich beispielsweise die Nachmittage freigehalten – das bedeutete nicht, dass er immer frei hatte, aber es gab Spielraum. Wenn Papst Leo das ähnlich handhabt, dürfte sich durchaus ein Tennismatch unterbringen lassen. Und soweit ich weiß, gibt es im Vatikan Tennisplätze.

Würde er dann in kurzen Hosen Tennis spielen?

Ja – vermutlich in Weiß. Das würde ich jedenfalls erwarten.

Warum gibt es kaum Bilder von Päpsten in Zivil?

Es ist Tradition, dass der Papst die weiße Soutane trägt. Sie ist sein Erkennungszeichen. Bis in die 1960er-Jahre war es auch in Deutschland üblich, dass katholische Geistliche in Soutane auf die Straße gingen. Anzug mit Priesterkragen oder gar Zivilkleidung – also so, dass man sie gar nicht mehr als Geistliche erkennt – ist ein relativ neues Phänomen.

Papst Franziskus wurde kurz vor seinem Tod in Zivil gesehen.

Ja, das stimmt. Im April, als er bereits im Rollstuhl saß, soll er bei einem Spaziergang durch die Vatikanischen Gärten den Wunsch geäußert haben, noch einmal den Petersdom zu sehen. Er trug dabei eine schwarze Hose und ein weißes Shirt. Es war ihm in dem Moment offenbar egal, dass er sich in der Peterskirche in Zivil zeigte. Das sorgte nicht nur bei den Traditionalisten für Stirnrunzeln.

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Bereitet denn das Leben als Papst auch Freude – oder überwiegen die privaten Opfer?

Ich bin sicher, dass Robert Prevost als Mensch Freude an den vielen Begegnungen haben wird. Wer es so weit in der Kirche bringt, geht in der Regel gern auf Menschen zu – und davon trifft man in diesem Amt natürlich viele, auch sehr interessante. Zugleich liegt auf dem Papst eine enorme Verantwortung. Es ist ein sehr einsamer Job, weil er so einzigartig ist.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, der Papst sei das Oberhaupt von 1,4 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Richtig ist, dass es 1,4 Milliarden sind. Wir haben den Fehler korrigiert.

Zum Gesprächspartner

  • Dr. Nino Galetti studierte Politikwissenschaft, Völkerrecht und Romanistik in Bonn. Seit 2020 leitet er das Auslandsbüro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom, das für Italien, Malta und den Heiligen Stuhl zuständig ist. In dieser Funktion ist er regelmäßig im Vatikan zu Gast und hat Papst Franziskus bereits mehrfach persönlich getroffen – den neu gewählten Papst Leo XIV. hingegen bislang noch nicht.

Verwendete Quellen: