Ein junger Mann aus der Südsteiermark wurde nach dem Schulmassaker von Graz fälschlich als Täter identifiziert – mit dramatischen Folgen. Tausende Hassnachrichten und Morddrohungen überschwemmten seine Accounts. Jetzt geht er juristisch gegen die Verleumder vor.
Jener Steirer, der infolge eines ähnlichen Namens in einigen sozialen Medien fälschlicherweise für den Amokläufer von Graz gehalten wurde und in den Tagen danach als angeblicher Täter gebrandmarkt wurde - er erhielt tausende Nachrichten, die bis hin zu Morddrohungen gingen -, geht gegen den ihm widerfahrenen Hass im Netz vor. Wie sein Anwalt Michael Rami auf APA-Anfrage mitteilte, wurden vorerst 15 bis 20 Personen wegen übler Nachrede geklagt. Etliche weitere dürften folgen.
Die Beklagten hatten teilweise unter ihren Klarnamen auf Plattformen wie Facebook und TikTok Postings mit dem Namen und dem Foto des jungen Südsteirers geteilt und damit "im Kern den Vorwurf weiterverbreitet, er sei ein mehrfacher Mörder von Kindern", wie Rami im Gespräch mit der APA erläuterte. Dabei hätte jedem klar sein müssen, dass sein Mandant mit dem Blutbad vom 10. Juni, bei dem neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrerin getötet wurden, nichts zu tun haben konnte, da sich der Schütze noch im Schulgebäude selbst gerichtet hatte. Nur weil der Amokläufer und der junge Südsteirer phonetisch gleich klingende Vornamen aufwiesen und der erste Buchstabe ihrer Familiennamen ident war, tauchte der 22-Jährige auf Plattformen im Internet plötzlich und zu seinem Entsetzen fälschlicherweise als angeblicher Mehrfachmörder auf.
Kläger will Bestrafung, Entschädigung und Urteilsveröffentlichung
"Geklagt wurden vorerst diejenigen, die ohne großes Nachforschen offensichtlich greifbar waren. Gefordert wird jeweils ihre Bestrafung, eine Entschädigung und die Urteilsveröffentlichung", legte Rami dar. Das könnte die Personen, die über ihre Facebook- oder TikTok-Profile die diffamierenden Postings verbreitet hatten, teuer zu stehen kommen. Denn sie gelten vor dem Gesetz als Medieninhaber.
Sollten sie wegen übler Nachrede schuldig erkannt werden, droht ihnen daher nicht nur eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen. Nach dem Mediengesetz wäre auch eine Entschädigung fällig, wobei der Entschädigungsbetrag zwischen 100 und 40.000 Euro auszumessen ist. Bei "besonders schwerwiegenden Auswirkungen der Veröffentlichung", wie es im Gesetz heißt, kann er bis zu 100.000 Euro ausmachen.
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"Die Behauptung, mein Mandant sei der Amokläufer von Graz, der mehrere Kinder ermordet habe, ist der schlimmste nur erdenkliche Vorwurf. Jeder, der das verbreitet hat, wird mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt", bekräftigte Rami. Er machte deutlich, dass seine Kanzlei an die sozialen Plattformen herantreten und versuchen wird, über die Anmeldedaten auch jene Poster auszuforschen, die die diffamierenden Inhalte unter einem Pseudonym verbreitet hatten.
Die Personen, die bereits eine Klage zugestellt bekommen haben und wohl demnächst einen Hauptverhandlungstermin erhalten werden, sind Menschen aller Altersgruppen und aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Ein 66-jähriger Pensionist befindet sich darunter ebenso wie ein Akademiker und Projektmanager. Gegen einen 86-jährigen Vorarlberger hat Rami allerdings die Klage zurückgezogen. Dieser konnte glaubhaft versichern, nicht hinter einem Posting in einer Facebook-Gruppe zu stehen, in dem der 22-Jährige als Amokläufer bezeichnet wurde. Der 86-Jährige besitzt lediglich ein Senioren-Handy und beteuert, er wisse nicht, was Facebook ist. "Das hat glaubwürdig geklungen", räumte Rami ein. (APA/bearbeitet von amb)