Ein Leben am Abgrund, zwei brutale Gewalttaten und ein Prozess, der viele Fragen aufwirft. In Linz steht ein Mann vor Gericht, der seine Ex-Frau und einen Obdachlosen schwer verletzt haben soll. Die Staatsanwaltschaft sieht darin versuchten Mord.

Ein 46-Jähriger muss sich seit Dienstag in Linz wegen versuchten zweifachen Mordes vor Gericht verantworten. Am 11. Dezember 2024 soll er seiner Ex-Frau auf dem Parkplatz vor ihrem Arbeitsplatz einen Stich in die Brust versetzt haben. Bereits am 10. Juni habe der Obdachlose einen anderen angegriffen, auch dieser Vorfall wird als Mordversuch gesehen. Er bekannte sich in beiden Fällen der "absichtlich schweren Körperverletzung" schuldig und sprach von einem "Denkzettel".

Die Staatsanwältin hingegen sah eine Tötungsabsicht. Sie beschrieb den Angeklagten als gewaltsam und aggressiv, vor allem wenn er getrunken hatte. Sein Alkoholismus sei der Grund gewesen, dass die beiden Ehen in die Brüche gegangen seien. Auch andere Beziehungen scheiterten daran.

Klinge drang bis in die Lunge vor

Am 11. Dezember habe er seiner zweiten Ex-Frau mit 1,9 Promille im Blut, wie der Angeklagte selber meinte, einen "Denkzettel" verpassen wollen. Die Staatsanwältin sprach von Vorsatz, denn der 46-Jährige halte all seinen ehemaligen Frauen vor, diese würden "systematisch, einvernehmlich alles tun, um ihm zu schaden". Den einen Stich habe er mit großer Wucht ausgeführt, Wintermantel, Pulli und BH wurden durchtrennt und die Klinge drang bis in die Lunge vor.

Nach der Messer-Attacke hatte die schwer verletzte Frau in ihr Auto flüchten können, der Angreifer wollte sie noch daran hindern, die Wagentüre zu schließen. Als das nicht geglückt sei, habe er das Messer fallen gelassen und sei geflüchtet, so die Ausführungen der Staatsanwältin. Die Chefin des Opfers und eine Arbeitskollegin alarmierten die Polizei und leisteten Erste Hilfe, bis die Rettung die Frau ins Krankenhaus brachte. Die Anklägerin sprach von "akuter Lebensgefahr" bei derartigen Verletzungen, das Opfer habe "zum Glück" überlebt, leide aber noch an den Folgen.

Tritte gegen den Kopf

Nicht weniger brutal sei der Angriff im Juni gewesen. Der Angeklagte drückte einen anderen Obdachlosen zu Boden, versetzte ihm mindestens fünf Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper sowie drei Fußtritte gegen den Kopf. Diese Attacke sei zwar glimpflich ausgegangen, dennoch sprach die Staatsanwältin von einem bedingten Vorsatz, denn er habe auch in dem Fall den Tod des Opfers in Kauf genommen.

"Natürlich sind Sie ein gefährlicher Mensch", meinte der Richter. "Das ist ja Wahnsinn, was Sie getan haben, auf einen am Boden Liegenden einzutreten, der schützend seine Hand vor den Kopf hält." Es sei eher Zufall gewesen, dass es bei einer versuchten absichtlich schweren Körperverletzung geblieben sei.

An den Übergriff konnte sich der Angeklagte zwar nicht mehr erinnern - er hatte 2,58 Promille Alkohol im Blut -, aber es existiert ein Video, auf dem der Übergriff ersichtlich ist. Daher stritt er die Attacke nicht ab.

Die Frage des Warum

Auch für die Verteidigerin war die "Schuldfrage völlig klar", für beide Vorfälle habe ihr Mandant die Verantwortung übernommen. Im Verfahren gehe es daher um "die Frage des Warum". Er sei ein "Ungustl, ein Querulant", das eine oder andere Unvermögen erkläre sich mit einer gewalttätigen Kindheit. Mit 15 Jahren flüchtete er in den Alkohol, später kamen Drogen hinzu.

Mit der Erziehung der beiden Kinder aus der Ehe mit dem Opfer fühlte er sich überfordert. Es kam zur Scheidung, am Ende landete der Angeklagte als Obdachloser am Linzer Hauptbahnhof. Seine Ex-Frau kümmerte sich aber weiter um ihn, ließ ihn bei sich duschen, machte seine Wäsche und er durfte auch Kontakt zu den Kindern haben, hob der Richter hervor.

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Angeklagter war selbst Opfer eines Übergriffs

45 Jahre war er nicht strafauffällig, nachdem er selber Opfer eines Übergriffs am Bahnhof geworden sei, änderte sich dies, sagte die Verteidigerin. Er sei gewalttätig, aber auch depressiv geworden. Zwei Wochen vor dem Angriff auf seine Ex-Frau habe er einen Suizidversuch begangen. Am Tag der Tat zündete er sein Zelt im Wald, in dem er seit Monaten lebte und in dem er auch gesessen sei, an. Die Verteidigerin zeichnete das Bild eines verzweifelten, lebensmüden Mannes.

Am 11. Dezember sei bei ihm ein Schalter umgekippt, alles sei ihm zu viel geworden, daher habe er einmal auf seine Ex-Frau eingestochen. Dann habe er sofort von ihr abgelassen, ließ das Messer fallen und ging direkt zur Polizei.

Am Nachmittag werden die Zeugen gehört. Am Donnerstagabend soll nach den Ausführungen des Gerichtsmediziners und der Gerichtspsychiaterin ein Urteil gefällt werden. (APA/bearbeitet von amb)