Er soll einen Terroranschlag in Wien vorbereitet haben. Ein 15-Jähriger mutmaßlicher IS-Anhänger musste sich am Montag der Anklage vor Gericht stellen.
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ist am Montag am Wiener Landesgericht gegen einen 15-jährigen mutmaßlichen Anhänger der radikalen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) verhandelt worden. Er soll einen gegen den Wiener Westbahnhof gerichteten Anschlag im Sinn gehabt und einer IS-Kontaktperson dessen Umsetzung für den Sommer 2025 zugesichert haben.
Der Jugendliche wurde zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt. Acht Monate wurden unbedingt ausgesprochen. 16 Monate bekam der Jugendliche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Urteil gegen 15-Jährigen ist noch nicht rechtskräftig
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während der 15-Jährige die Entscheidung nach Rücksprache mit seiner Rechtsvertreterin und den im Gerichtssaal anwesenden Eltern akzeptierte, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab.
Der Angeklagte war in der Verhandlung zu den wider ihn erhobenen Terror-Vorwürfen umfassend geständig."Ich stehe immer zu meinen Fehlern", sagte der körperlich schmächtige 15-Jährige, der mit schulterlangen schwarzen Haaren und in einem hellblauen Hemd die Fragen des vorsitzenden Richters beantwortete. Er hatte im Beratungszimmer in Begleitung mehrerer schwerbewaffneter Kräfte der Justizwache Einsatzgruppe (JEG) auf den Beginn der Verhandlung gewartet, um so einem Großaufgebot an Medienschaffenden zu entgehen, die sich vor dem Saal versammelt hatten.
Staatsanwalt ortete "sehr, sehr hohe Gewaltbereitschaft"
Der Staatsanwalt bescheinigte dem 15-Jährigen eine "sehr, sehr hohe Gewaltbereitschaft." Dieser habe ein "Blutbad" anrichten wollen. Der Angeklagte sei "sehr klein, sehr schmächtig, sehr jung. Aber der IS nützt genau solche Personen". Die Terror-Organisation versuche, "gezielt junge Menschen in Europa dazu zu bewegen, Anschläge durchzuführen".
"Mein Mandant ist kein Monster", hielt dem Verteidigerin Anna Mair entgegen. Dieser sei "abgerutscht", weil er sich unverstanden gefühlt habe, in der Schule aufgrund seines Glaubens gemobbt worden sei und keine Ansprechpersonen gehabt hätte. Von Vertretern des IS, auf die er im Internet gestoßen sei, habe er "Hilfe, Wissen, Unterstützung, Freundschaft" bekommen und sei "instrumentalisiert" worden: "Diese Fürsorge ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Leider."
Der damals 14-Jährige, dessen Eltern keine streng gläubigen Muslime sind, hatte sich im vergangenen Sommer über TikTok radikalisiert. Der Staatsanwalt sprach in diesem Zusammenhang von einem "traurigen Beispiel für Online-Radikalisierung, wie sie im Buche steht". Der Schüler hörte sich Predigten bekannter IS-Vertreter - darunter der deutsche Salafist Pierre Vogel - an und konsumierte in kürzester Zeit reichlich Propagandamaterial der Terror-Miliz, das er auch weiterleitete.
Schüler bestellte nach Mobbing-Erfahrungen im Herbst 2024 Schusswaffe
Nachdem er sich dem IS zugewandt und im Internet eine Anleitung zum Bombenbauen gefunden und dazu handschriftliche Notizen angefertigt hatte, bestellte sich der Bursch im November 2024 über eine deutsche Online-Börse eine Schusswaffe. Vorangegangen waren den Anschlagsplänen der Darstellung des 15-Jährigen zufolge Mobbing-Erfahrungen an der Schule. Der Bursch soll demnach als Klassenkleinster gehänselt und ins Klo gesperrt worden sein. Als er in der Schule betete, wurde er von Klassenkameraden fotografiert und angeblich belächelt. Ein Lehrer habe den Propheten Mohammed ihm gegenüber als "Analphabeten" bezeichnet, schilderte der Angeklagte, der daraufhin eine Glock 17 oder eine Glock 19 besitzen wollte. "Die ist Gott sei Dank nicht geliefert worden", führte der Staatsanwalt in diesem Kontext aus.
Daraufhin hätte der Angeklagte im Jänner seinen ursprünglichen Plan geändert. Nun kam ihm in den Sinn, einem Polizisten die Dienstwaffe zu entreißen und den Beamten mit einem Messer niederzustechen. Der Schüler hatte laut Anklage zu Hause mehrere Kampfmesser liegen, die zu besorgen offenbar kein schwieriges Unterfangen war. Mit der Waffe des getöteten Polizisten wollte der Bursch laut Anklage Passanten bzw. Ungläubige töten.
"Plan A" sah Niederstechen eines Polizisten vor
Der 15-Jährige bestätigte das in seiner Beschuldigteneinvernahme. Das sei "Plan A" gewesen: "Ich wollte einen Polizisten niederstechen und seine Waffe nehmen. Ich habe gezeichnet, wo das sein kann." Er habe die Absicht gehabt, "das in meiner Wohnumgebung zu machen". In diesem Zusammenhang nannte der Angeklagte eine konkrete Polizeiinspektion, die "bei mir ums Eck" liege.
Ab Ende Jänner Westbahnhof "primäres Anschlagsziel"
Davon rückte der Schüler ab, nachdem er in der zweiten Jänner-Hälfte über einen einschlägigen Chat in Kontakt mit einem zwar namentlich bekannten IS-Kontaktmann gekommen war, dessen Identität jedoch noch nicht ausgeforscht werden konnte. Von diesem Zeitpunkt an sei der Westbahnhof als "primäres Anschlagsziel" in den Fokus gerückt, stellte der Staatsanwalt fest.
Der Ankläger skizzierte den Teenie als einen immens gefährlichen und gewaltaffinen IS-Fanatiker. Er sprach von einem "verheerenden Gesamtbild", das der Angeklagte abgebe.
"Bin froh, dass ich es nicht gemacht habe"
"Es war ein sehr großer Fehler", meinte der Angeklagte zu den Anschlagsplänen. Auf die Frage des Richters, ob er bereit gewesen wäre, für seine Pläne zu sterben, erwiderte der 15-Jährige: "Ich wäre nicht bereit. Ich hatte keinen Mut dazu. Ich bin froh, dass ich es nicht gemacht habe."
Verteidigerin begrüßte Festnahme des Angeklagten
Der Schüler war nach länderübergreifenden Ermittlungen am 10. Februar in der elterlichen Wohnung in Währing festgenommen worden. Verteidigerin Anna Mair begrüßte das in ihrem Eröffnungsplädoyer. So sei ihr Mandant von seinem "Hass auf alles" und der "Spirale", in der er sich befunden hätte, weggekommen. Laut Anklage hatte der 15-Jährige wenige Tage vor seiner Festnahme dem noch auszuforschenden IS-Vertreter bekräftigt, den Anschlag im Sommer durchzuführen. "Umsetzen wollte er das nicht unmittelbar. Erst im Sommer. Er war zu feig", sagte Mair dazu.
Der Bursch hatte sich seit August 2024 das Gedankengut des IS zu eigen gemacht haben. Nachdem er sich im Internet Pläne zur Herstellung von Sprengstoff und Bomben beschafft hatte, erwarb er in einem Baumarkt dafür erforderliche Utensilien und konsumierte Online-Tutorials, um mehr über die Herstellung von explosiven Stoffen zu erfahren.
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Anklage umfasst eine Reihe von terroristischen Straftaten
Tatbestandsmäßig wurden dem 15-Jährigen in erster Linie die Vorbereitung einer terroristischen Straftat - nämlich ein Verbrechen mit Sprengmitteln - im Sinne des § 278c StGB, terroristische Vereinigung, die versuchte Ausbildung für terroristische Zwecke, die Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat und das Verbrechen der kriminellen Organisation vorgeworfen. (apa/bearbeitet von phs)