Ein 16-Jähriger muss sich in Wien wegen Kontakten zu mutmaßlichen Terrorverdächtigen verantworten – und wegen IS-Propaganda. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Radikalisierung Jugendlicher und mögliche Verbindungen zu einem geplanten Anschlag beim Taylor-Swift-Konzert in Wien letztes Jahr.
Ein Jugendlicher aus dem Umfeld von Beran A., der mutmaßlich einen Anschlag auf das am 9. August 2024 vorgesehene Taylor Swift-Konzert im Wiener Ernst-Happel-Stadion geplant haben soll, ist am Montag am Landesgericht Wien zur Verantwortung gezogen worden. Der 16-Jährige wurde wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation rechtskräftig zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.
Zusätzlich wurden dem Burschen die Weisungen erteilt, ein Deradikalisierungsprogramm bei der Beratungsstelle Extremismus, das er von sich aus angetreten hatte, fortzusetzen und sich einer Psychotherapie bei der Männerberatung zu unterziehen. Außerdem wurde Bewährungshilfe angeordnet.
Der Lehrstellensuchende dürfte ein enger Freund von Luca K. gewesen sein, der als Vertrauter von Beran A. gilt und der als Mitarbeiter beim Bühnenaufbau im Happel-Stadion vor der insgesamt dreitägigen Konzert-Reihe der Pop-Diva Taylor Swift eingeteilt war, ehe er am 7. August gemeinsam mit Beran A. festgenommen wurde. Seither sitzen die beiden in U-Haft. Über Luca K. kam man auf den deutlich jüngeren Anhänger der radikalislamischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS), mit dem sich nun ein Schöffensenat im Grauen Haus zu befassen hatte.
Als 15-Jähriger für den IS betätigt
Der Angeklagte, der optisch-äußerlich fast noch kindlich wirkt, hatte sich seit Anfang Mai 2024 für den IS betätigt. Er war gerade einmal 15 Jahre alt, als er einschlägige Propaganda-Videos zu sammeln und zu verbreiten begann. "Ich hab' mich früher, als ich in der Mittelschule war, für Geschichte interessiert", versuchte er dem Gericht seine Beweggründe zu erklären. Er habe deshalb "recherchiert, was in der Welt so abgeht". Auf den IS sei er gekommen, weil das "Erscheinungsbild der Männer" in den Videos und deren "Redeweise" ihn "angezogen" hätten, gab er zu Protokoll: "Ich hab' das für richtig gehalten. Das war einfach für einen Jugendlichen wie mich cool."
Zunächst behauptete der Angeklagte, er habe "keine Tötungsvideos, nur Predigten geschaut". Er sei "immer gegen Gewalt eigentlich" gewesen. Weitergeleitet habe er "nur religiöse Texte, die keinen Bezug zum IS hatten".
"Letzter schritt: wie ein Mertyrer STERBEN"
Diese Verantwortung widerlegten der vorsitzende Richter und der Staatsanwalt eindrucksvoll, indem sie den mittlerweile 16-Jährigen mit Videomaterial und Dateien konfrontierten, die auf dessen Handy und sonstigen Datenträgern gefunden wurden, die der Verfassungsschutz und die WEGA im Rahmen einer Hausdurchsuchung sichergestellt hatten. Unter anderem hatte der Jugendliche eine PDF-Datei mit seinem geplanten Vorgehen als IS-Sympathisant erstellt. "Letzter Schritt: wie ein Mertyrer STERBEN", war darauf in nicht ganz korrektem Deutsch zu lesen.
Vor genau einem Jahr - am 30. Juni 2024 - ließ sich der 16-Jährige dann gemeinsam mit Luca K. von einem Bekannten beim Ablegen des Treueids auf den IS filmen. Während er mit einer Softair-Waffe - einem täuschend echt aussehenden Maschinengewehr - posierte, kopierte Luca K. die Pose des Wien-Attentäters, der am 2. November 2020 in der Innenstadt vier Menschen erschossen hatte, indem er mit einer Pistole in der einen und einem Messer in der anderen Hand beide Arme vor der Brust kreuzte.
Auch der 16-Jährige dürfte zumindest in der Vergangenheit vom Terror-Anschlag in Wien durchaus angetan gewesen sein. Er hatte jedenfalls ein IS-Propagandavideo abgespeichert, in dem von "Gerechtem Terror in Wien" die Rede war und abschließend betont wurde: "Die Bedrohung geht weiter."
Video mit IS-Treueeid "einfach aus Spaß aufgenommen"
Zum Video mit dem Treueeid auf den IS bemerkte der 16-Jährige, er hätte das gemeinsam mit Luca K. "einfach aus Spaß aufgenommen". Er hätte es danach mit einer Tonspur unterlegt, "um einen Sound zu haben". Dass er dafür auf einen Nasheed (islamischem Sprechgesang, Anm.) zurückgriff, in dem der IS verherrlicht wurde, sei mehr oder weniger Zufall gewesen ("Ich hab's nicht editiert"), behauptete er, was ihm der vorsitzende Richter allerdings nicht abnahm ("Ich kann diesen Schwachsinn nicht mehr hören").
Luca K., gegen den am 25. Juli in Wiener Neustadt wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation verhandelt wird, wurde von mehreren schwerbewaffneten Beamten der Einsatzgruppe Justizwache (JEG) aus der U-Haft in den Saal eskortiert. Der 18-Jährige nahm mit an einen Bauchgurt angelegten Handfesseln am Zeugenstuhl Platz. Er behauptete ebenfalls, der Treueeid sei "aus Spaß" auf Video aufgezeichnet worden: "Es war sinnlos. Ohne Sinn. Als Jugendlicher macht man viele Videos und kommt auf dumme Gedanken." (APA/bearbeitet von skr)