Ob USB-Stick im Blumentopf oder vermisste Person im Wald: Polizeihunde entdecken, was für Menschen unsichtbar ist. Sie arbeiten mit der Nase, handeln aus Instinkt und leben für den Einsatz. Wie sie lernen, Drogen, Datenträger oder Menschenleben zu erschnüffeln und warum sie oft mehr bewirken als jeder Streifenwagen.
Die Geschichte dieser außergewöhnlichen Partnerschaft zwischen Mensch und Hund reicht mehr als hundert Jahre zurück. Zunächst nahmen Polizisten ihre eigenen Hunde mit auf Streife, 1902 machte eine Dogge Schlagzeilen, als sie bei einem Großbrand Menschen rettete – ein früher Beleg für den Instinkt und das Potenzial von Hunden im Einsatz.
Heute sind in Deutschland rund 3.500 Hunde bei Polizei, Bundespolizei, Zoll und Bundeswehr im Einsatz. Jeder einzelne ein Spezialist, ausgestattet mit einem Spürsinn, der Mensch und Technik oft weit überlegen ist.
Einer, der mit diesen besonderen Kollegen tagtäglich arbeitet, ist Polizeihauptkommissar Ralf Strasser-Moraras. Seit 16 Jahren bildet er an der Diensthundeschule Bayern vierbeinige Ermittler aus und ist selbst regelmäßig mit seinem Hund Dimi im Einsatz. Dimi war Bayerns erster Datenträger-Spürhund.
Polizeihunde im Einsatz: Die Nase entscheidet
Doch was macht einen guten Polizeihund aus? "Fünfundachtzig Prozent der Einsätze laufen über die Nase. Ohne exzellenten Geruchssinn geht gar nichts", betont der Ausbilder. Nicht jede Hunderasse bringt dafür das passende Profil mit. Ein Mops etwa wäre hoffnungslos überfordert. Gefragt sind Tiere mit Arbeitswillen, Nervenstärke und Präsenz sowie einer überdurchschnittlich feinen Nase.
Für die Polizeiarbeit eignen sich Rassen wie Schäferhund, Dobermann oder Rottweiler. Diese Hunde verfügen über einen außergewöhnlichen Geruchssinn. Allein der Deutsche Schäferhund besitzt 250 Millionen Riechzellen, während der Mensch mit rund fünf Millionen weit dahinter liegt.
Was für uns kaum vorstellbar ist, gehört für Spürhunde zum Alltag. Mit gezieltem Training lassen sich Gerüche nicht nur identifizieren, sondern auch punktgenau anzeigen.
Polizeihund-Ausbildung mit Spieltrieb und System
Schon mit acht Wochen kommen potenzielle Diensthunde in erfahrene Hände. Im Rahmen eines Welpenprogramms ziehen sie in die Familien der Hundeführer ein und werden spielerisch auf ihr späteres Leben vorbereitet. So kam auch Dimi damals zu Strasser-Moraras. "Mein alter Diensthund hat ihm gleich das Einmaleins der Nasenarbeit beigebracht."
Mit etwa 18 Monaten beginnt die offizielle Ausbildung. Zunächst stehen Gehorsam und Suchverhalten im Fokus, dann folgt das Training im Schutzdienst. Hier lernen die Hunde, auf Kommando Personen zu stellen, Räume zu sichern und, wenn nötig, gezielt zuzubeißen. Aggression ist dabei fehl am Platz. Es geht um Präzision und Kontrolle.
"Früher wurde mit Druck gearbeitet", sagt Strasser-Moraras. "Aber das ist nicht nur unzulässig, sondern auch ineffektiv." Heute zählt bei der Arbeit mit Hunden Motivation statt Machtdemonstration. Lob, Spiel und positive Verstärkung stehen im Mittelpunkt. "Unsere Hunde arbeiten, weil sie es wollen, und nicht, weil sie müssen."
Spezialisten mit feinem Gespür
Nach der Grundausbildung zum Schutzhund erfolgt die Spezialisierung zum Spürhund. Hier wird jeder Hund ausschließlich für eine Aufgabe trainiert, sei es das Aufspüren von Rauschgift, Banknoten, Leichengeruch oder Datenträgern. Die Methode dahinter ist einfach und effektiv.
"Der Hund nimmt den gesuchten Geruch wahr und erhält genau in diesem Moment seine Belohnung", erklärt Strasser-Moraras. "Ein Klick-Geräusch signalisiert ihm, dass er richtig liegt, und danach wird mit dem Hundeführer gespielt. Das ist für ihn die beste Motivation."
Je nach Fachrichtung dauert die Ausbildung neun bis vierzehn Wochen. Trainiert wird unter realistischen Bedingungen in Wohnhäusern, Lagerhallen und Fahrzeugen. Denn im Einsatz muss der Hund auch in unbekannter Umgebung funktionieren.
Hoch konzentriert auf Spurensuche
Wenn Dimi loslegt, arbeitet er hoch konzentriert. "Ich kontrolliere den Raum visuell, Dimi übernimmt die Feinarbeit", sagt Strasser-Moraras. Wird er fündig, zeigt er das an, indem er genau an dieser Stelle einfriert. Kein Bellen, kein Scharren, nur ein starres Verharren mit angespannter Muskulatur.
Selbst winzige Datenträger entgehen Dimi nicht. Einmal entdeckte er eine als Tom&Jerry-Figur getarnte Speicherkarte. "Mit bloßem Auge hätten wir das nie gefunden."
Ein Job fürs Leben und darüber hinaus
Polizeihunde leben nicht im Zwinger, sondern bei ihren Hundeführern als vollwertige Familienmitglieder. "Ich sehe meinen Hund öfter als meine Frau", sagt Strasser-Moraras. Der gesamte Alltag wird auf den Vierbeiner abgestimmt, vom Urlaub bis zur Freizeitgestaltung. "Aber die Familie muss mitspielen, sonst geht das nicht."
Nach rund zehn Jahren gehen die Diensthunde in den Ruhestand. Ein neuer Platz wird nur gesucht, wenn gesundheitliche Gründe es erfordern. Ansonsten bleibt der Hund, wo er hingehört, in seiner Familie. "Er war Teil des Teams und bleibt Teil davon", erklärt Strasser-Moraras.
Die Versorgungskosten trägt der Dienstherr. In Bayern etwa gibt es monatlich 87 Euro Pflegegeld für aktive Hunde, im Ruhestand sind es immerhin 75 Euro.
Lesen Sie auch
- Drei Bundesländer starten in die Sommerferien – mit Folgen für viele
- Mordfall erschüttert Urlaubsinsel: Australiern droht auf Bali Hinrichtung
Keine Misshandlung, sondern Fürsorge
Kritik von Tierschutzseite, wonach Polizeihunde im Training und Einsatz misshandelt würden, weist der Ausbilder entschieden zurück. "Ich lade jeden gern ein, sich das selbst anzusehen. Unsere Tiere haben ein besseres Leben als mancher Hund, der den ganzen Tag allein zuhause sitzt und auf sein Herrchen wartet", sagt Strasser-Moraras.
Denn Hunde brauchen eine Aufgabe, die sie fordert und erfüllt. Nur so sind sie zufrieden. Manchmal kann eine einzige Suche den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. "Mein früherer Hund Niko hat einmal einen vermissten alten Mann gefunden. Ohne ihn wäre der wohl gestorben."
Solche Momente zeigen, wie wertvoll diese Arbeit ist. "Wenn mein Hund Erfolg hat, bin ich stolz. Das ist meine größte Motivation."
Über den Gesprächspartner
- Polizeihauptkommissar Ralf Strasser-Moraras arbeitet seit über zwei Jahrzehnten als Diensthundeführer – und bringt seit 16 Jahren sein Wissen als Ausbilder an der Zentralen Diensthundeschule Bayerns (ZDHS) im oberpfälzischen Herzogau ein. An seiner Seite: Dimi, ein Deutscher Schäferhund und Bayerns erster offiziell ausgebildeter Datenträger-Spürhund. Strasser-Moraras' frühere Diensthunde Ghandi und Niko – ebenfalls Schäferhunde – waren als Schutz- und Rauschgiftspürhunde im Einsatz.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Polizeihauptkommissar Ralf Strasser-Moraras
- Polizei Dein Partner: "Einsatz auf vier Pfoten"
- Planet Wissen: "Hunde: Polizeihunde"