Nur 24 Stunden nach ihrem letzten Atemzug wird die Asche von Doris Duke über dem Pazifik verstreut. Starb das "reichste Mädchen der Welt" eines natürlichen Todes? Oder war es Mord? Es ist das letzte Kapitel im Leben einer Frau, die in unermesslichem Reichtum aufwächst, ihr Glück jedoch nie dauerhaft findet – und die bis heute von einigen verdächtigt wird, selbst einen Mord begangen zu haben.
Doris Duke verbringt ihre letzten Lebensstunden in ihrer Villa in Beverly Hills – eines von fünf prachtvollen Anwesen, die sie besitzt. Stets an ihrer Seite: ihr Butler und enger Vertrauter Bernard Lafferty. Ein unkonventioneller Typ, der nicht ins klassische Bild eines Hausdieners passt: Er trägt Pferdeschwanz und Ohrring, hat eine Vorgeschichte als Alkoholiker. Doch welche Rolle spielt er beim Tod der Milliardärin?
Ein Leben in Luxus
Doris Duke wächst ohne finanzielle Sorgen auf. Ihr Vater, James Buchanan Duke, häuft mit dem Tabakunternehmen American Tobacco Company und später mit dem Energieanbieter Duke Energy ein gewaltiges Vermögen an. Am 22. November 1912 bringt seine Frau, Nanaline Holt Inman, Doris zur Welt. Die Presse gibt dem Neugeborenen die Beinamen "das reichste Mädchen der Welt" und "Million Dollar Baby".
Doch viel Geld garantiert kein unbeschwertes Leben: Als Doris zwölf Jahre alt ist, stirbt ihr Vater, zu dem sie eine enge Bindung hat. Mit 21, 25 und 30 Jahren erhält sie in Tranchen rund die Hälfte seines auf etwa 100 Millionen US-Dollar geschätzten Vermögens.
Podcasterin Renee Roberson erzählt Dukes Geschichte in einer Folge von "Missing in the Carolinas" nach. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist angespannt – diese bevorzugt offenbar ihren Sohn aus erster Ehe. Mit nur 14 Jahren streitet sich Doris vor Gericht mit ihrer Mutter um mehrere Immobilien. Sie gewinnt den Prozess und wird Eigentümerin eines Hauses in Rhode Island, von Duke Farms in New Jersey und einer Villa in New York. Trotz der familiären Spannungen wächst sie bei ihrer Mutter an der Fifth Avenue in New York City auf.
Schon früh entdeckt Duke ihre Leidenschaft für die Künste: Sie spielt Klavier, singt im Gospelchor, tanzt Ballett – und liebt Jazz. Mit 21 wird sie volljährig und beginnt, die Welt zu bereisen.
Gescheiterte Ehen und private Tragödien
1935 heiratet sie den 16 Jahre älteren James Cromwell. Dieser verfolgt eine politische Karriere, die er sich von seiner Ehefrau finanzieren lässt. Seine Ambitionen, US-Senator zu werden, bleiben jedoch erfolglos. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass es sich um eine glückliche Ehe handelt.

Fünf Jahre nach der Hochzeit bringt Duke ein Kind zur Welt, doch die kleine Arden stirbt nur einen Tag nach der Geburt. Die Nachricht, keine weiteren Kinder bekommen zu können, trifft sie schwer und belastet sie seelisch. Zudem bestreitet Cromwell, der Vater des Kindes zu sein.
1943 wird die Ehe schließlich geschieden. Duke zahlt Cromwell eine Abfindung von 350.000 US-Dollar, was heute einem mittleren einstelligen Millionenbetrag entspricht.

Auch ihre zweite Ehe scheitert: 1947 heiratet Duke den dominikanischen Diplomaten und Playboy Porfirio Rubirosa. Doch schon ein Jahr später lässt sie sich scheiden – nachdem sie ihn verschiedenen Medienberichten zufolge mit einer seiner Ex-Frauen erwischt. Zu Rubirosas zahlreichen Liebschaften sollen Stars wie
Duke hat zwar weitere Beziehungen, heiratet aber nie wieder. 1962 erleidet sie einen weiteren herben Schlag: den Tod ihrer Mutter.
Der mysteriöse Tod von Eduardo Tirella
Ein enger Vertrauter wird Eduardo Tirella, ein homosexueller Set-Designer. Rund zehn Jahre lang ist er Doris Dukes künstlerischer Berater. Dann plant er, zurück nach Hollywood zu gehen – doch dazu kommt es nicht.
Am 7. Oktober 1966 stirbt Tirella auf Dukes Anwesen Rough Point in Newport. Duke soll ihn versehentlich mit dem Auto überfahren haben – so zumindest das offizielle Untersuchungsergebnis.
Der US-amerikanische Journalist Peter Lance rollt die Ereignisse Jahrzehnte später erneut auf. In einem im Sommer 2020 für die "Vanity Fair" erschienenen Artikel sowie in seinem Buch "Homicide at Rough Point" beschreibt er zahlreiche Ungereimtheiten rund um den Fall.

Was laut Duke geschehen sein soll: Tirella steigt aus dem Auto, um ein Eisentor zu öffnen. Sie klettert vom Beifahrersitz hinter das Steuer, löst die Handbremse und schaltet in den Vorwärtsgang. Aber anstatt das Bremspedal zu betätigen, gibt sie versehentlich Gas. Das Fahrzeug drückt Tirella gegen das Tor, reißt dieses um und das Auto prallt gegen einen Baum. Tirella erliegt seinen Verletzungen.
Widersprüche und Ungereimtheiten
Doch Lance beschafft sich den Autopsiebericht – die Verletzungen passen nicht zur offiziellen Darstellung. Abgesehen von einem Bruch der rechten Hüfte liegen alle Verletzungen im Bereich des Oberkörpers. Polizeiskizzen vom Tatort deuten darauf hin, dass Duke Tirella bereits auf der Straße anfährt. Was demnach passiert sein könnte: Er landet auf der Motorhaube, prallt gegen das Eisentor, rollt herunter – und wird dann überfahren. Der Wagen schleift ihn mit und kracht samt ihm unter dem Fahrzeug gegen einen Baum. Ein vorsätzlicher Mord der als jähzornig geltenden Duke, die es nicht ertragen konnte, von Tirella verlassen zu werden?
Auffällig ist auch ihr Verhalten nach dem Vorfall: Nur eine Woche nach Tirellas Tod spendet Duke laut Lance 25.000 US-Dollar für die Restaurierung des historischen Küstenwanderwegs Cliff Walk. Weitere 10.000 US-Dollar gehen an ein Krankenhaus. Kurz darauf gründet sie die Newport Restoration Foundation, die 84 Gebäude aus der Kolonialzeit restauriert.
Newports damaliger Polizeichef Joseph A. Radice stuft den Vorfall nach nur vier Tagen als Unfall ein. Sieben Monate später geht er in den Ruhestand und kauft Eigentumswohnungen in Florida. Sein Nachfolger? Ein Polizist, der Duke zuvor vernommen hat – und bei der Beförderung einem ranghöheren Kollegen vorgezogen wird.
Es gibt zahlreiche weitere Indizien und Ungereimtheiten, die Lance auflistet und die gegen Duke sprechen. Kaufte sich eine der reichsten Frauen der Welt von einem Mord frei? Bewiesen ist das bis heute nicht.
Eine merkwürdige Adoption
Ein weiteres denkwürdiges Kapitel in Doris Dukes Leben beginnt Anfang der 1980er-Jahre: In einer Tanzschule trifft sie auf die 40 Jahre jüngere Charlene Gail "Chandi" Heffner. Schnell ist sie überzeugt, dass die Hare-Krishna-Anhängerin die Reinkarnation ihrer verstorbenen Tochter Arden ist.
Duke adoptiert Heffner – eine Entscheidung, die sie rückblickend als einen ihrer größten Fehler bezeichnet, so auch in der letzten Fassung ihres Testaments vom 5. April 1993, wie Podcasterin Renee Roberson dokumentiert.
Bernard Lafferty: Welche Rolle spielt der Butler beim Tod von Doris Duke?
Während sich das Verhältnis zu Heffner zunehmend verschlechtert, wird Butler Lafferty für Duke zur immer wichtigeren Vertrauensperson. Kurz vor ihrem Tod setzt sie ihn als alleinigen Testamentsvollstrecker ihres milliardenschweren Nachlasses ein.
Am 28. Oktober 1993 stirbt Doris Duke. Eine Obduktion findet nicht statt, stattdessen wird ihre Asche keine 24 Stunden später über dem Pazifik verstreut. Laut einem Sprecher lautet die offizielle Todesursache: ein fortschreitendes Lungenödem, das zu Herzversagen geführt hat.
Tammy Payette gehört zu den sechs Pflegekräften, die Duke in ihren letzten Tagen betreuen. In einer eidesstattlichen Erklärung vor dem Nachlassgericht in Manhattan erhebt sie schwere Vorwürfe: "Miss Duke starb nicht eines natürlichen Todes und war nicht in akuter Lebensgefahr, bis ihr hohe Dosen Morphium verabreicht wurden", wird sie in dem "Newsweek"-Artikel "Did The Butler Do It?" aus dem Februar 1995 zitiert. Doch wie glaubwürdig ist ihre Aussage? Ein Jahr später wird Payette zu acht Jahren Haft verurteilt, weil sie Juwelen und andere Wertgegenstände von reichen Patienten stiehlt.
Auch Colin Shanley, Dukes früherer Koch, äußert sich unter Eid. Er berichtet, dass am Tag vor Dukes Tod ein Paket eintrifft, das Lafferty mit den Worten an sich nimmt: "Miss Duke wird heute Nacht sterben."
Laut Payette erkundigt sich Lafferty nach der ersten Morphiumgabe beim Arzt, wie lange es dauern werde, bis der Tod eintritt. Die Antwort von Dr. Kivowitz: etwa eine Stunde. Da Duke jedoch noch mehrere Stunden weiterlebt, habe Lafferty den Arzt erneut gerufen, der dann eine weitere Dosis verabreichte. Am nächsten Morgen gegen 5:30 Uhr verstirbt Duke – zwei Stunden später ist ihr Leichnam bereits verschwunden.
Lafferty und Kivowitz weisen Vorwürfe zurück
Lafferty lässt über eine PR-Agentur erklären, die Vorwürfe seien "bizarr und haltlos". Kivowitz räumt zwar ein, das Morphium gespritzt zu haben, betont aber, Duke habe sich im Sterben befunden und jede Form lebensverlängernder Maßnahmen abgelehnt. "Ich erhöhte die Dosis, damit sie nicht leiden musste, nicht dahinsiechte", sagt er – und behauptet, ihren Tod allenfalls um zwei Tage vorgezogen zu haben.
Nach Dukes Tod entbrennen zudem heftige juristische Auseinandersetzungen, die sich bis ins Jahr 1996 hinziehen. Die enterbte Heffner erhält schließlich eine Abfindung von rund 65 Millionen US-Dollar. Lafferty bekommt 4,5 Millionen US-Dollar sowie eine Jahresrente von 500.000 US-Dollar – verzichtet dabei aber auf seine Rolle als Testamentsvollstrecker. Für die Doris Duke Charitable Foundation (DDCF) wird ein neues, unabhängiges Kuratorium eingesetzt, mehr als eine Milliarde US-Dollar fließen in Dukes Stiftungen.
Lafferty stirbt noch im selben Jahr mit nur 51 Jahren an einem Herzinfarkt – seine Asche wird vor Hawaii verstreut.
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Mehr als 30 Jahre nach ihrem Tod bleiben viele Fragen zum Leben von Doris Duke offen – ihr Vater soll sie einst mit den Worten "Vertraue niemandem" gewarnt haben. Offenbar sollte sich diese Mahnung als wahr erweisen.
Verwendete Quellen
- Spotify: Podcast: Missing in the Carolinas
- newsweek.com: Did The Butler Do It?
- peterlance.com: Der sonderbare Unfall der unfassbar reichen Miss Duke
- lovemoney.com: Die dramatische Geschichte des "reichsten Mädchens der Welt"
- latimes.com: Doris Duke Nurse Gets 8 Years in Prison for Theft