Auf dem China-Afrika-Kooperationsforum am Anfang der Woche hat Chinas Präsident Xi Jinping Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Dollar zugesagt. Nicht nur die hohe Summe unterscheidet China von europäischen Geldgebern, seine Entwicklungspolitik verfolgt auch andere Ziele. Ein Afrika-Wissenschaftler erklärt die chinesischen Interessen - und warnt vor einem neuen "Wettlauf um Afrika".

Ein Interview

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Herr Prof. Dr. Eckert, was macht die chinesische Entwicklungspolitik in Afrika aus?

Prof. Dr. Andreas Eckert: Die chinesische Entwicklungspolitik hat mehrere Komponenten. Neben verbilligten Krediten und kostenlosen Leistungen steht vor allem der Aufbau von Infrastrukturen im Vordergrund.

Verkürzt lautet der Tausch-Deal hier: China investiert - baut Fabriken, Häfen, Straßen und Eisenbahnlinien - und bekommt dafür privilegierten Zugang zu den Rohstoffen.

Hinzu kommt dann noch der gegenseitige Handel, wobei China Zölle für afrikanische Produkte abgeschafft hat und seine eigenen Massenwaren, etwa Handys, in Afrika verkauft.

Was machen die Chinesen anders als die Europäer?

Im Vergleich zu anderen Ländern hat China stärker investiert. Allein beim jetzigen China-Afrika-Kooperationsforum hat Xi Jinping 60 Milliarden Dollar für die nächsten drei Jahre zugesichert. Die westlichen Länder sind nicht bereit, so viel zu investieren.

China hat das Potenzial Afrikas sehr viel früher erkannt, betreibt eine breitere Entwicklungspolitik und hat es geschafft, sich als neutrale und nicht als neo-koloniale Kraft zu präsentieren.

Auch die Entwicklungspolitik des Westens ist stets mit ökonomischen Interessen verbunden gewesen, aber China steht offener dazu und predigt eine Win-Win-Situation auf Augenhöhe.

Welche Interessen verfolgt China?

Es sind vor allem ökonomische, aber auch politisch-strategische Interessen. Einerseits geht es um die afrikanischen Rohstoffe und eine damit verbundene Versorgungssicherheit für die eigene Bevölkerung.

Hinzu kommt die Erschließung des afrikanischen Marktes für eigene Exporte. Das Projekt der "Neuen Seidenstraße", bei dem China interkontinentale Handels- und Infrastrukturnetze zwischen Afrika, Asien und Europa ausbaut, muss man aber auch vor dem aktuellen "Handelskrieg" zwischen den USA und China betrachten.

Denn in diesem Zusammenhang ist das asiatische Land auf der Suche nach Unterstützern und Verbündeten.

Wie verändert der chinesische Einfluss Afrika?

China ist überall präsent: In einer afrikanischen Zeitung habe ich kürzlich gelesen, der gesamte Kontinent gleiche einer großen Baustelle. Es passiert relativ viel: Eisenbahnlinien werden ebenso gebaut wie Hafenanlagen und Stadien, gleichzeitig werden Rohstoffe verstärkt abgebaut.

Auch die Verbreitung von chinesischen Massenwaren verändert das afrikanische Bild. Etwa 10.000 chinesische Firmen sind in Afrika aktiv, mittlerweile leben rund eine Million Chinesen auf dem Kontinent. Das ruft auch kritische Reaktionen hervor.

Welche?

Die Chinesen bringen oftmals ihre eigenen Arbeiter mit und schaffen dadurch keine neuen Arbeitsplätze. Das sorgt für Unmut unter den Afrikanern, die sich beschweren, dass das chinesische Engagement nur einer kleinen afrikanischen Elite zugutekomme.

In den Augen vieler Bürger ist den afrikanischen Regierungschefs lediglich das Geld ausgegangen und sie besorgen sich nun frisches Geld aus China. Kritik wird laut, dass China inzwischen zum größten Gläubiger für afrikanische Länder geworden ist und die europäischen Staaten nur abgelöst hat.

Für Namibia gibt es die Prognose, dass in wenigen Jahren 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an China zu zahlende Schulden sein werden.

Führt die chinesische Afrikapolitik Ihrer Meinung nach zu einer Transformation in Afrika von Agrar- zu Industrienationen?

Nein, ganz Afrika wird jetzt mit Sicherheit nicht industrialisiert. Aber bestimmte Sektoren oder der Abbau bestimmter Produkte wie Kupfer in Sambia werden wohl intensiviert werden.

Agrarflächen bleiben aber ein höchstbegehrtes Gut, auf das auch die Chinesen schielen. Afrika ist – noch – der Kontinent mit den größten freien Agrarflächen, angesichts wachsender Bevölkerungen in China und Afrika ist das von großer Relevanz.

Sehen Sie Probleme bei der chinesischen Afrika-Politik?

Ja, mehrere. Bevor man aber berechtigte Kritik an der chinesischen Afrika-Politik übt, muss man sich an die eigene Nase fassen.

Auch viele westliche Länder haben sich selten darum geschert, wer gerade in einem afrikanischen Land an der Macht ist und haben systematisch Diktatoren gefördert, solange sie opportun erschienen. Da sitzen wir im Glashaus.

Ein weiteres Problem: China erscheint als attraktives politisches Vorbild.

Wieso?

Das Land verbindet nur so viel Demokratie wie notwendig mit einer relativ rasanten kapitalistischen Entwicklung. Gleichzeitig verfolgt es in der Außenpolitik das Prinzip der Nicht-Einmischung.

Viele Afrikaner bezweifeln deshalb, ob auf ihrem Kontinent wirklich wirtschaftliche Entwicklung und liberale Demokratie Hand in Hand gehen müssen. Der ruandische Präsident Paul Kagame praktiziert ein sehr autoritäres Regime, ist aber wirtschaftlich vergleichsweise erfolgreich.

Die Gleichung "Autoritäres Regieren fördert wirtschaftliche Entwicklung" erscheint leider immer überzeugender.

Wo liegen weitere Gefahren?

Die chinesische Politik tut wenig dafür, dass ihre Investitionen auch für die Massen relevant sind. Die Chinesen schaffen wenig Arbeitsplätze, oft gibt es problematische Folgen für die Umwelt und die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Mit ihren Massenprodukten machen sie afrikanischen Produzenten Billigkonkurrenz.

Für die afrikanische Politik liegt die Herausforderung deshalb darin, die richtige Balance zu finden: Notwendige Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft dürfen nicht zu Ausbeutung von Rohstoffen und Agrarflächen führen.

Was bedeutet das für den Westen?

Die chinesische Entwicklungspolitik treibt die Afrika-Politik der EU vor sich her, Europa steht unter Druck. Es gab bisher keine homogene EU-Afrika-Politik.

Auch die deutsche Afrika-Politik hat sich bislang durch einen Mangel an Stringenz und klaren Visionen ausgezeichnet. Es kann sein, dass die chinesischen Entwicklungsmaßnahmen jetzt auch in Europa für ein gewisses Aufwachen sorgen.

Allerdings bekommt man gleichzeitig den Eindruck, dass ein neuer Wettlauf um Afrika begonnen hat: Ende des 19. Jahrhunderts erlebten wir den "Scramble for Africa", als die Kolonialmächte Afrika unter sich aufteilten.

Was muss der Westen also tun?

Die chinesische Politik nun lediglich zum Anlass zu nehmen zu sagen: "Wir müssen zusehen, was wir noch kriegen können", wäre ein fatales Signal. Die chinesische Politik sollte vielmehr Anlass für eine europäische Afrika-Politik sein, die darauf setzt, dass man wirtschaftliches Wachstum und demokratische Regularien in Einklang bringen kann.

Die EU hat ihre Glaubwürdigkeit in Afrika zu großen Teilen verspielt. Der Westen hat viel versprochen und am Ende wenig gehalten. Vertrauen zurückzugewinnen, braucht Zeit.

Zur Person: Prof. Dr. Andreas Eckert ist Historiker und Afrikawissenschaftler und lehrt aktuell an der Humboldt-Universität in Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, die Geschichte des Staates, Urbanisierung, Widerstand, Kolonialismus und Globalisierung.
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