Machtmissbrauch bei der ÖVP? Die FPÖ will diese Frage und andere in einem U-Ausschuss geklärt wissen. Neben den Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung steht ein prominenter Todesfall im Fokus.
Die FPÖ hat am Mittwoch in einer Nationalrats-Sondersitzung ihr Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht. Generalsekretär Christian Hafenecker begründete die Maßnahme damit, dass die Volkspartei einen "tiefen schwarzen Staat" begründet habe: "Dieser Untersuchungsausschuss ist ein Akt der Notwehr gegen das politische System der ÖVP." Kritik am Inhalt des Verlangens kam von allen Seiten, lediglich die Grünen zeigten Interesse an der Causa Pilnacek.
Im Untersuchungsausschuss soll es einerseits um die Ermittlungen zum Tod des einstigen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek gehen, andererseits um die Corona-Maßnahmen der Regierung. In beiden Fällen werfen die Freiheitlichen der Kanzlerpartei die Einschüchterung von Kritikern vor.
Hafenecker nannte als Ziel, die Demokratie gegen die ÖVP zu verteidigen. Während Corona seien "Maßnahmenkritiker" wie Staatsfeinde behandelt und Demonstranten in einer Tour von der Exekutive drangsaliert worden. Medien würden durch "ein Netz an Inseraten, Förderungen und Hintergrund-Gesprächen an die Kandare genommen." Die ÖVP wolle das Innenministerium auch nur behalten, um vieles wie die Ermittlungen zum Tod eines Justizbeamten, der nicht mehr in ihrem System mitspielen habe wollen, unter Kontrolle zu haben.
Hafenecker ortet "tiefen Staat"
Der freiheitliche Generalsekretär folgert daraus: "Wer hier keinen tiefen Staat erkennt, will ihn einfach nicht erkennen." Die ÖVP sei keine Partei mehr: "Sie ist ein System geworden." Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) bot sich indes für Hafenecker als erste Person im U-Ausschuss an, da er sich heute bei der Beantwortung der von der FPÖ eingebrachten "Dringlichen Anfrage" von Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) wegen einer Auslandsreise vertreten ließ: "Wer nicht antworten will, muss das unter Wahrheitspflicht tun."
Pröll attackierte in der Beantwortung der Anfrage die FPÖ dafür, mit Anfrageserien ein wichtiges Kontrollinstrument der Abgeordneten zu missbrauchen und die Verwaltung zu blockieren. Selbst zeigte sich der Staatssekretär nicht allzu auskunftsfreudig. Bei der Beantwortung der meisten Fragen verwies er auf schon früher veröffentlichte Angaben zu den entsprechenden Themen.
Was den "tragischen Todesfall" Pilnaceks angeht, sah Pröll die Freiheitlichen als Partner des früheren Grünen-Abgeordneten Peter Pilz, um diesem beim Buch-Verkauf seines Pilnacek-Werks zu helfen. In Sachen Corona machte der Staatssekretär die FPÖ für dutzende Verschwörungstheorien verantwortlich sowie dafür, ein Entwurmungsmittel als Heilmittel empfohlen zu haben.
Zulässigkeit des U-Ausschusses muss noch geprüft werden
Inhaltliche Allianzen waren in der folgenden Debatte zum U-Ausschuss kaum absehbar. Lediglich die Grüne Sigrid Maurer befand die Causa Pilnacek tatsächlich aufklärungswürdig: "Ja, dieses Ermittlungschaos gehört systematisch aufgearbeitet." Dennoch kritisierte sie die "wild und populistisch zusammengewürfelten Untersuchungsgegenstände" und ortete "wildes Gefasel von irgendwelchen Verschwörungstheorien". Auch Hafeneckers Verwendung des Begriffs "tiefer Staat" sei historisch belastet, so Maurer.
Der SPÖ-Abgeordnete Maximilian Köllner stieß sich ebenfalls am Begriff "tiefer Staat". Grundsätzlich bekannte er sich zur Aufklärung in U-Ausschüssen, im Fall des FPÖ-Verlangens handle es sich aber um einen "Kraut-und-Rüben-Antrag", dessen Zulässigkeit noch genau zu prüfen sei. "Ein Untersuchungsausschuss ist nicht das Vehikel für einen politischen Rachefeldzug", warnte Köllner. Die FPÖ sei auch nicht sonderlich glaubwürdig, denke man etwa an Herbert Kickls Zeit als Innenminister.
Nur "blauer Faden" erkennbar
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff von den NEOS versprach ebenso, sich am wichtigen Instrument des U-Ausschusses zu beteiligen - vorausgesetzt, aus der Prüfung ergebe sich ein "Roter Faden". Derzeit sei allerdings nur ein "blauer Faden" erkennbar. Zudem müsse man sich auch die Frage stellen, wie ein weiterer U-Ausschuss bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, erinnerte Hoyos-Trauttmansdorff an vergangene Untersuchungen.
Zur Prüfung muss das Freiheitliche Verlangen dem Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats zugewiesen werden. Dieser hat die Aufgabe, den bezeichneten Gegenstand zu prüfen und das Verlangen für zulässig zu erklären. Damit gilt der Untersuchungsausschuss für eingesetzt. Einen Termin für den Geschäftsordnungsausschuss hat man noch nicht gefunden. (APA/bearbeitet von ank)