Die venezolanische Oppositionelle María Corina Machado wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, US-Präsident Donald Trump ist wie erwartet leer ausgegangen. Der Friedens- und Konfliktforscher Stefan Kroll glaubt aber: In den nächsten Jahren könnte der US-Präsident noch Chancen haben.

Ein Interview

Diesen Namen hatten vorher wohl nur wenige auf der Liste: Die Politikerin María Corina Machado aus Venezuela erhält in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Das Nobel-Komitee in Oslo würdigte damit "ihren unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes" und "ihren Kampf für einen gerechten und friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie". Seit 1999 herrscht in Venezuela ein zunehmend autoritäres sozialistisches Regime.

Stefan Kroll ist Vorstandsmitglied des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung und ordnet die Entscheidung im Gespräch mit unserer Redaktion ein.

Herr Kroll, welches Signal geht von diesem Friedensnobelpreis aus?

Dr. Stefan Kroll © Uwe Dettmar

Stefan Kroll: Auf der Welt werden gerade die Demokratien weniger und die Autokratien mehr. Es ging dem Komitee sicherlich darum, ein Signal für die Demokratie zu setzen – und die passende Preisträgerin hat es in Venezuela gefunden.

Der Friedensnobelpreis ist aber eigentlich kein Demokratiepreis.

Das hängt davon ab, wie man den Willen Alfred Nobels in der Gegenwart interpretiert. Klassischerweise geht es bei dem Preis um Bemühungen für Friedensschlüsse und Abrüstung. In der Vergangenheit wurde er aber auch schon an Menschen oder Organisationen vergeben, die sich für Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Klima- und Umweltschutz engagieren. Angesichts des Wortlauts des Testaments könnte man die Vergabe vielleicht infrage stellen. Man kann aber auch sagen, und so würde ich es sehen: Sie entspricht einer Interpretation des Willens von Nobel in der Gegenwart. Dem langfristigen Frieden fehlt ohne demokratische Rechte etwas.

"Die Auszeichnung kann andersherum das Engagement auch stützen und der Opposition einen Schub geben."

Stefan Kroll

So sieht es offenbar auch das Nobel-Komitee. Der Laudatio zufolge ist Demokratie eine Voraussetzung für Frieden. Ist das wirklich so?

Es kommt auf den Friedensbegriff an. Wenn Frieden nur das Ende von Gewalt und Krieg bedeutet, dann ist er auch ohne Demokratie möglich. Der positive Friedensbegriff schließt aber Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Mitwirkungsmöglichkeiten ein. Das alles ist nachhaltig nur in einer Demokratie möglich.

Was nützt diese Auszeichnung der aktuellen Preisträgerin María Corina Machado?

Sie verschafft ihr Aufmerksamkeit und globale Anerkennung für ein Engagement, das auch mit persönlichen Risiken verbunden war und ist. Die Preisträgerin mied öffentliche Auftritte, weil sie gefährdet ist. So ein Preis kann die Situation von Oppositionellen auch verschlimmern. Dem chinesischen Schriftsteller und Systemkritiker Li Xiaobo hat der Friedensnobelpreis jedenfalls seinerzeit nicht geholfen. Aber die Auszeichnung kann andersherum das Engagement auch stützen und der Opposition einen Schub geben.

US-Präsident Donald Trump hat im Vorfeld stark darauf gedrungen, für seinen Friedensplan für Gaza mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet zu werden. Dass er ihn nicht bekommen hat, hat die Vergabe an María Corina Machado bei manchen Medien fast in den Schatten gestellt. War es wirklich eine Überraschung, dass Trump leer ausgegangen ist?

Nein. Es wäre eine Überraschung gewesen, wenn er ihn jetzt bekommen hätte. Er wird insgesamt nicht als Friedenstifter gesehen, außerdem waren die positiven Entwicklungen in Gaza zu kurzfristig. Ich vermute, das Komitee hat mit der Entscheidung auch seine Unabhängigkeit von solchen Forderungen unterstreichen wollen.

Passt Trumps Wirken denn zu den Anforderungen, die Alfred Nobel an die Friedensnobelpreisträger gestellt hat?

Wir müssen noch abwarten, wie sich die Situation in Gaza entwickelt. Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine, den Trump ebenfalls beenden will, läuft ja noch. Wenn sich Trump wirklich dauerhaft zumindest um das Ende von Kriegen – wenn vielleicht auch nicht für langfristigen Frieden – bemüht, dann macht ihn das aber in der Tat preiswürdig.

Das heißt, er kann sich in den nächsten Jahren noch Hoffnung machen?

Das wird jetzt interessant. Es könnte die Gefahr bestehen, dass er jetzt enttäuscht ist, sich nicht konstruktiv verhält und vielleicht sogar das Nobel-Komitee attackiert. Es könnte aber auch so ausgehen, dass er sich weiter antreiben lässt, sein Engagement fortführt – sei es auch nur aus purer Eitelkeit, den Preis zu bekommen. Hoffen wir auf Letzteres.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Stefan Kroll hat Sozialwissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen studiert, wo er auch promovierte. Seit 2021 leitet er die Wissenschaftskommunikation am "Peace Research Institute Frankfurt/ Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung", wo er auch Mitglied des Vorstands ist und im Programmbereich Internationale Institutionen arbeitet.