Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) will angehende Ärztinnen und Ärzte stärker an das öffentliche Gesundheitssystem binden. Wer sein Medizinstudium an einer öffentlichen Uni absolviert, soll sich verpflichten, nach dem Abschluss für eine gewisse Zeit in Spitälern oder Kassenpraxen zu arbeiten. Während Holzleitner von einem solidarischen Beitrag spricht, stößt die Idee bei der Ärztekammer auf heftige Kritik.

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) wünscht sich beim Medizinstudium einen "solidarischen Beitrag" der Studierenden: Wer das kostenlose Studium an einer öffentlichen Medizin-Uni absolviert hat, sollte sich im Gegenzug verpflichten müssen, eine gewisse Zeit dem öffentlichen Gesundheitssystem zur Verfügung zu stehen. Derzeit werde geprüft, welche Art der Verpflichtung konkret rechtlich möglich wäre, so Holzleitner zur APA.

Im kleinen Stil gibt es eine solche Regelung schon jetzt. Derzeit sind 85 von 1.900 Studienplätzen für "Aufgaben im öffentlichen Interesse" - etwa die Tätigkeit im Spital, in Kassenpraxen oder beim Heer - gewidmet. Interessenten verpflichten sich, nach Abschluss der Ausbildung einige Zeit in diesen Bereichen zu arbeiten und bekommen dafür ein Stipendium und Erleichterungen beim Aufnahmetest.

Einen Vorstoß für eine generelle Verpflichtung gab es zuletzt etwa Anfang 2024 vom damaligen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Medizinrechtler Karl Stöger von der Uni Wien kam damals allerdings in einem Gutachten für die Ärztekammer zu dem Schluss, dass eine solche Regelung verfassungs- und unionsrechtlich unzulässig wäre. Eine "freiwillige Verpflichtung" etwa über eine Landarztquote wäre hingegen möglich, wenn etwa nur so viele Plätze reserviert würden, wie zur Aufrechterhaltung der Gesundheit nötig wären, so Stöger in einem weiteren Gutachten, diesmal im Auftrag der Arbeiterkammer (AK).

Werben um gescheiterte Medizinertest-Kandidaten

Eine solche Regelung verstehe sie nicht als "erhobenen Zeigefinger", sagte die Ministerin mit Verweis auf Kritiker wie etwa den neuen Rektor der Medizin-Uni Innsbruck, Gert Mayer. Der offene Hochschulzugang sei in Österreich sehr wichtig und es würden bewusst keine Studiengebühren verlangt. "Das ist ein Handschlag zwischen den Studierenden und den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, dass man sagt: Für diese Studienmöglichkeit leistet man einen solidarischen Beitrag für die Gemeinschaft, für einen gewissen Teil verpflichtend."

Gleichzeitig will die Ministerin den vielen Bewerberinnen und Bewerbern, die beim Aufnahmetest für das Medizin-Studium scheitern, stärker als bisher umwerben. Derzeit bekommt nur einer von sechs Bewerbern tatsächlich den erhofften Studienplatz. Künftig sollen jene, die das Medizinstudium nicht beginnen dürfen, aktiv auf die vielen alternativen Ausbildungsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich hingewiesen werden.

Ärztekammer ablehnend

Ablehnung kam am Samstag von der Ärztekammer: Vizepräsident Harald Mayer, der auch als Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte fungiert, verwies in einer Aussendung auf die "ohnehin tagtäglichen großen Verdienste der Ärzteschaft für die solidarische Gesundheitsversorgung": "Bereits im sogenannten Turnus, also der Facharztausbildung, zeigen unsere jungen Ärztinnen und Ärzte 365 Tage im Jahr größten Einsatz bei der Patientenversorgung. Sie machen das freiwillig und mit höchster Motivation, weil es ihre Berufung und nicht nur ein Beruf ist. Daher kann ich die Forderung nach solidarischen Beiträgen oder Zwangsverpflichtungen überhaupt nicht verstehen."

Auch bereits im Studium, insbesondere während des Klinisch-Praktischen Jahrs im sechsten Studienjahr, seien Medizinstudentinnen und -studenten "als vollwertiges Mitglied an Universitätskliniken oder Lehrkrankenhäusern für die solidarische Patientenversorgung eingesetzt". Die jungen Ärztinnen und Ärzte in Österreich seien hoch motiviert, ihre ärztliche Tätigkeit in der Facharztausbildung nach Abschluss des Studiums sofort anzutreten und im solidarischen System zu arbeiten, so Mayer.

"Viel zu vielen wird dies aber unmöglich gemacht, weil ihnen von den Trägern keine Ausbildungsplätze angeboten werden und sie monatelang auf Wartelisten versauern. So vertreiben wir viele unserer in Österreich top-ausgebildeten Jungmediziner. Darüber - und nicht über Zwangsverpflichtungen - sollte sich die Politik Gedanken machen."

Für höhere Einkommensgrenzen bei Studienbeihilfe

Ein Schwerpunktthema bleibt für Ministerin Holzleitner auch im eben begonnenen neuen Studienjahr die Frage der sozialen Absicherung. In Österreich müssten besonders viele Studierende arbeiten, um sich das Studium leisten zu können - und das in so hohem Ausmaß, dass der Studienfortschritt und die Möglichkeiten zum Austausch und Nachdenken über das Gelernte darunter leiden.

Deshalb sei die Studienbeihilfe - anders als diverse Familienleistungen - trotz klammer Kassen mit September valorisiert worden. "Ein klares Ziel für die nächsten Budgetverhandlungen" ist für Holzleitner außerdem die Anhebung der Einkommensgrenzen bei der Studienbeihilfe. "Das ist jetzt noch nicht passiert oder schon länger nicht mehr passiert."

Auch die Treffsicherheit der Studienbeihilfe wolle sie sich ansehen, "damit die Studienbeihilfe eben auch bei jenen ankommt, die aus Haushalten kommen, wo vielleicht der finanzielle Background nicht so groß ist". Die Wiedereinführung der staatlichen Förderung für die Studierendenheime hat sich Holzleitner ebenfalls für das Budget 2027 vorgenommen. Im Ministerium finde gerade eine Bedarfserhebung statt, um welche Größenordnung es sich da handeln würde.

FTI-Pakt weiter "harte Nuss"

Als weiterhin "harte Nuss" erweisen sich laut Holzleitner die Verhandlungen zum Forschungs-, Innovations- und Technologiepakt (FTI-Pakt). Bis Ende des Jahres muss feststehen, wie viel Geld die zentralen Forschungsförderagenturen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Landes von 2027 bis 2029 bekommen werden.

Die Zuständigkeit für den Forschungsbereich teilt Holzleitner sich mit dem Wirtschafts- und Infrastrukturministerium. "Der gesetzliche Auftrag ist klar, an den gilt es sich zu halten", betonte die Ministerin. Im Forschungsfinanzierungsgesetz (FoFinaG) ist eine "langfristige, wachstumsorientierte Finanzierung" festgeschrieben.

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Ob die betroffenen Organisationen - darunter die Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das Austrian Institute of Technology (AIT) oder der dem Wissenschaftsfonds (FWF) - also fix mit einer Inflationsabgeltung der rund 5 Mrd. Euro in der aktuellen Dreijahresperiode rechnen können, konnte die Ministerin allerdings nicht sagen. Die Frist für den neuen FTI-Pakt laufe bis Ende Dezember und "bis dahin werden wir hart verhandeln müssen", so Holzleitner. (APA/bearbeitet von dad)