In Japan hat ein Ex-YouTuber für Aufsehen gesorgt. Sohei Kamiya ist Fan von Donald Trump und macht Wahlkampf mit "Japanese first". Nun triumphierte er bei der Oberhaus-Wahl in Japan und ließ Premier Ishiba alt aussehen.
Ein glühender Vulkan im Hintergrund, eine orangefarbene Bühne im Zentrum: In Kagoshima im Süden Japans versammelten sich während des Wahlkampfs eine ungewohnt junge Menschenmenge um einen Mann, der vielen als das neue Gesicht des japanischen Populismus gilt. Sohei Kamiya, 47 Jahre alt, ehemaliger Offizier der Selbstverteidigungsstreitkräfte, tourte in den vergangenen Wochen durch das Land, um für seine Partei Sanseito (auf Deutsch etwa "Partei der politischen Beteiligung") zu werben.
Dabei setzt Kamiya auf eine Mischung, die nicht nur hierzulande vielen bekannt vorkommen dürfte: Der Politiker warnt vor bösen Globalisten, schimpft auf die korrupten Eliten und erklärt, Japan müsse eine Gesellschaft werden, die vor allem den Japanern zugutekommt. "Japan muss wieder Japan dienen", rief Kamiya bei seinen Auftritten in die Menge. Die Auftritte erinnern stark an
Die japanische Version des Trumpismus
Tatsächlich bezeichnet sich Kamiya selbst als Japans Trump. Vieles imponiert ihm, was der US-Präsident tue, allerdings mit dem Unterschied, dass er dessen "egozentrischen Führungsstil" ablehne. Dieser sei für Japan nicht adaptierbar. Die japanische Gesellschaft gilt als eine der kollektivistischsten der Welt, im Fokus steht der Beitrag zur Gemeinschaft. Nicht unbedingt eine politische Umgebung, in der ein New Yorker Immobilienmogul mit seiner Ellenbogen-Herangehensweise Erfolg haben würde.
Kamiya schlägt auch kritische Töne gegenüber den USA an. Er fordert ein selbstbewussteres Auftreten der Inselnation gegenüber der US-Administration, sowie ein stärkeres Militär. Wäre Japan erst stark genug, würden die USA auch im Handelsstreit auf Augenhöhe verhandeln, so der Rechtspopulist.
Parallelen zwischen den USA, Europa und Japan
Dabei gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den USA, Europa und Japan. Denn auch in Fernost gibt es Probleme mit steigenden Lebenshaltungskosten, eine als übergriffig empfundene Globalisierung und Skepsis gegenüber Migration. Vor allem Letztere treibt viele Anhänger Kamiyas um: Obwohl Ausländer nur rund drei Prozent der japanischen Bevölkerung ausmachen, werden sie überproportional für Verbrechen verantwortlich gemacht – selbst wenn die Kriminalstatistiken eine andere Sprache sprechen.
Dabei braucht Japan Migration. Viele Migranten kommen aus anderen Teilen Asiens, um in Japan Arbeit zu finden. Die japanische Gesellschaft ist ebenso wie die deutsche stark überaltert, viele durch den demografischen Wandel unbesetzte Stellen werden von Migranten übernommen.
Kamiya fordert eine Begrenzung der Einwanderung und warnt vor einem "kolonisierten Japan". Er fürchtet vor allem einen schwindenden Einfluss der japanischen Politik, wenn der Einfluss ausländischer Investoren weiter zunehme. Besonders chinesische Migranten hat der Populist unter Verdacht, Japan unterwandern zu wollen, in dem sie Wälder und Immobilien in Japan aufkaufen.
Erfolg bei den Wahlen
Kamiyas Rhetorik verfängt insbesondere bei jungen Menschen, die sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen fühlen. Gerade für junge Männer ist der relativ junge Politiker ein neues Gesicht und ein Politiker auf Augenhöhe. Bekannt wurde er durch seinen YouTube-Channel "ChGrandStrategy", auf dem er während der Coronapandemie Verschwörungserzählungen und Mythen über Impfungen verbreitete. Dabei war der Populist früher selbst Mitglied der Regierungspartei LDP, kehrte dieser aber den Rücken, weil sie ihm zufolge zu sehr damit beschäftigt sei, Spenden einzutreiben.
Seine neue eigene Partei finanziert sich ebenfalls über Spenden, allerdings in Form von Abonnements auf der Website der Bewegung – und das mit Erfolg: Obwohl Sanseito erst 2020 gegründet wurde, zog die Partei bereits 2022 in die Oberkammer des Parlaments ein. Bei der jüngsten Wahl am vergangenen Sonntag konnte sie sich noch einmal deutlich verbessern und stellt nun statt zwei ganze 15 Abgeordnete. Ein weiter Weg bis zur absoluten Mehrheit in der 248 Sitze zählenden Kammer, aber definitiv ein Etappensieg für die Rechtspopulisten.
Premier Ishiba klarer Verlierer
Premierminister Shigeru Ishiba steht hingegen als klarer Verlierer der Wahl da. Seine konservative Regierungspartei, die LDP, hat jetzt, nachdem sie bereits im Oktober die Kontrolle über das einflussreichere Unterhaus eingebüßt hatte, auch ihre Mehrheit im Oberhaus verloren.
Es mehren sich die Anzeichen, dass sich das politische Kräfteverhältnis in Japan dauerhaft verschoben haben könnte. Beobachter sprechen von einem historischen Rechtsruck. Neben Kamiyas Partei Sanseito hat auch die rechtsnationalistische Demokratische Volkspartei Zuwachse vermelden können.
Fehlendes Konzept der etablierten Parteien
Die Stärke der Populisten hat maßgeblich mit der Schwäche der konservativen Regierungspartei LDP zu tun. Seit der Ermordung des langjährigen Premiers Shinzo Abe fehlt der Partei ein nationalistisch geprägtes Zugpferd. Das politische Vakuum füllen nun Bewegungen wie Sanseito.
Die Antwort der etablierten Parteien auf die Populisten bewerten Beobachter als Symbolpolitik. So kündigte Premier Ishiba noch vor der Wahl an, ein neues Büro zur "Integration ausländischer Mitbürger" und zur "Verbrechensprävention" zu schaffen. Was genau damit gemeint sein soll und inwiefern es die Probleme adressiert, die viele Japaner im Land beklagen, blieb dabei offen.
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In der Vergangenheit hat Japan zahlreiche Protestparteien erlebt, die im Anschluss an kleinere Erfolge wieder verschwunden sind. Der jüngste Erfolg von Sanseito ist allerdings ohne historisches Beispiel. Kamiya ist seit vergangenen Sonntag offiziell der erfolgreichste Rechtspopulist in der Geschichte der japanischen Demokratie. Auf ihn und seine Rhetorik müssen die etablierten Parteien nun eine Antwort finden, sonst könnte ihnen das drohen, was viele europäische Volksparteien zuletzt erleben mussten: Machtverlust bis zur politischen Bedeutungslosigkeit.
Verwendete Quellen:
- Nytimes.com: As Japan Votes, a Trump-Inspired Politician Grabs the Spotlight
- Spiegel.de: Japans Trump