Heftige Wortgefechte im Nationalrat: Nach der Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer lieferten sich Regierung und Opposition am Mittwoch einen Schlagabtausch über Sparpläne, Belastungen – und alte Rechnungen. Dabei wurden auch überraschende Allianzen und alte Konflikte sichtbar.

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Am Tag nach der Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) gehört die Bühne den Abgeordneten des Nationalrats. Jene der Opposition zerlegten am Mittwoch das Doppelbudget in der Ersten Lesung des Haushaltsentwurfs. Die FPÖ warf der Regierung "eine Totalkapitulation" vor. Die Grünen bewerteten das Budget als unsozial, wirtschaftsschädlich und "insgesamt umweltschädlich". Die Regierungsparteien verteidigten die aus ihrer Sicht nötigen Sanierungsmaßnahmen.

Die von der Regierung beschworene Kraftanstrengung und der Schulterschluss zur Konsolidierung des Budgets würden ins Leere gehen, weil die Vertrauensbasis in der Bevölkerung längst zerstört sei, sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Denn auch Marterbauers Vorgänger hätten in ihren Budgetreden in den vergangenen Jahren mit anderen Worten dasselbe versprochen und von Verantwortung, "dem neuen Mantra", gesprochen. Das Ergebnis sei aber: "Der Bund ist pleite, die meisten Länder sind pleite, die Gemeinden und die Krankenkassen sind pleite", so Kickl. Die Vertreter der "Einheitspartei" - gemeint sind alle anderen Parteien - seien "nicht der Problemlöser, sondern der Problemverursacher", kritisierte er. "Sie haben schwer gesündigt und Buße tun muss jetzt die Bevölkerung." FP-Mandatar Arnold Schiefer forderte die Regierung auf, ihren Urlaub nach Österreich zu verlegen und mit Arbeit zu verbinden. Denn ohne richtige Strukturreformen werde die Budgetsanierung auch nicht gelingen.

"Pensionskürzungen sind eine Schande"

Eine Schande seien die "Pensionskürzungen" durch die Erhöhung des Krankenkassenbeitrags für Pensionisten. Angesichts der Einsparungen bei den Familienleistungen dürfe die ÖVP zudem "nie mehr das Wort Familienpartei in den Mund nehmen", forderte Kickl. Leistungsträger würden nicht entlastet und "die Umverteilung vom Inländer zum Ausländer" fortgeschrieben. Der vom Nachkriegskanzler Leopold Figl (ÖVP) beschworene Glaube an Österreich sei den Regierungsparteien "längst abhanden gekommen", meinte der FPÖ-Klubobmann.

"Bitte zitieren Sie nicht Leopold Figl", entgegnete ÖVP-Klubobmann August Wöginger, dieser sei ein Staatsmann gewesen und würde sich im Grabe umdrehen. Kickl hätte es selbst in der Hand gehabt, Kanzler zu werden, "aber du wolltest nicht und deine Rede zeigt, dass du es auch nicht kannst", polterte Wöginger. Viele der von Kickl kritisierten Maßnahmen seien 1:1 in den letztlich gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ vereinbart worden, darunter der erschwerte Zugang zu Korridorpension und der erhöhte Krankenkassenbeitrag für Pensionisten. Letzterem widersprach einmal mehr die FPÖ vehement im Zuge der Debatte. VP-Budgetsprecher Andreas Hanger attestierte den Freiheitlichen wiederum zwar zu kritisieren, aber keinen einzigen konstruktiven Lösungsansatz anzubieten.

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher sah sich "unfreiwillig als Zeuge einer therapeutischen Sitzung der FPÖ" zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Die SPÖ habe dem von FPÖ und ÖVP nach Brüssel gemeldeten Budgetplänen "die blauen Giftzähne" gezogen und dafür gesorgt, dass alle einen gerechten Beitrag leisten würden. Finanzsprecher Jan Krainer gab zu bedenken, dass man die schwierigste Herausforderung der vergangenen Jahrzehnte zu bewältigen habe, sei die Problematik doch anders als bei der Bankenkrise von innen entstanden.

Budget für Grüne unsozial, wirtschaftsschädlich und umweltschädlich

Marterbauer habe "im Grunde das blau-schwarze Budget" präsentiert, meinte Grünen-Klubobmann Werner Kogler. Er ortete im Haushaltsentwurf "auch einige brauchbare Maßnahmen, aber oft ist es unsozial, wirtschaftsschädlich und insgesamt umweltschädlich", so Koglers Urteil. Gespart werde an der falschen Stelle bei den unteren Einkommensschichten und bei der Umwelt, kritisierte er die Aussetzung des "sozialen Drittels" der Kalten Progression und die Abschaffung des Klimabonus. Koglers designierte Nachfolgerin Leonore Gewessler sprach von kurzsichtiger Politik: "Die Zeche dafür zahlen unsere Kinder und Enkel." Denn gespart werde bei der Umwelt, aber Milliarden für Straßen und den Beibehalt von Privilegien für Diesel und Dienstwagen könne man sich leisten.

NEOS-Klubobmann Yannick Shetty verwies auf die nicht einfache Ausgangslage. Nun drücke man "die Stopptaste für das Motto der Vergangenheit `Koste es, was es wolle ́". Neben der Sanierung werde trotz der schwierigen Situation auch investiert - allen voran im Bereich Kinder und Jugendliche. "Wir stellen Bildung über alles", so Shetty und sprach vom "offensivsten Bildungsbudget, das es je gab". Der Opposition warf er "Regierungsamnesie und Regierungsphobie" vor.

Staatssekretär Josef Schellhorn (NEOS) betonte: "Das ist für uns politisch nicht das Ende der Sanierung sondern der Anfang." Das Land müsse durchlüftet werden: "Wer jetzt blockiert, ist kein Freund unserer Heimat." Budgetsprecherin Karin Doppelbauer nannte als Beispiel den Nachhaltigkeitsmodus, mit dem eine "Systemwende" eingeleitet worden sei.

Marterbauer zeigt Verständnis, plädiert aber für Fakten

Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) plädierte dafür, die Debatte auf Basis von Fakten und Daten zu führen. Zudem erinnerte er daran, dass das Staatsdefizit ohne Konsolidierungsmaßnahmen im heurigen Jahr auf 5,8 Prozent des BIP gestiegen wäre. Es sei ein "gewaltiges Sparpaket" bereits im heurigen Jahr, sagte Marterbauer. Und um so schnell und umfassend zu sanieren, müssten zwangsläufig alle beitragen.

Die Nicht-Valorisierung der Familienleistung sei tatsächlich "schmerzhaft", aber der gleichzeitige Ausbau der Infrastruktur für Familien komme insbesondere den unteren Einkommensschichten zugute. Die Maßnahmen bei den Pensionisten seien notwendig, um das gute Pensionssystem auf Dauer finanzierbar zu erhalten. "Der Sozialstaat ist neben der Demokratie die größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, wir schauen, dass er finanzierbar bleibt", so der Finanzminister.

Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) hob hervor, dass die Sanierung zu zwei Drittel ausgabenseitig erfolgt sei. Weiter gelte: "Wir haben kein Einnahmen- sondern ein Ausgaben-Problem." Für Eibinger-Miedl wichtig ist es, das auch weiter Spielraum für wirtschaftsbelebende Maßnahmen erarbeitet werde.

Mit weiteren Schlagabtäuschen zwischen Vertretern der Regierungsparteien und der FPÖ darüber, welche Maßnahmen aus der Ideenkiste der Freiheitlichen stammen oder nicht, endete die rund mehr als sechsstündige Debatte am Nachmittag. Nun wandert der Haushaltsentwurf weiter in den Budgetausschuss. Nach einem Experten-Hearing am 3. Juni werden dann in fünf weiteren Sitzungen die einzelnen Kapitel durchgenommen. Ab 16. Juni diskutieren die Abgeordneten das Budget über drei Tage erneut im Plenum, ehe am 18. Juni der Beschluss erfolgt. Die nächste reguläre Plenarsitzung findet bereits kommende Woche - am 22. Mai - statt. (APA/bearbeitet von skr)