Markus Lanz auf Konfrontationskurs: Sein Gast Jürgen Hardt verweigerte eine klare Aussage zur Frage, ob Israel im Gazastreifen Kriegsverbrechen begehe. Deshalb wurde Lanz zunehmend ungehalten - und unterbrach den CDU-Politiker mehrfach jäh.

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Weil Hilfslieferungen seit Monaten ausbleiben, verschärft sich die Situation im Gazastreifen Tag für Tag. Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" machte Israel jüngst sogar für die Schaffung einer "absichtlichen humanitären Katastrophe" verantwortlich.

Bei "Markus Lanz" redete sich CDU-Politiker Jürgen Hardt dennoch um Kopf und Kragen, als Lanz wissen wollte, ob es sich in Gaza um Kriegsverbrechen handelt.

Das Thema der Runde

Seit mehr als zwei Monaten lässt das israelische Militär keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen zu. Dies zieht mittlerweile katastrophale Folgen nach sich, sodass die Vereinten Nationen vor einer sich zuspitzenden Hungersnot für mehr als zwei Millionen Menschen warnen. Markus Lanz nahm das am Mittwochabend zum Anlass, in seiner Sendung die israelische Kriegsführung zu beleuchten. Dabei debattierte er auch über die deutschen Waffenlieferungen nach Israel.

Die Gäste

  • ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen informierte über die Hintergründe zur Nahostreise des US-Präsidenten Trump: "Der Terminplan liest sich ein bisschen wie eine Tour auf dem Basar."
  • CDU-Politiker Jürgen Hardt äußerte sich zum Krieg im Gazastreifen: "Wer die Macht hat, wer die Herrschaft hat, muss für die Versorgung der Zivilbevölkerung sorgen."
  • Journalistin Anna Lehmann sah die Lage in Nahost kritisch: "Freundschaft zu Israel heißt nicht kritiklose Hinnahme von Kriegsverbrechen."
  • Nahostexperte Daniel Gerlach warnte vor einer Eskalationsgefahr in Nahost: "Unser neuer Außenminister hat bei seinem Besuch in Israel im Grunde den gleichen Unfug gemacht wie Annalena Baerbock."
  • Sanitäter Thorsten Schroer sagte über die humanitäre und medizinische Situation in Gaza: "Die Lage dort ist sehr angespannt, für die Bevölkerung wie auch für uns Helfer."

Das Wortgefecht des Abends

In seiner Sendung wollte Markus Lanz von CDU-Politiker Jürgen Hardt wissen, ob Deutschland "weiterhin Waffen an Israel liefern" sollte. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion reagierte nüchtern: "Alle Waffen, die Israel zu seiner Verteidigung zur Sicherung seiner Existenz braucht, sollten wir liefern." Der ZDF-Moderator entgegnete sichtlich überrascht: "Auch in der jetzigen Situation?" Hardt nickte: "Die Hamas ist eine Bedrohung dieser Sicherheit. (...) Wenn man sich dagegen verteidigt, braucht man dafür Waffen."

Die Argumentation schien Lanz nicht zu akzeptieren. Als er auf die humanitäre Notlage in Gaza aufmerksam machte, hakte er nach: "Die Bilder aktuell - das ist für Sie alles Selbstverteidigung?" Der CDU-Politiker lenkte prompt ein: "Ich finde es völlig unverständlich. Ich kann die israelische Strategie im Blick auf Gaza nicht nachvollziehen. (...) Eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens wäre klar völkerrechtswidrig." Hardt stellte weiter klar: "Wer die Macht hat, wer die Herrschaft hat, muss für die Versorgung der Zivilbevölkerung sorgen." Davon ließ sich Lanz jedoch nicht beeindrucken. Er fragte erneut: "Wie nennen wir das, was da stattfindet?"

Statt eine konkrete Antwort zu liefern, versuchte Jürgen Hardt, abzulenken: "Die humanitäre Lage im Gazastreifen würde sich ja schlagartig verändern, wenn die Hamas ihren Kampf gegen Israel einstellen würde." Als Lanz skeptisch in Richtung Hardt blickte, ergänzte der Politiker: "Ich würde mir wünschen, dass Israel die Hilfslieferungen in die Gebiete wieder aufnimmt."

Jürgen Hardt bei "Markus Lanz"
CDU-Politiker Jürgen Hardt ließ eine unmissverständliche Aussage vermissen, ob Israel im Gazastreifen ein Kriegsverbrechen begehe. © ZDF / Markus Hertrich

Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der wissen wollte: "Ist das ein Kriegsverbrechen?" Hardt drückte sich erneut um eine klare Antwort: "Das ist eine der grauenhaftesten humanitären Katastrophen, die wir gegenwärtig erleben." Lanz hielt prompt dagegen: "Nein! Stopp. Das klingt, als sei das ein Naturereignis. Ich frage nochmal ganz konkret: Ist das ein Kriegsverbrechen?" Jürgen Hardt geriet sichtlich ins Straucheln und merkte an, dass Israels Methoden "unvermeidlich" seien "angesichts der Tatsache, dass die Hamas sich unter Zivilisten (...) verschanzt und sich durch menschliche Schutzschilde entsprechend schützt".

Lanz ließ dennoch nicht locker: "Ich frage Sie nochmal: Ist das ein Kriegsverbrechen?" Hardt geriet weiter in Erklärungsnot: "Es wäre ein Kriegsverbrechen, wenn man durch Vorenthaltung von Hilfsgütern eine Zivilbevölkerung nachhaltig schädigt." Grund genug für Lanz, klarzustellen: "Das passiert da gerade - oder wollen wir das bestreiten?" Der CDU-Politiker knickte dennoch nicht ein: "Die israelische Regierung sagt, wenn wir die Hilfsgüter reingeben, kommt sie nur der Hamas zugute. (...) Diese These muss erstmal widerlegt werden von uns." Ein Argument, auf das Nahostexperte Daniel Gerlach wütend reagierte: "Nein! (...) Diejenigen, die sie aufstellen, müssen sie beweisen!"

Daniel Gerlach bei "Markus Lanz"
Nahostexperte Daniel Gerlach argumentierte, Israel nutze eine Hungersnot als Waffe. © ZDF / Markus Hertrich

Die Offenbarung des Abends

Bei "Markus Lanz" zeigte sich Daniel Gerlach erschüttert über die humanitäre Lage in Gaza und sagte: "Was hier sich abzeichnet, ist ein Rachefeldzug, der keinerlei Rücksicht nimmt auf die Zivilbevölkerung." Diese Meinung teilte auch Rettungssanitäter Thorsten Schroer, der viermal in Gaza im Einsatz war: "Die Kollektivbestrafung von 2,1 Millionen Einwohnern von Gaza ist einfach nicht völkerrechtskonform."

Er kritisierte, dass Hunger mittlerweile "als Waffe eingesetzt" werde, da seit dem 2. März keinerlei Lieferungen mehr nach Gaza reingelassen werden - darunter Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoff. "Wir reden wirklich von Basisprodukten. Und das (...) lässt sich nicht mit Selbstverteidigung erklären in meinen Augen", stellte Thorsten Schroer klar. Der Sanitäter forderte deshalb von der deutschen Politik: "Die Zeit für reines Anmahnen ist vorbei! (...) Das Existenzrecht Israels ist deutsche Staatsräson - das unterstütze ich. Aber das, was jetzt gerade in Gaza passiert, ist keine Selbstverteidigung mehr. Und da muss mehr Druck aufgebaut werden!"

Auch Journalistin Anna Lehmann stellte klar, dass sie erwarte, dass Deutschland "die Waffenlieferungen einstellt", denn: "Das hätte eine enorme symbolische Bedeutung." Lehmann forderte weiter: "Dieser Krieg wird doch zunehmend zum Selbstzweck für die Radikalen auf beiden Seiten. Und genau deshalb (...) müsste Deutschland viel mehr mit anderen Kräften (...) innerhalb der arabischen Welt, aber auch innerhalb Israels, kooperieren und gucken: Wie kommt man denn tatsächlich zu einem Friedensschluss?"

Der Erkenntnisgewinn

Nicht nur der weiter eskalierende Konflikt in Nahost, sondern auch der Krieg in der Ukraine stand im Fokus bei "Markus Lanz". Mit Blick auf die russische Aggression merkte Anna Lehmann an: "Man hat jetzt nicht den Eindruck, dass Putin gerade groß daran leidet, dass er weiter Krieg führen muss. Sondern er will es ja!" Lehmann kritisierte dabei die Haltung der neuen deutschen Bundesregierung. Laut Lehmann rede CDU-Politiker Jürgen Hardt "wie der sozialdemokratische Kanzler, bevor er abgewählt worden ist".

Das bittere Fazit der Journalistin? "Ich sehe eine absolute Kontinuität in der Außenpolitik." Laut Lehmann habe die Union zwar versprochen, "wir machen alles anders", doch eine Taurus-Lieferung sei noch lange nicht in Sicht. "Wofür hat der Merz den Scholz eigentlich damals so hart kritisiert?", wollte Anna Lehmann wissen. Jürgen Hardt konterte: "Ich habe Scholz dafür kritisiert, dass er nicht bereit war, zu sagen, die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen." Lanz hakte prompt nach: "Sie würden den Satz sagen?" Der CDU-Mann nickte: "Ich würde ihn auch heute sagen! Die Ukraine muss den Krieg gewinnen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich