Männer aus Afrika, Asien und Osteuropa dienen in der Ukraine unter russischem Kommando. Manche kämpfen aus Überzeugung, andere wegen des Geldes oder einer möglichen Staatsbürgerschaft – doch wie groß ist ihr Einfluss an der Front?

Fünf Kilometer trennen Wowtschansk von der russischen Grenze – und seit Mai 2024 toben dort erbitterte Kämpfe. Zusammen mit Sumy steht die Stadt sinnbildlich für die Eskalation im Nordosten der Ukraine.

Anfang August tauchte Präsident Wolodymyr Selenskyj an dieser Front auf, wo die Lage täglich kippen kann. Seine Worte schlugen Wellen: Unter den russischen Truppen sollen sich Kämpfer aus China, Tadschikistan, Usbekistan, Pakistan und mehreren afrikanischen Ländern befinden. Der Einsatz ausländischer Söldner ist für Moskau nicht neu – doch die Hinweise deuten darauf hin, dass ihre Zahl wächst.

Ein Mosaik aus Nationalitäten in einer Armee, die längst nicht mehr nur russisch ist. Wer sind die Männer, die für Russland in der Ukraine kämpfen? Was treibt sie dazu, ihr Leben für einen fremden Krieg zu riskieren? Und: Welchen Einfluss haben sie?

Zunächst muss allerdings unterschieden werden: zwischen regulären Truppen aus anderen Ländern, ausländischen Kämpfern innerhalb der russischen Streitkräfte und Freiwilligenformationen. Das erklärt die Politikwissenschaftlerin Magarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) auf Anfrage unserer Redaktion.

Klein leitet die Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien der SWP und beschäftigt sich vor allem mit dem Thema Sicherheitspolitik. Reguläre ausländische Truppenteile, sagt sie, kamen bislang nur aus Nordkorea, um zusammen mit Russland gegen die Ukraine zu kämpfen.

Nordkoreas Soldaten helfen nun im Süden

Daneben gebe es Ausländer, die sich als reguläre Vertragssoldaten für eine bestimmte Zeit in den russischen Streitkräften verpflichten, sogenannte Kontraktniki. Außerdem schließen Ausländer Verträge bei Freiwilligenformationen ab, von denen es laut Klein sehr viele gibt. Das seien entweder "private Militärfirmen" oder regionale Freiwilligenbataillone und -formationen, die von Unternehmen finanziert würden, oder solche mit starker ideologischer Prägung.

Über die Zahl der für Russland kämpfenden ausländischen Männer gibt es keine verlässlichen Zahlen, sagt die Expertin. Bei den regulären nordkoreanischen Soldaten sollen es mehr als 12.000 Mann gewesen sein. Diese wurden allerdings vor allem eingesetzt, um die russische Region Kursk zu verteidigen, nachdem die Ukraine diese in einem Überraschungsangriff eingenommen hatte. Nun sind sie laut Selenskyj auf dem Weg nach Süden: um an der Front bei Saporischschja in der Ukraine zu kämpfen.

Neben den Nordkoreanern kommen auch viele Kämpfer aus Ländern wie Nepal, Indien, Serbien und einigen afrikanischen Ländern – Schätzungen liegen hier zwischen einigen Dutzend und mehreren Hundert.

Auch der Journalist und Krisenbeobachter Nikita Gerasimov beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema. Auf der russischen Seite würden seit 2022 mehrheitlich Männer aus Nahost, Asien und Afrika kämpfen, sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. "Der Umfang vom Söldner-Einsatz ist nicht wegzublenden", erklärt er. "Zumal sie an manchen Frontabschnitten für die größten und umstrittensten Schlagzeilen sorgen."

Auf der russischen Seite seien es 2022 und 2023 vor allem die berüchtigten Wagner-Trupps gewesen, die einen erheblichen Anteil an der Front bei der ostukrainischen Stadt Bachmut geleistet hätten. Zugleich hätten sie sich wegen ihrer Gnadenlosigkeit gegenüber gegnerischen Gefangenen, aber auch den eigenen Kämpfern, einen Ruf aufgebaut.

Motivation: Geld, Staatsbürgerschaft, Zwang

Die Gründe, warum Männer aus aller Welt "im fremden Krieg" in Osteuropa ihr Leben riskieren, sind laut dem Journalisten sehr unterschiedlich und hängen nicht selten von der Herkunft ab. "Männer aus den ärmsten Ländern Lateinamerikas einerseits und Nahost andererseits haben vor allem die Bezahlung im Blick, mit der sie in ihren Heimatländern oftmals ihre Familien ernähren können."

Es lasse sich dabei allerdings nur schwer ermitteln, ob der Umfang des Söldnereinsatzes auf der einen, oder anderen Seite gewachsen ist. Nicht wenige Einschätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Söldner eher abnehme. Denn: Exponentiell mit der Dauer seines Einsatzes würden für einen Bodensoldaten die Chancen in diesem Krieg zu überleben sinken, so Gerasimov. "Je klarer dies wird, desto schwieriger ist es, Männer selbst für großes Geld freiwillig an die Front zu bekommen."

Die Anwerbeprämie für einen Kämpfer in einer Freiwilligenformation kann laut der Politikwissenschaftlerin Klein bis zu 40.000 oder 50.000 Dollar betragen. Hinzu komme noch der reguläre Sold pro Monat. "Dies ist insbesondere für Kämpfer aus wirtschaftlich schwachen Ländern lukrativ, wenn sie überleben."

In manchen Fällen, erklärt sie, ist aber auch der Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft ein möglicher Anreiz. Auch die Aussicht, Haftstrafen zu reduzieren, könne für ausländische Gefängnisinsassen ein Motiv darstellen. Und ideologische Motive? Die, sagt Klein, kommen am ehesten für Kämpfer aus slawisch-orthodoxen Ländern wie Serbien in Frage.

Laut Klein seien nach der Vollinvasion in der Ukraine auch die Bedingungen für die Anwerbung von Ausländer gelockert worden. Zuvor durften Bewerber demnach maximal 35 Jahre alt sein, mindestens fünf Jahre dienen und mussten Russischkenntnisse vorweisen. Heute können sie der Expertin zufolge bis 65 Jahre alt sein, müssen nur ein Jahr dienen und die Russischkenntnisse sind völlig nachrangig. Außerdem können die Männer und ihre Familienangehörigen nach einem Jahr Vertragsdienst die russische Staatsangehörigkeit erhalten.

Die russische Falle

Daneben gibt es Anwerbungen über die Freiwilligenformationen, über deren Konditionen recht wenig bekannt ist. Die ägyptische Journalistin Sara Abu Shadi hatte dazu im vergangenen Jahr recherchiert und eine umfassende Analyse in der Zeitung "Masrawy" veröffentlicht. Ihr zufolge werden gerade junge arabische Menschen über eine Art Falle in den russischen Kriegsdienst gelockt.

Die Rekrutierung arabischer – insbesondere ägyptischer – Studenten folgt demnach einem systematischen Muster: Zunächst werden junge Männer angesprochen, die bereits in Russland studieren oder dorthin wollen. Über Mittelsmänner und Makler, darunter auch eine russische Geschäftsfrau namens Polina Alexandrovna, werden sie in Telegram-Gruppen gelockt, wo Posts die vermeintlichen Vorteile des Dienstes anpreisen: hohe Antrittsprämien, ein monatliches Gehalt, bezahlte Unterkunft und eben die Aussicht auf russische Staatsbürgerschaft.

Die Vermittler organisieren demnach Einladungen oder Visa, häufig Touristenvisa, und übernehmen alle Formalitäten gegen hohe Gebühren. Nach der Ankunft in Moskau werden die Rekruten in isolierte Unterkünfte gebracht, bevor sie einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterschreiben und ein kurzes Training von rund sechs Wochen durchlaufen. Danach werden sie direkt an die Front geschickt – oft ohne ausreichende militärische Ausbildung. Ein Ausstieg ist praktisch unmöglich: Wer einmal eingereist ist und den Vertrag unterschrieben hat, wird von der Polizei bei einem Rückzieher zwangsweise zum Dienst verpflichtet.

Zudem sollen etwa Inder, die beim illegalen Grenzübertritt aufgegriffen wurden, vor die Wahl gestellt worden sein, in den Streitkräften zu dienen oder eine harte Strafe zu erhalten, erklärt Klein. "Zugleich wurden manchen Ausländern lukrative und wenig gefährliche Jobs bei den Streitkräften angeboten, etwa als Köche. Sie fanden sich dann aber schnell an der Front wieder."

Klein sagt auch, dass es zahlreiche Berichte über Razzien auf russischen Märkten oder Baustellen gibt, wo Arbeitsmigranten in den Militärdienst gezwungen wurden.

Söldner oder Freiwillige?

Sind diese Männer aber nun Söldner, wie sie der ukrainische Präsident bezeichnet? Die Antwort auf diese Frage ist komplex und hängt stark vom rechtlichen und politischen Blickwinkel ab. Der Unterschied zwischen "Söldner" und "Freiwilliger" ist sehr unpräzise und schwammig, erklärt der Journalist Gerasimov. "Das Erste impliziert eine Bezahlung für die Kampfteilnahme. Das Zweite eher reine ideologische Motivation." In den allermeisten Fällen sei aber beides vorhanden – auch Freiwillige bekommen einen Sold, und auch Söldner haben ihre Sympathien zu der einen oder der anderen Seite.

Die Begrifflichkeiten würden deshalb in den ukrainischen und russischen Medien sehr selektiv verwendet. "Söldner" werden demnach die Kämpfer der Gegenseite genannt, "Freiwillige" die der eigenen.

Trotz einer großen Zahl von Söldnern spielt der Einfluss ausländischer Kämpfer Gerasimov zufolge nur eine Nebenrolle im globalen Kriegsgeschehen. Auch der Ausgang des Krieges werde durch sie nur minimal beeinflusst. Der Experte meint, im Ukrainekrieg kämpfen rund eine Million Männer gegeneinander, wenn man Logistiktruppen und Versorgung miteinbezieht – je 500.000 auf russischer und ukrainischer Seite.

Empfehlungen der Redaktion

"Die Zahl von internationalen Söldnern, die auf dem Schlachtfeld steht, kann höchsten auf 50.000 geschätzt werden, und bleibt somit nur ein Bruchteil in der Material- und Menschenschlacht dieses Krieges."

Verwendete Quellen