Erneut wurden russische Drohnen an der Grenze zu Polen und Rumänien gesichtet. Die Länder versetzten ihre Luftwaffe in Alarmbereitschaft. Einen russischen Angriff auf ein Nato-Land sehen eine Mehrheit der Deutschen als möglich an.
Nach dem Abschuss russischer Drohnen in Polen ist es dort und in Rumänien am Samstag zu weiteren Vorfällen gekommen. Russland steht im Verdacht, die im Ukraine-Krieg in den Grenzregionen eingesetzten Drohnen gezielt auf Nato-Gebiet oder in dessen Nähe gelenkt zu haben. Wie das Führungskommando der polnischen Armee mitteilte, stiegen wegen der angenommenen Gefahr eines russischen Drohnenangriffs auf Regionen in Nachbarschaft der Ukraine am Nachmittag Kampfjets in die Luft. Die bodengestützten Luftabwehrsysteme wurden in höchste Bereitschaft versetzt.
In der ostrumänischen Region Tulcea am Donaudelta nahe der ukrainischen Grenze sichtete Rumäniens Armee ebenfalls am Samstag eine Drohne. Zwei F-16-Kampfjets stiegen von der Luftwaffenbasis Fetesti zu einer Beobachtungsmission auf. Die Nato alarmierte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Rumänien zudem zwei deutsche Eurofighter, die dort den Luftraum schützen sollen.
Selenskyj glaubt nicht an Versehen
Der ukrainische
US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete die Reaktion der Nato als angemessen – und das Eindringen russischer Drohnen in den Luftraum der Nachbarländer als "inakzeptabel, bedauerlich und gefährlich". Die Flugroboter seien zweifellos mit Absicht eingesetzt worden. Jetzt müsse geklärt werden, ob sie auch gezielt auf polnisches Gebiet gesteuert wurden. "Wenn das der Fall ist, wenn die Beweise uns zu der Erkenntnis führen, dann wäre das natürlich eine höchst eskalatorische Aktion", sagte Rubio. Es seien aber auch andere Erklärungen denkbar.
US-Präsident Donald Trump hatte zuvor gesagt, dass es sich bei dem Vorfall um ein Versehen der Russen gehandelt haben könnte - eine Deutung, der andere Alliierte wie Polen vehement widersprachen. Auch in Militärkreisen wird das für unwahrscheinlich gehalten. Die polnische Regierung sprach von einem "militärischen und politischen Test nicht nur für Polen, sondern für die gesamte Nato". Das Bündnis startete nach den Luftraumverletzungen durch Russland eine neue Militäroperation zum Schutz der Ostflanke.
Mehrheit der Deutschen befürchtet russischen Angriff auf Nato-Staat
Eine Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge in Sorge vor einem Angriff Russlands auf einen Nato-Staat wie Polen oder Litauen in naher Zukunft. Nach der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der "Bild am Sonntag" befürchten 62 Prozent der 1.002 Befragten einen solchen Angriff. 28 Prozent tun das nicht, zehn Prozent wissen es nicht.
Der Insa-Umfrage zufolge spricht sich eine Mehrheit der Befragten auch für härtere wirtschaftliche Maßnahmen gegen Russland aus. 49 Prozent sind der Überzeugung, dass alle Lieferungen von Gas und Öl aus Russland in die EU sofort gestoppt werden sollten. 33 Prozent sind für eine Fortsetzung, elf Prozent wissen es nicht, sieben Prozent ist es egal.
51 Prozent der Befragten plädierten der Umfrage zufolge außerdem dafür, dass eingefrorene russische Vermögen in der EU für die Unterstützung der Ukraine verwendet werden. 29 Prozent sind dagegen, 20 Prozent wissen es nicht beziehungsweise haben keine Meinung dazu.
Tusk spricht von "präventiver Operation"
Der polnische Regierungschef Donald Tusk hatte am Samstag bei X mitgeteilt: "Aufgrund der Bedrohung durch russische Drohnen, die über der Ukraine nahe der polnischen Grenze operieren, hat eine präventive Operation der Luftstreitkräfte begonnen, sowohl der polnischen als auch verbündeter." Der Flughafen in Lublin im Südosten des Landes wurde nach Angaben der Agentur PAP vorübergehend für den zivilen Luftverkehr geschlossen. Nach rund zwei Stunden gab die polnische Armee bekannt, dass die Operation der Luftstreitkräfte und die erhöhte Alarmbereitschaft beendet seien.
Zwar gab es solche Alarme in Polen und Rumänien seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 häufiger. Doch bei einem russischen Luftangriff auf die Ukraine in der Nacht auf Mittwoch war eine große Zahl an Drohnen in den Luftraum Polens und damit der Nato geflogen, und die polnische Luftwaffe und andere Nato-Verbündete schossen erstmals einige der Flugkörper ab. Seitdem erhält Polen verstärkte Unterstützung von Nato-Verbündeten.
Drohne in Rumänien verschwindet vom Radar
In Rumänien habe die Drohne am Samstag keine bewohnten Gebiete überflogen und keine Gefahr dargestellt, teilte das Verteidigungsministerium in Bukarest mit. Die Region ist dünn besiedelt. Dennoch warnte der Katastrophenschutz die Bevölkerung vor der Gefahr möglicherweise herabfallender Gegenstände aus der Luft. Die rumänischen Kampfjets hätten die Drohne etwa 20 Kilometer weit bis zum rumänischen Donau-Ort Chilia Veche verfolgt, erklärte das Ministerium. Danach sei das Objekt vom Radar verschwunden.
Seit Kriegsbeginn waren im Donaudelta mehrmals Trümmer russischer Drohnen auf rumänisches Territorium gefallen, meistens nach russischen Angriffen auf die dort in Sichtweite befindlichen Häfen am ukrainischen Donau-Ufer. Jedes Mal erklärten Rumäniens Behörden sowie die Nato, dass dahinter keine Absicht Russlands gestanden habe.
Ukraine greift Ölanlagen tief in Russland an
In der russischen Teilrepublik Baschkortostan an der Wolga ging nach Behördenangaben unterdessen eine Raffinerie des Ölkonzerns Baschneft nach einem ukrainischen Drohnenangriff in Flammen auf. Nach Angaben von Republikchef Radi Chabirow wurde die Anlage von mindestens zwei Drohnen attackiert, eine sei dabei auf das Betriebsgelände gestürzt.
Drohnenattacken auf russische Ölanlagen sind inzwischen fester Bestandteil der ukrainischen Abwehrstrategie. Damit soll einerseits die Kraftstoffversorgung des Militärs selbst unterbrochen, andererseits Russland eine wichtige Einnahmequelle zur Kriegsfinanzierung genommen werden.
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Neu ist, dass die Angriffe inzwischen auch bei Tag erfolgen – und das tief im russischen Hinterland. Baschkortostan liegt rund 1.400 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Später wurde eine weitere Drohnenattacke im Gebiet Perm nahe dem Uralgebirge bekannt. Hier beträgt die Entfernung sogar mehr als 1.500 Kilometer. (dpa/bearbeitet von the)