Über Nato-Gebiet fliegen plötzlich russische Drohnen - und kurz darauf beginnt eine Militärübung, die böse Erinnerungen weckt. Nicht nur Polen betrachtet die zugespitzte Lage an der Ostflanke des Bündnisgebiets mit Sorge.
Vor dem Hintergrund massiver Spannungen mit dem Westen hat am Freitagmorgen das gemeinsame Großmanöver von Belarus und Russland begonnen.
Schauplätze der Übung namens Sapad 2025 ("Westen 2025") sind Truppenübungsplätze in Belarus und Russland sowie die Ostsee und die Barentssee, heißt es einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Moskau. Trainiert werden solle das Zusammenwirken verschiedener Truppenteile, besonders zwischen Kommandeuren und Stäben bei der gemeinsamen Abwehr einer Bedrohung.
Nach Angaben aus Moskau nehmen an der Übung auch Beobachter und Truppenkontingente anderer Partnerländer Russlands teil. Das betrifft speziell den von Russland dominierten Militärblock OVKS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit.
Zur Zahl der eingesetzten Soldaten und Truppenverbände hat Moskau keine offiziellen Angaben gemacht. Nach westlichen Schätzungen sind insgesamt etwa 30.000 Soldaten involviert, davon etwa 8.000 Soldaten auf belarussischem Boden.
Militärübung weckt böse Erinnerungen
Gemeinsame Militärübungen der beiden Nachbarstaaten gibt es immer mal wieder. In der EU und Nato sind die Folgen der vorhergehenden Übung "Sapad 2021" in schlechter Erinnerung geblieben: Diese nutzte Russland damals, um Waffen und schweres Gerät zur Vorbereitung seines Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 zu verlegen.
Aus Minsk hieß es zuletzt, dass der Umfang des Manövers verringert und Teile der Übungen ins Landesinnere verlegt würden, um die Spannungen mit den westlichen Nachbarländern zu senken. Beim Manöver soll aber auch die Mittelstreckenrakete Oreschnik getestet werden, die potenziell Atomsprengköpfe tragen kann.
Grenze und Luftraum gesperrt
Polen grenzt an die Ukraine und verfolgt den Krieg in seiner unmittelbaren Nachbarschaft mit großer Sorge. Mit der Verletzung des polnischen Luftraums durch russische Drohnen, die am Mittwoch während eines russischen Angriffs auf die Ukraine in den polnischen und damit in Nato-Luftraum eingedrungen waren, hat sich die Lage nochmals zugespitzt. Erstmals schossen die polnische Luftwaffe und andere Nato-Verbündete in Polen dabei russische Drohnen ab.
Die Regierung in Warschau ließ die Grenze zu Belarus für die Dauer des Militärmanövers dichtmachen, auch der grenznahe Luftraum ist gesperrt. Das russische Außenministerium warf dem Nachbarland deshalb "konfrontative Schritte" vor, die dazu dienten, die "weitere Eskalation der Spannungen im Zentrum Europas zu rechtfertigen".

Polen ruft UN-Sicherheitsrat an
In Polen wird das Eindringen der russischen Drohnen auf Nato-Gebiet nicht nur als Akt der militärischen Aggression, sondern vor allem als Teil von Moskaus psychologischer Kriegsführung gewertet. Die Regierung in Warschau beantragte wegen des Vorfalls eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. Allerdings kann Russland dort wegen seines Veto-Rechts jegliche Entschlüsse zu seinen Lasten blockieren.
Man wolle "die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf diesen beispiellosen Angriff russischer Drohnen auf einen Mitgliedstaat nicht nur der UN, sondern auch der Europäischen Union und der Nato" lenken, sagte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski in einem Radiointerview. Bei 19 Verletzungen des polnischen Luftraums durch Drohnen binnen sieben Stunden könne es sich nicht um einen Zufall handeln. "Dies ist ein militärischer und politischer Test nicht nur für Polen, sondern für die gesamte Nato", sagte Sikorski.
Trump: Drohnen-Aktion"könnte Fehler gewesen sein"
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bereits am Mittwoch erklärt, dass er die Verletzung des polnischen Luftraums durch russische Drohnen nicht für ein Versehen halte. Er sehe in diesen Vorfällen vielmehr "eine ganz ernsthafte Gefährdung des Friedens in ganz Europa".
US-Präsident
Seit seinem Amtsantritt im Januar wird Trump vorgeworfen, er zeige dem Angreifer Russland gegenüber zu viel Nachsicht und lasse sich von Kremlchef Wladimir Putin teils vorführen. Dass es sich beim Einflug der Drohnen wirklich um ein Versehen handelt, wird nach Prüfung des Vorfalls in Militärkreisen für unwahrscheinlich gehalten. Mindestens einer der Flugroboter flog nach dpa-Informationen aus Nato-Kreisen in Richtung des Verteilzentrums für die Ukraine-Militärhilfe am polnischen Flughafen Rzeszow.
Deutschland schickt weitere Kampfjets nach Polen
Als Reaktion auf die Verletzung des polnischen Luftraums verstärkt Deutschland seine Beteiligung am Schutz der Nato-Ostgrenze. Die Überwachung des Luftraums über Polen durch deutsche Kampfjets werde verlängert und ausgeweitet, teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius mit.

Schon jetzt ist die Bundeswehr mit zwei in Rostock-Laage stationierten Eurofighter-Kampfjets über Polen im Einsatz. Die Anzahl der Flieger wird nach Angaben des Verteidigungsministeriums nun auf vier verdoppelt und der bisher bis Ende September geplante Einsatz zunächst bis Jahresende verlängert.
Die Bundesregierung werde auch ihre Unterstützung für die Ukraine intensivieren, sagte Kornelius, ohne Einzelheiten zu nennen. In der EU werde Deutschland auf eine schnelle Verabschiedung eines "robusten 19. Sanktionspakets" hinarbeiten, um Russland weiter unter Druck zu setzen.
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Auch Frankreich will Schutz der Nato-Ostflanke verstärken
Frankreich will drei Rafale-Kampfjets als Reaktion auf das Eindringen russischer Drohnen in Polens Luftraum schicken. Sie sollten zum Schutz des polnischen Luftraums und der Ostflanke der Nato beitragen, kündigte Präsident Emmanuel Macron an. Wo genau die Jets zum Einsatz kommen sollen, teilte er nicht mit. "Wir werden uns den zunehmenden Einschüchterungsversuchen Russlands nicht beugen", betonte Macron. (dpa/bearbeitet von mbo)