Zuschüsse oder Kredite? Diese Frage steht bei der Ausgestaltung eines EU-Wiederaufbauplans für die Wirtschaft inzwischen im Mittelpunkt. Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande mit einem Gegenentwurf auf die Ideen von Merkel und Macron reagiert. Doch der Widerstand der vier scheint zu schwinden.

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Vor der Präsentation des europäischen Wiederaufbauplans nach der Coronakrise rechnen Europapolitiker der Grünen mit einem Einlenken der sogenannten Sparsamen Vier.

Gemeint sind Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark. In einem Gegenentwurf zu den deutsch-französischen Plänen hatten die vier Staaten vorgeschlagen, statt nicht zurückzahlbarer Zuschüsse nur günstige Kredite zu gewähren.

"Bei den Sparsamen Vier sehen wir jetzt auch, dass die Fronten bröckeln", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, am Mittwoch im "Inforadio" des rbb. Dänemark habe gestern erklärt, doch konstruktiv an einer Lösung arbeiten zu wollen.

Auch der Europapolitiker Sven Giegold (Grüne) rechnet mit einem Umdenken. "Am Ende brauchen wir alle den gemeinsamen Markt. Gerade diese vier Länder profitieren wie Deutschland auch sehr stark von der Wirtschafts- und Währungsunion", sagte Giegold am Mittwoch im "ARD Morgenmagazin".

Wenn alle wollten, dass Europa stark in die Zukunft gehe, müssten alle den gemeinsamen Markt zusammenhalten. "Das wissen auch die vier", sagte er.

Verschärft sich die Krise "fliegt die EU auseinander"

Als Hintergrund der Position der "Sparsamen Vier" gilt, dass sie im Verhältnis zu Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl zur Gruppe der größten Nettozahler der EU zählen. So lagen die Dänen 2018 bei den Pro-Kopf-Ausgaben für die EU sogar noch vor den Deutschen. Direkt danach folgten Österreicher, Schweden und Niederländer.

Die Bundesregierung hatte diese Position bis vor Kurzem auch noch vertreten, gab nun aber in der Coronakrise dem Druck aus dem Süden nach. Als ein Grund für den Kurswechsel gilt die Sorge davor, dass Länder wie Italien unter einer weiter stark steigenden Schuldenlast zusammenbrechen könnten.

Italien hat den Gegenentwurf von Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden bereits als "unangemessen" zurückgewiesen. Die schwere Rezession verlange "ambitionierte und innovative Vorschläge", denn der Binnenmarkt mit seinen Vorteilen für alle Europäer sei in Gefahr, erklärte Europaminister Enzo Amendola auf Twitter. "Das Papier der 'sparsamen' Länder ist defensiv und unangemessen", schrieb Amendola.

Deutlich schärfer fiel die Kritik des deutschen Grünen-Politikers Rasmus Andresen aus. Er bezeichnete den Vorschlag als "ein arrogantes Statement von Staaten, die den Ernst der Lage nicht begriffen haben".

Hoch verschuldeten Ländern Kredite anzubieten und sie mit harten Auflagen wie in der Euro-Krise zu verknüpfen, werde die Wirtschaftskrise verschärfen.

"Verschärft sich die Wirtschaftskrise, fliegt die EU auseinander", warnte der EU-Abgeordnete, der das einzige deutsche Mitglied im Verhandlungsteam des Parlaments zum mehrjährigen Finanzrahmen ist.

Von der Leyen stellt Wiederaufbauplan vor

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will die Wirtschaft nach der Coronakrise mit einem milliardenschweren Wiederaufbauplan wieder in Schwung bringen und modernisieren. Die Details stellt von der Leyen am Mittwochnachmittag (13:30 Uhr) in einer Rede im Europaparlament vor.

Was den Wiederaufbau-Fonds angeht, hatte von der Leyen zuletzt eine klare Präferenz für den deutsch-französischen Ansatz erkennen lassen. "Dies geht in die Richtung des Vorschlags, an dem die Kommission arbeitet", erklärte sie zum Vorstoß Merkels und Macrons.

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel hatte von einem Schritt in die richtige Richtung gesprochen und Kompromisswillen von allen 27 EU-Staaten gefordert. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz warnte die Europäische Kommission davor, den deutsch-französischen Plänen zu stark nachzugeben und kündigte Widerstand gegen einseitige Festlegungen an. (dpa/thp)

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