US-Präsident Donald Trump kritisiert die Briefwahl als "korrupt" und verbreitet Falschaussagen. Politikwissenschaftlern zufolge erhofft er sich davon Vorteile für seine Republikaner. Denn im kommenden Jahr stehen die Zwischenwahlen an.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Anne-Kathrin Hamilton sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das Thema ist wieder da. 2020 hat Donald Trump bekanntlich die US-Präsidentschaftswahl verloren. Eingestehen wollte er das nicht. Trump sah sich als Opfer eines Betrugs. Nachdem er 2024 wieder gewonnen hatte, sprach er nur noch selten darüber.

Doch vor kurzem traf der US-Präsident in Alaska den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der bestätigte Trump wohl in seinem Gerede über die "gestohlene Wahl". Wenige Tage später kündigte Trump jedenfalls einen Feldzug gegen die Briefwahl an, die er schon lange kritisiert und fälschlicherweise für seine Wahlniederlage vor fünf Jahren verantwortlich macht.

USA: Trump steht schon länger auf Kriegsfuß mit Briefwahlen

"Das Thema Briefwahlen ist seit 2020 hochpolitisch, weil Trump damals der Meinung war, dass er durch Betrug bei Briefwahlen die Wahl verloren hat – ohne dass er dafür Beweise vorlegte", sagt Dominik Tolksdorf, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, auf Anfrage unserer Redaktion.

Bis heute hält Trump an der haltlosen These des Wahlbetrugs fest. Wohl aus eigennützigen Gründen: Unter Einschränkungen bei der Briefwahl hätten die Demokraten wahrscheinlich stärker zu leiden als seine Partei, die Republikaner. "Tatsächlich wählten damals mehr Demokraten als Republikaner per Briefwahl. Daten von der Wahl 2024 zeigen, dass wieder mehr Demokraten als Republikaner Gebrauch von Briefwahl gemacht haben, auch wenn der Unterschied zu 2020 insgesamt geringer ausfiel", sagt Tolksdorf.

Zur Erinnerung: Die USA führten 2020 inmitten der Corona-Pandemie eine US-Präsidentschaftswahl durch. Damals kandidierten Biden und Trump. Viele Wähler entschieden sich für die Briefwahl, um sich vor einer möglichen Infektion zu schützen.

Trump erhofft sich wohl von der Abschaffung der Briefwahl politische Vorteile

Aus Sicht des USA-Experten Mike Cowburn sind Trumps Ansichten zur Briefwahl rein taktischer Natur. "Er weiß, dass demokratische Wähler eher diese Wahlmethoden nutzen und dass demokratisch geprägte Bundesstaaten im Allgemeinen viel offenere Regeln für diese Wahlformen haben", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion. Cowburn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

Ihm zufolge wird schon seit langem angenommen, dass Wahlen mit geringer Wahlbeteiligung den Republikanern zugutekommen. Die Abschaffung der Briefwahl würde etwa jüngere Wähler und Minderheiten unverhältnismäßig stark treffen, meint der Experte. Denn: In den Gebieten, in denen diese Wähler leben, gibt es in der Regel weniger Wahllokale und längere Wartezeiten.

"Es würde also einige Wähler effektiv von der Wahl ausschließen", lautet also Cowburns Fazit. Davor warnt auch Tolksdorf. "Die Bundeswahlen finden immer dienstags statt, also an einem Tag, an dem manche Wähler es schlichtweg zeitlich nicht schaffen, ihre Stimme abzugeben. Trump könnte darauf spekulieren, dass die Republikaner von einer geringeren Wahlbeteiligung profitieren."

Hinzu kommen US-Bürger, die sich am Wahltag im Ausland befinden. "Man denke auch an die Mitglieder des Militärs, die außerhalb der USA stationiert sind. Sie wählen erfahrungsgemäß eher republikanisch, daher würde man wohl für sie eine Lösung finden", sagt der Politikwissenschaftler Johannes Thimm.

Der stellvertretende Forschungsgruppenleiter Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik unterstreicht, dass Trump mit seinen Behauptungen über Briefwahlen vor allem das Misstrauen in demokratische Wahlen befeuert. Das könnte er als "Ausrede benutzen", sollte seine Partei bei den kommenden Zwischenwahlen des Parlaments 2026 schlecht abschneiden. Oder er könnte sogar erneut das Wahlergebnis infrage stellen.

USA-Experte bezeichnet Trumps Briefwahl-Kritik als "völlig unbegründet"

Aktuelle Umfragen zeigen, dass Trumps Zustimmungswerte sinken. Dadurch steigen die Chance für die Demokraten, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückzugewinnen. Dann könnten sie seine Politik teilweise blockieren. Aus Thimms Sicht suchen die Republikaner also Wege, um bestimmten Menschengruppen die Wahl zu erschweren, weil sie sich davon politische Vorteile versprechen. Daher stelle Trump Briefwahlen so dar, als wären sie ein "Einfallstor zum Wahlbetrug".

Auf der Plattform "Truth Social" wettert der US-Präsident, Briefwahlen seien "korrupt" und "ungenau". Er behauptet, die USA seien "das einzige Land der Welt", in dem Stimmabgabe per Briefwahl angeboten würde. Alle anderen Länder hätten die Briefwahl angeblich aufgrund des "massiven Wahlbetrugs" aufgegeben, lautet seine Falschaussage. Er wolle eine Bewegung anführen, die sich für die Abschaffung der Briefwahl einsetzt. Misstrauen schürt Trump aber auch gegen die Wahlmaschinen, mit denen die Stimmen automatisch ausgezählt werden können.

Für Trumps Behauptungen über massiven Betrug, insbesondere bei der Briefwahl, gibt es keine juristisch belastbaren Belege. Cowburn bezeichnet die Vorwürfe als "völlig unbegründet". Es gebe keine Beweise dafür, dass die Stimmabgabe per Post in den USA weniger sicher sei als die persönliche Stimmabgabe. Im Gegenteil: Er weist darauf hin, dass ohne Maschinen oder Briefwahl die Zahl der Wahlfehler steigen würde.

Das Auszählen der Stimmzettel per Hand würde länger dauern und sei dazu auch fehleranfälliger als bei Maschinen. "Was die aktuellen Bedrohungen für die US-Demokratie und die demokratische Zukunft des Landes angeht, ist Wahlbetrug kein Grund zur echten Sorge", sagt er.

"Schaukelt sich hoch": Trumps Tabubrüche schaden der Demokratie in den USA

Was Thimm viel größere Sorgen bereitet, ist der Neuzuschnitt der Wahlkreise in Texas. Dieser Vorgang soll Trumps Republikanern helfen, ihre knappe Mehrheit bei den Zwischenwahlen 2026 abzusichern. "Das ist ein enormer Tabubruch. Solch ein Neuzuschnitt passiert normalerweise alle zehn Jahre, basierend auf einer Volkszählung", kritisiert er.

Nun plant das demokratisch regierte Kalifornien ebenfalls die Neuordnung der Wahlkreise. "Dieses ständige Ändern der Spielregeln ist schädlich für das demokratische System", mahnt Thimm.

Cowburn warnt, dass Trumps Zweifel an Briefwahlen zur "Delegitimierung des Wahlprozesses" führen. "Seine Behauptungen könnten wahrscheinlich auch dazu dienen, eine weitere Konsolidierung der Machtbefugnisse des Präsidenten zu rechtfertigen, möglicherweise die Aussetzung künftiger Wahlen, aber eher die Rechtfertigung von Notstandsbefugnissen."

Empfehlungen der Redaktion

Zudem mobilisiere Trump mit seiner Briefwahl-Kritik die republikanische Basis, die sich zunehmend mit Vorstellungen von "Grievance Politics" identifiziere: Sie glaubt, dass nur Trump sie vor dem korrupten politischen System retten könne. Organisationen wie "Project 2025" nutzen dieses Narrativ bereits, um die Unterstützung für demokratische Institutionen zu schwächen und möglicherweise antidemokratische Reformen wie strengere Wahlvorschriften akzeptabler zu machen.

Trump könnte also mehrere Absichten mit seiner Abneigung gegenüber Briefwahlen verfolgen. Jedoch kann er sie nicht einfach per Dekret verbieten. Gemäß der US-Verfassung liegt die Hauptverantwortung für die Organisation von Wahlen bei den einzelnen Bundesstaaten.

Über die Gesprächspartner

  • Dominik Tolksdorf ist seit 2024 "Associate Fellow" bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zuvor war er als Research Fellow für US-Politik und transatlantische Beziehungen tätig. Zwischen 2016 und 2022 arbeitete er als Programmleiter für Außen- und Sicherheitspolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, D.C.
  • Mike Cowburn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Zeppelin Universität. Seine Forschungsinteressen umfassen unter anderem Wahlen, Gesetzgebungspolitik und politische Kommunikation. In seinem Buch "Party Transformation in Congressional Primaries" befasst er sich mit innerparteilichen Fraktionen in den Vorwahlen zum US-Kongress im 21. Jahrhundert.
  • Johannes Thimm forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu aktuellen politischen Entwicklungen in den transatlantischen Beziehungen und zur US-Politik. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.