Elon Musk wollte mehr als nur Elektroautos bauen und Raketen ins All schießen. Er wollte auch Amerikas verkrustetes Parteiensystem aufbrechen. Mit der "America Party" kündigte er Anfang Juli eine neue politische Kraft an, die das Land jenseits von Republikanern und Demokraten einen sollte. Doch nur wenige Wochen später ist von der großen Vision nichts mehr übrig.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Natascha Wittmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es klang nach Revolution. Elon Musk: Starunternehmer, Milliardär, X-Besitzer – und bald auch Parteigründer. Mit der "America Party" kündigte der Tech-Mogul Anfang Juli eine neue politische Bewegung an, jenseits von Republikanern und Demokraten. "Für die 80 Prozent in der Mitte", wie er es selbst formulierte.

Millionen klickten, teilten, diskutierten die Pläne des gebürtigen Südafrikaners. Doch nur wenige Wochen später ist die Aufregung schon wieder verflogen – und mit ihr Musks Parteipläne. Der eigentliche Auslöser für Musks Pläne war politisch wie persönlich: Am 4. Juli unterzeichnete Donald Trump das umstrittene "Big Beautiful Bill"-Gesetz – ein Mammutpaket mit drastischen Haushaltskürzungen.

Musk, bis dahin enger Verbündeter des US-Präsidenten, reagierte wütend auf seiner Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) und bezeichnete das Gesetz als "Abscheulichkeit". Wenige Tage später ließ er seine Follower abstimmen: Braucht Amerika eine neue Partei? Die – angebliche – Mehrheit sagte Ja. Nur einen Tag später folgte die Ankündigung: Die "America Party" sei geboren.

Musks Partei: ein politischer Schnellschuss ohne Substanz?

Doch wie sich nun zeigt, war Musks Parteigründung mehr Impuls als Plan. Laut "Business Insider" hat der Unternehmer bislang keine formellen Schritte zur Parteigründung unternommen – keine Registrierung bei der Wahlkommission, keine Kandidaten, keine Infrastruktur. Stattdessen investierte Musk kurz vor der Ankündigung 15 Millionen Dollar in republikanische Organisationen – unter anderem zugunsten von Donald Trump.

Der Rückzug von seinen eigenen Parteiplänen kam demnach so schnell wie der Anlauf: Aus seinem Umfeld heißt es, Musk wolle sich wieder auf seine Unternehmen konzentrieren. Für Ross Barkan, Politikexperte und Kolumnist beim "New York Magazine" und der "New York Times", kommt Musks Rückzieher nicht überraschend: "Das Zwei-Parteien-System in den USA ist nicht für Kompromisse oder dritte Wege ausgelegt. Wer es herausfordert, wird entweder ignoriert oder geht gnadenlos unter", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion

Hinzu komme laut Barkan eine grobe Fehleinschätzung von Musk, denn: "Er hat nie verstanden, wie viel Zeit, Geld und Organisation es braucht, um eine echte politische Bewegung in Gang zu setzen, besonders in einem Land, in dem Wähler nur zwischen Rot und Blau zu wählen gewohnt sind." Seine Vermutung: "Die 'America Party' war weniger ein politisches Projekt als ein egozentrischer Reflex auf eine persönliche Niederlage."

Der Milliardär habe zwar versucht, gemäßigte Republikaner, wirtschaftlich frustrierte Unabhängige oder technologieaffine Jungwähler für sich zu gewinnen, doch genau diese Gruppen seien schwer greifbar und noch schwerer langfristig zu organisieren. Trotzdem: "Was Musk richtig erkannt hat, ist: Der Frust über das bestehende System ist real."

Angst vor dem "Spoiler-Effekt"?

Ein möglicher Grund für Musks plötzlichen Rückzieher? Eine neue Partei könnte sein Verhältnis zu republikanischen Entscheidungsträgern, insbesondere Vizepräsident JD Vance, gefährden. Laut mehreren Berichten war Musk zunehmend besorgt, dass er mit seiner Drittpartei nur dafür sorgen würde, dass der "Gegner" – also die demokratische Partei – am Ende als Sieger dasteht.

Besonders die Republikaner hätten durch die "America Party" Stimmen verlieren können, was Musk wiederum in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hätte. Denn trotz aller Differenzen mit Trump ist Musk in vielen Bereichen auf gute Beziehungen zur Politik angewiesen – etwa bei Subventionen für Tesla oder SpaceX. Auch "Fox News" berichtet: Musk habe intern betont, eine Parteineugründung könne seine wirtschaftlichen Interessen gefährden.

Dies zeigt einmal mehr: Der Bruch mit Trump war zwar heftig, aber nicht endgültig. Musk kritisierte öffentlich das Haushaltsgesetz, doch inzwischen scheint der Ton wieder versöhnlicher. Trump erklärte zuletzt auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social, er wolle, dass Musks Unternehmen "so erfolgreich wie nie zuvor" seien. Musk wiederum soll derweil bereits auf den innerparteilichen Wandel der Republikaner setzen.

JD Vance, Trumps Vizepräsident und möglicher Präsidentschaftskandidat 2028, gilt als technologieoffener Politiker und als Hoffnungsträger der Nach-Trump-Ära. Musk soll laut "The Independent" zuletzt wieder den Kontakt zu Vance gesucht haben. Eine eigene Partei könnte dieses Verhältnis gefährden.

Nur eine Episode – oder ein Testballon?

War die "America Party" also nie ernst gemeint? Vielleicht. Musk ist bekannt für impulsive Ideen, die er oft so schnell wieder fallenlässt, wie er sie ins Leben ruft. Mal schläft er in der Tesla-Fabrik, mal will er auf den Mars, mal kündigt er eine Meinungsrevolution an.

"Er ist kein Politiker, er ist ein Performer", sagt Ross Barkan. "Und das war einfach nur seine neueste Bühne." Die "America Party" ist damit also (vorerst) Geschichte. Dennoch hat Elon Musk mit seinen Plänen einmal mehr gezeigt, wie groß der Wunsch nach Alternativen in der amerikanischen Politik ist. Aber auch, wie schwer es ist, tatsächlich eine zu schaffen.

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Ob die Idee dauerhaft beerdigt ist? Nicht unbedingt. Doch aktuell scheint Musk lieber Unternehmer zu sein, kein Parteigründer. Dafür fehlt ihm bisher der lange Atem.

Über den Gesprächspartner

  • Ross Barkan ist Kolumnist bei UnHerd und regelmäßiger Autor für das "New York Magazine" sowie die "New York Times". Der US-Journalist gilt als scharfsinniger Beobachter der amerikanischen Innenpolitik mit einem besonderen Fokus auf die strukturellen Schwächen des politischen Systems.

Verwendete Quellen