Bestens vernetzt innerhalb der Tech-Branche, aber auch Kontakte im Weißen Haus: Milliardär und PayPal-Gründer Peter Thiel zieht in den USA im Hintergrund die Strippen und gilt als Galionsfigur der Neuen Rechten. Manche halten ihn für überaus gefährlich. Ist er das? Ein Politikwissenschaftler ordnet die Ideen von Thiel ein – und warnt vor einer Strategie.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Er spricht vom Antichristen und Armageddon, investiert in lebensverlängernde Bluttherapie und künstliche Inselstaaten. Er ist rund 23,5 Milliarden Dollar schwer, hat Kampagnen von JD Vance finanziert und ist Donald-Trump-Unterstützer seit früher Stunde.

Und doch dürften in Europa die wenigsten Menschen ein Bild von dem Mann vor Augen haben, der in den USA als Vordenker der Neuen Rechten gilt, für den bereits der österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz arbeitete und der einen Rechtsstreit an der Seite von Wrestler Hulk Hogan führte. Es geht um den 57-jährigen Peter Thiel.

Milliardär mit 34 Jahren

Deutlich bekannter als sein Konterfei sind die Unternehmen, mit denen er verbandelt ist. Er ist Mitgründer von Paypal und investierte als erster externer Geldgeber in Facebook. Bereits mit 34 Jahren wurde Thiel zum Milliardär. Auch in AirBnB und Spotify hat der Risiko-Kapital-Investor früh sein Geld gesteckt, ist außerdem Mitgründer der umstrittenen Software-Firma Palantir.

Der 1967 in Frankfurt am Main geborene Thiel wanderte bereits kurz nach seiner Geburt mit seinen Eltern in die USA aus. Sein Vater war dort im Bergbau tätig, später machte die Familie auch Station in Namibia und Südafrika. Sozialisiert wurde er dort während der Zeit der Apartheid.

Ein Netzwerk namens "Thielverse"

In seiner Kindheit soll Thiel Opfer von Mobbing gewesen sein. Heute nennt man das Netzwerk, das er um sich herum aufgebaut hat, auch Thielverse – in Anlehnung an ein ganzes Universum.

"Thiel tritt in der Öffentlichkeit nicht ständig auf und ist kein großer Charismatiker – er ist vielmehr der Strippenzieher im Hintergrund", sagt Politikwissenschaftler David Sirakov. Thiel sei heute Galionsfigur der Neuen Rechten, bilde Netzwerke zwischen Tech-Elite und Politik und unterfüttere seine antidemokratischen Überzeugungen mit viel Geld.

Offene Zweifel an Demokratie

Doch wie wurde Thiel zu dem Mann, der er heute ist? Ursprünglich wollte Thiel Anwalt werden, studierte Philosophie und Rechtswissenschaften an der Stanford Universität. "Schon während seiner Studienzeit in Stanford, noch lange bevor er Milliardär wurde, war Thiel aktiv und knüpfte Kontakte zu konservativen Intellektuellen", sagt Sirakov.

Dort traf er beispielsweise auf den Literaturwissenschaftler und Anthropologen René Girard. Wie auch Carl Schmitt und Ayn Rand lieferte Girard den intellektuellen Unterbau für Thiels Weltsicht. Geprägt ist diese durch eine grundsätzliche Skepsis am Liberalismus und an der Demokratie.

"Thiel sieht Demokratie als im Grunde genommen überholt an und strebt nach einer elitistischen Gesellschaftsform", erklärt der Experte. In der Vergangenheit stellte Thiel, der offen homosexuell lebt, Demokratie offen infrage. Er erklärte, Demokratie und Freiheit seien nicht miteinander vereinbar.

Staat ist ein Hindernis

In Thiels Wunschwelt soll der Staat bis auf Schutzaufgaben weitgehend abgeschafft werden, am besten soll es keine Besteuerung mehr geben. "Die Aufgaben des Staates sollen mehr und mehr privatisiert werden, staatliche Bürokratie soll abgebaut oder gegen Loyalisten ausgetauscht werden", sagt Sirakov.

Am Ende bleibe ein Staat, der gerade noch militärische Sicherheit gewährleiste und das Volk überwachte. "Dahinter steht auch die Überzeugung, dass autokratisch geprägte Staaten mitunter schneller agieren können – allerdings auch, ohne Rücksicht auf Minderheiten nehmen zu müssen", sagt der Experte. Aus Sicht von Thiel funktionieren Firmen besser als Regierungen.

Eine Welt des Raubtierkapitalismus

"Thiels Vorstellungen kommen einem Raubtierkapitalismus gleich, bei dem die Großen immer reicher werden können und es nicht mehr darum geht, die Gesellschaft solidarisch zu gestalten", analysiert Sirakov. Die Idee: Der Staat soll wie eine Aktiengesellschaft funktionieren, an deren Spitze ein CEO steht.

Autorin Ayn Rand ist eine der Ideengeberinnen für Thiel gewesen. Wie auch sie sieht er die Moral des Individuums darin, sich um sich selbst zu kümmern und sich selbst der Nächste zu sein. Das eigene Vorankommen sei wichtiger als das Solidarische.

Hausphilosoph: Curtis Jarvin

Für noch bedeutender hält Sirakov aber einen anderen Denker: Curtis Jarvin – ihn könne man als "Hausphilosoph" von Thiel bezeichnen, erklärt der Experte.

Jarvin ist Gründer der Bewegung "Dark Enlightenment" – einer neoreaktionären Bewegung, die die Rückkehr zu traditionellen gesellschaftlichen Konstrukten und Regierungsformen wie der absoluten Monarchie propagiert. Körperliche Fitness wird idealisiert, Gleichheit von Menschen abgelehnt, Medien, Universitäten und Bürokratie sind Feindbilder, da sie angeblich nur progressive Ideologie verbreiten.

Dass Thiel dazu beigetragen hat, Trump zum Präsidenten zu machen, sieht Sirakov als politisches Investment. Thiel hatte sich bereits 2016 an Trumps Seite gestellt und ihn finanziell und mit Auftritten im Wahlkampf unterstützt. Thiel gehörte zu Trumps Übergangsteam, stellte später Vance und Trump einander vor.

Einen Punkt aus Jarvins Kernprogramm findet sich auch bei Trump wieder. Was bei Jarvin "RAGE" – kurz für "Retire All Government Employees" – heißt, erinnert unverzüglich an "DOGE" – das sogenannte “Department of Government Efficiency", das Elon Musk geleitet hat.

Für Demokratie gefährlich

"RAGE ist quasi die Blaupause des gnadenlosen Entlassens und Einkürzens der Bundesinstitutionen in den USA", sagt Sirakov. Er hält Thiel für die US-amerikanische Demokratie für überaus gefährlich.

"Mit seinem extrem vielem Geld hat Thiel auch die finanziellen Möglichkeiten, seine ideologischen Überzeugungen zu unterstützen", erinnert Sirakov. Dazu habe der Milliardär einen "Founders Fund" gegründet, mit dem er zum Beispiel bestimmte Start-ups unterstütze.

Idee einer unabhängigen Währung

PayPal, das Thiel einst mit Informatiker Max Levchin gründete, sei erst der Anfang einer Grundidee gewesen, nämlich der kompletten Abschaffung von Geld beziehungsweise der Bindung von Geld an Staatlichkeit.

"PayPal sollte das erste Instrument sein, um Geld übers Internet auszutauschen. Die finale Idee ist eine völlig unabhängige Kryptowährung, die von Staatlichkeit und staatlicher Einflussnahme losgelöst ist", erläutert Sirakov.

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Demokratie von innen stürzen

Er ist sich sicher: Demokratien werden heute von innen gestürzt. Dass Thiel aufstrebende politische Talente finanziert, sei daher gefährlich. "Thiel kombiniert finanzielle Mittel mit einem mächtigen und loyalen Netzwerk und einem sehr rigiden ideologischen Unterbau", so der Experte. Zu absoluten Thiel-Loyalisten zählen etwa David Sacks und Joe Lonsdale.

Thiel sei bereit, enorme Risiken einzugehen, um seinen Überzeugungen zu dienen. "Er hat diesen Weg über Jahrzehnte beschritten und geplant", warnt Sirakov.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. David Sirakov ist Politikwissenschaftler und Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz.