Mit zunehmendem Alter sinkt die Kollagenproduktion im Körper – warum also nicht einfach von außen nachhelfen? Kollagen in Pulver- oder Kapselform wird dafür oft als Lösung angepriesen. Doch wie viel bringt das? Zwei Experten erklären, welchen Effekt Kollagenprodukte wirklich haben.

Die Sehnsucht nach Schönheit und ewiger Jugend begleitet die Menschheit schon seit Jahrhunderten – vom Mythos des "Elixiers der Unsterblichkeit" in der Alchemie bis zu modernen Pflegewirkstoffen wie Retinol und Hyaluron.

Oder eben: Kollagen. Das vermeintliche Wundermittel, sei es in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, Seren oder Cremes, verspricht glatte Haut, glänzendes Haar und starke Gelenke. Doch was ist Kollagen eigentlich?

Kollagen: Diese Rolle spielt es im Körper

"Kollagen ist ein Struktureiweiß, das unser Körper im Prinzip selbst herstellt. Es besteht aus Aminosäuren wie Glycin, Prolin und Hydroxyprolin. Diese 'Baustoffe' für Kollagen nehmen wir über die Nahrung auf", erklärt die Dermatologin Katharina Herberger. Die Aufgabe von Kollagenen in der Haut ist es, die Elastizität und die sogenannte Rückstellkraft der Haut zu gewährleisten. Sie sorgen also dafür, dass sich die Haut nach Dehnung oder Druck wieder in ihre ursprüngliche Form zurückbewegt.

Kollagen ist nicht nur ein zentraler Bestandteil der Haut, sondern durchzieht den gesamten Körper. Es verleiht dem Bindegewebe, den Gelenken, Knorpeln, Muskeln und Sehnen sowohl Elastizität als auch Stabilität. Spannend dabei: Je nach Funktion und Einsatzort unterscheidet sich die Struktur des Kollagens – der Körper verfügt über eine Vielzahl an Kollagenvarianten, die sich an die jeweiligen Anforderungen anpassen.

Doch schon ab Mitte 20 setzt ein natürlicher Abbauprozess ein: Die Kollagenschichten in der Haut werden allmählich abgebaut und die körpereigene Kollagenproduktion verlangsamt sich. Die Konsequenzen sind sicht- und spürbar: Die Haut verliert an Spannkraft, das Bindegewebe wird schwächer und erste Falten entstehen.

"Wir wissen nicht, wie viel man zu sich nehmen muss, um einen Effekt zu erzielen."

Dermatologin Katharina Herberger über die Studienlage zu Kollagen

Da klingt es doch logisch, dem Körper einfach von außen die für die Kollagenbildung notwendigen Bausteine wieder zuzuführen? Ganz so einfach ist es leider nicht. "Der Alterungsprozess ist hochkomplex. Man kann ihn nicht aufhalten oder gar umkehren, indem man ein Pulver zu sich nimmt", sagt Herberger.

Die Studienlage zum Thema Kollagenpräparate sei aktuell noch dürftig und zum Teil sogar widersprüchlich. "Manche Studien zeigen minimale Effekte bezüglich der Faltentiefe, die mit bloßem Auge aber gar nicht wahrnehmbar sind. Manche Studien zeigen aber auch gar keinen Effekt. Wir wissen nicht, wie viel man zu sich nehmen muss, um einen Effekt zu erzielen." Auch Daten zu Langzeitwirkungen fehlen bisher. Zudem seien viele der Studien zu den schönheitsoptimierenden Effekten von Kollagen-Produzenten finanziert.

Kollagen stammt meist aus Schlachtabfällen

Ein weiterer Aspekt bei der Überlegung, ob man Kollagenprodukte wirklich konsumieren möchte, ist deren Herstellung: Kollagen wird meist aus Schlachtabfällen gewonnen, etwa aus der Haut von Hühnern oder Sehnen und Knorpeln von Schweinen – aus den Teilen, in denen auch im Tier das meiste Kollagen zu finden ist. "Man muss sich also überlegen, unter welchen Bedingungen solche Produkte gewonnen werden und welche Folgen das auch für Klima und Tierwohl hat", sagt Herberger.

Dass vor allem Plattformen wie Instagram und YouTube genutzt werden, um hochpreisige Kollagenprodukte zu vertreiben, sieht die Dermatologin kritisch. So zeigte etwa schon eine Studie aus dem Jahr 2021, dass über 8,5 Millionen Beiträge auf Instagram den Hashtag "#collagen" tragen. Der Hashtag steht oft in Verbindung mit sogenannten Affiliate-Links oder Werbepartnerschaften.

Die Studie zeigt auch, dass der Großteil der Inhalte von Personen ohne medizinischen Hintergrund stammt. Nur vier Prozent der Inhalte wurden von Dermatologinnen oder Dermatologen erstellt und in den 50 beliebtesten Instagram-Beiträgen, die die Studie untersucht hatte, war keine einzige Fachperson vertreten. "Die Inhalte sind ansprechend aufbereitet und erwecken den Anschein, als hätten sie einen wissenschaftlichen Hintergrund. Aber die Informationsquellen sind meist nicht glaubwürdig", warnt Herberger.

Kollagencremes – ein Mythos ohne Wirkung

Und was ist mit Pflegeprodukten, die Kollagen enthalten? Darf man davon einen Effekt erwarten? Das Urteil von Herberger ist ernüchternd: Das Kollagen, das in Cremes enthalten ist, sei schlicht zu groß, um die Hautschichten zu durchdringen und dort zu wirken. Das funktioniere nur, wenn man es beispielsweise durch Schönheitsbehandlungen wie Microneedling oder Laser in die Haut einarbeitet.

Die Expertin empfiehlt statt der Einnahme von Kollagenprodukten Maßnahmen, die zwar nicht überraschend, aber nachgewiesenermaßen wirkungsvoll sind, um die Hautalterung zu verlangsamen: Sonnenschutz, genug Schlaf, kein Nikotin, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Wasser.

Zur Pflege empfiehlt Herberger stattdessen einen anderen Wirkstoff: Vitamin C. "Das schützt vor Oxidation, weil es die Haut auch wirklich durchdringt." Auch Vitamin A, also Retinol oder Retinaldehyd, könne sinnvoll für die Hautpflege sein: Vitamin A unterstützt die Hauterneuerung und fördert langfristig den Kollagenaufbau, indem es das Gleichgewicht zwischen Kollagenabbau und -aufbau positiv beeinflusst. Beide Vitamine gelten als gut erforscht, wenn es darum geht, Alterungsprozesse zu verlangsamen oder UV-Schäden entgegenzuwirken.

Kollagen für Gelenke: Das sagt die Wissenschaft

Doch was ist mit der ebenfalls oft beschworenen Wirkung von Kollagenprodukten auf Bindegewebe, Muskeln, Knorpeln und Sehnen? Sogar bei Arthrose sollen sie Linderung bringen, wenn man Influencern und YouTubern glaubt. Wir haben beim ärztlichen Direktor der Klinik für Orthopädie der Universität Regensburg, Tobias Renkawitz, nachgefragt.

Auch sein Urteil ist eher ernüchternd: "Die Auswirkung von Kollagen oder kollagenhaltigen Produkten auf die Gelenkbeweglichkeit wurde in einigen wissenschaftlichen Arbeiten untersucht. Einen eindeutigen, belegbaren Nutzen gibt es allerdings nach derzeitiger Datenlage nicht."

In Bezug auf Arthrose berichten einige wenige Studien von ausgewählten positiven Effekten wie einer gewissen Schmerzreduktion oder besserer Gelenkbeweglichkeit – zumeist aber nur in den Frühstadien der Erkrankung. Unklar ist bisher aber, ob diese Effekte tatsächlich durch das Kollagen oder durch andere Einflussfaktoren wie beispielsweise begleitende Bewegungstherapien erzielt werden.

Empfehlungen der Redaktion

Renkawitz betont, dass Kollagenpulver nach derzeitigem Kenntnisstand Gelenkproblemen wie Arthrose nicht vorbeugen oder die Entstehung von Arthrose verhindern kann. Da es sich bei Kollagenpräparaten um Nahrungsergänzungsmittel handelt, sind die Hersteller jedoch nicht verpflichtet, die Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien nachzuweisen. Die Effektivität dieser Präparate solle also immer kritisch hinterfragt werden.

Aus orthopädischer Sicht gibt es bislang keine klare Empfehlung, Kollagenprodukte regelmäßig einzunehmen, um Schäden an Gelenken oder Muskeln vorzubeugen. Stattdessen rät Renkawitz: "Entscheidend für einen gesunden und vitalen Bewegungsapparat sind Maßnahmen wie eine ausgewogene Ernährung, gelenkschonender Sport, die Reduktion schädlicher Alltagsbelastungen und ein insgesamt gesundheitsbewusster Lebensstil".

Über den Gesprächspartner und die Gesprächspartnerin

  • Priv.-Doz. Dr. med. Katharina Herberger ist Dermatologin, Privatdozentin und Gründerin der Praxis "Kompetenzzentrum Haut". Sie ist Expertin für Lasertherapie, Botox und Filler sowie Vizepräsidentin der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft (DDL).
  • Univ.-Prof. Dr. med. habil. Tobias Renkawitz ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie der Universität Regensburg am Asklepios Klinikum Bad Abbach. Er zählt zu den führenden Experten und Innovatoren auf dem Gebiet der modernen Endoprothetik bei Hüft- und Kniearthrose.

Verwendete Quellen