Früher war das typische Bild eines Vaters das des zum großen Teil abwesenden Ernährers. Das ändert sich, wenn auch nur langsam. Auch der Autor Fabian Soethof musste erst von der Mutter seiner Kinder darauf aufmerksam gemacht werden, dass es auch in ihrer Beziehung ein Ungleichgewicht gab.
"Ein Baby zu haben – das ist geistige Unterforderung bei körperlicher Überforderung", sagt Journalist und Autor Fabian Soethof. Eine provokante Aussage, die die Frage aufwirft, ob das der Grund dafür ist, dass nach wie vor weniger Väter als Mütter länger in Elternzeit gehen oder ihre Arbeitsstunden reduzieren.
Soethof selbst ist diesen Schritt ganz bewusst gegangen. Er habe laut eigener Aussage auch erst lernen müssen, wie ungleich verteilt die Care-Arbeit zwischen ihm und der Mutter seiner Kinder war. Und dass von mehr Präsenz nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie profitiert. Genau deshalb fordert er für mehr Fairness im Familienleben nicht nur (werdende) Väter, sondern auch die Politik auf: Schafft die passenden Rahmenbedingungen, damit Elternschaft gleichberechtigter werden kann!
Wir haben mit ihm über Bier und Bollerwagen am Vatertag gesprochen sowie darüber, was sich strukturell ändern muss, um Elternschaft gleichberechtigt zu leben, und was er ganz anders macht als sein Vater.
Herr Soethof, wie verbringen Sie den Vatertag?
Fabian Soethof: Mit meinen Kindern, denn deren Mutter verreist für eine Woche mit einer Freundin. Das ist jetzt gar nicht gezielt wegen des Vatertags so, das hat sich so ergeben. Und da ich aber nicht der planvollste Mensch oder Vater bin, weiß ich noch gar nicht genau, was wir machen. Ich habe ein paar Ausflugsziele im Kopf, aber vielleicht schlafen wir einfach mal aus und die Kinder freuen sich, wenn schulfrei ist und sie ein bisschen chillen können.
Also kein Bollerwagen und Bier?
Kein Bollerwagen! Allerdings bin ich am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen groß geworden. Das heißt – vor allem, wenn man selbst noch kein Vater ist, sondern ein Teenager –, dass mit Bier und Bollerwagen loszuziehen für mich jahrelang total normal war. Ich habe das bei anderen Vätern gesehen und noch nicht hinterfragt.
"Ich brauchte wohl eine Frau, die mich darauf hinweist, dass es da eine ganz schöne Schieflage gibt."
Wann hat bei Ihnen ein Umdenken eingesetzt?
Ich bin seit mittlerweile elf Jahren Vater, aber als die Kinder noch ganz klein waren, habe auch ich nur das Mindeste gemacht. Als die Mutter meiner Kinder zunehmend sagte "Ey, das ist alles ganz schön stressig", habe ich umgedacht. Ich bin da wohl ein Mann wie alle anderen und brauchte eine Frau, die mich darauf hinweist, dass es eine deutliche Schieflage gibt. Und dann habe ich zunehmend gemerkt: Ja, stimmt, ich brauche keinen Tag, einen Feiertag, an dem ich dann abhaue, obwohl ich mich eh schon nicht so viel kümmern konnte wie die Mutter meiner Kinder damals. Das hat sich jetzt längst geändert.
Das heißt, die Care-Arbeit und die Kindererziehung ist gerecht verteilt?
Das war ein Prozess, wie bei vielen anderen Leuten auch. Wir haben relativ früh gesagt und gedacht, wir machen Fifty-fifty. Das stimmte anfangs aber nicht: Ich bin zwei Wochen nach der Geburt wieder arbeiten gegangen. Ich habe zwar, als das Kind alt genug war, es mittags mal von der Kita abgeholt und nach Hause zur Mama gebracht, bin dann aber wieder ins Büro. Aber spätestens mit dem zweiten Kind habe ich gemerkt: Nee, an der Mutter hängt einfach viel mehr.
Was war die Konsequenz?
Ich bin dann irgendwann, auch auf Anstoß von meiner Frau, dauerhaft in Teilzeit gegangen. Das war ein Kompromiss für alle, aber trotzdem eine Win-win-Situation: Ich habe ein bisschen mehr Zeit für meine Kinder, meine Kinder haben ein bisschen mehr Zeit mit mir und ihre Mutter kann das tun, was Männer sonst immer getan haben und sich auch wieder ihrem Job widmen.
Diese Art der Aufteilung, dass beide Elternteile in Teilzeit gehen, geht für viele Menschen aber an ihrer Lebensrealität vorbei, oder?
Ja, definitiv. Ich hatte beziehungsweise habe einen Job, den ich im Homeoffice ausüben kann und ich verstehe Menschen, bei denen das nicht geht, weil wirklich immer einer der Hauptverdiener war oder sie bei einer Reduzierung der Arbeitszeit die Miete nicht zahlen können.
Was müsste sich Ihrer Ansicht nach strukturell oder politisch ändern, damit wir wirklich gleichberechtigte Elternschaft leben können?
Wir erleben gerade sogar einen Rückschritt. Mein Buch habe ich 2022 veröffentlicht und jetzt ist im Grunde alles schlechter, als es damals war, weil wir eine neue, konservativ geführte Regierung haben und dort sinngemäß der Kern ist, dass der Mann der Ernährer der Familie ist und wir alle mehr arbeiten müssen. Und schaut man sich international um, setzt Trump Wörter wie "Frau" und "Gleichberechtigung" und so weiter auf den Index. Was müsste also passieren? Wir brauchen eine Regierung, die auch Dinge wie Gleichberechtigung ernsthaft mit auf die Agenda nimmt. Dazu gehört die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine Erhöhung des Elterngeldes, das trotz Inflation seit seiner Einführung im Jahr 2007 nicht erhöht wurde.
Und das Thema Elternzeit bei Vätern? Hierzulande nehmen laut Statistik nur rund zehn Prozent der Väter länger als zwei Monate Elternzeit.
Man kann darüber streiten, ob Pflichten sinnvoll sind. Ich wäre aber Fan von einer Art verpflichtenden Elternzeit für Väter, die beispielsweise auch finanzielle Anreize bieten könnte. In Schweden etwa ist es selbstverständlich, dass Väter genauso wie Mütter monatelang zu Hause bleiben, weil der finanzielle Anreiz so hoch ist.
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Sollten Paare bereits vor dem ersten Kind besprechen, wie eine gerechte Verteilung aussehen kann?
Ja, man kann natürlich im Vorfeld ganz viel durchsprechen. Du musst es vor allen Dingen aber praktisch erleben und dann immer wieder neu validieren. Denn wenn man bei der Krippeneingewöhnung beispielsweise merkt, dass das Kind noch nicht so weit ist – da kann man noch so viel planen, dann muss man auch flexibel sein, um nachjustieren zu können. Dabei hilft einerseits das gemeinsame Reden und Abwägen. Und natürlich hilft es auch, wenn man flexible Jobs hat, Stichwort Privilegien.
"Eltern sein oder Vater sein und Kinder haben, ist das Stressigste, was ich in meinem Leben je erlebt habe."
Studien belegen, dass Väter gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, aber im Vergleich zu 74 Prozent der Mütter beziehen nur 25,8 Prozent der Väter für einen längeren Zeitraum oder überhaupt Elterngeld. Was würden Sie Männern sagen, warum es toll ist, ein präsenter Vater zu sein?
Vermeintlich Negatives zuerst: Eltern sein oder Vater sein und Kinder haben, ist das Stressigste, was ich in meinem Leben je erlebt habe. Gleichzeitig möchte ich um nichts in der Welt mehr tauschen, weil ich natürlich meine Kinder liebe und weil ich finde, das müssen Väter einmal erleben: Sich täglich zu kümmern, zu wissen, wie die Freunde heißen, mit ihnen zum Arzt fahren, den Mental Load und zu erleben, dass Vater sein nicht nur bedeutet, am Wochenende auf den Spielplatz zu gehen. Es gibt einem ganz viel zurück, viele tolle Momente, Gespräche, die man führen kann, Fragen, die gestellt werden, wo ich selbst keine Antworten drauf weiß. Man merkt einfach, wie die Prioritäten im eigenen Leben anders besetzt werden.
Was macht für Sie persönlich einen guten Vater aus? Was für ein Vater möchten Sie sein?
Ich versuche, total anwesend zu sein. Ein Vater zu sein, der sich täglich kümmert, dass zum Beispiel die Hausaufgaben gemacht sind, der da ist, wenn Kinder wegen Krankheit von der Schule abgeholt werden müssen, der die Freunde der Kinder kennt – ein Vater, der ernsthaft am Leben der Kinder teilnimmt. Ich wünsche mir, dass wir ihnen vorleben, dass es normal ist, dass ihre Mutter und ich gleichermaßen da sind und wir auch beide arbeiten – denn die klassischen Rollenbilder bekommen sie genug mit. Wir wollen unsere Kinder behütet in die Freiheit entlassen. Man kann die Gesellschaft nicht im Großen verändern, aber vielleicht das Mindset der Kinder.
"Es gibt Väter, die sagen: 'Die Mutter kann das besser.' Das ist in meinen Augen Bullshit."
Gibt es etwas, das Sie bewusst anders machen als Ihr Vater?
Selbstverständlich all das zu machen, was in sehr konservativen Köpfen als "Mutterzeug" gilt. Es gibt Väter, die sagen: "Die Mutter kann das aber besser." Das ist in meinen Augen Bullshit, denn niemand wird mit einer Anleitung zum Kinderhaben geboren. Wer zwei Jahre lang keine Windeln wechselt, kann es eben auch nicht, das ist klar. Meine Eltern waren sehr jung, irgendwann getrennt, und wenn ich bei meinem Vater war, waren immer Verwandte da, Oma, Tanten und so weiter. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, Quality Time mit ihm verbracht zu haben. Das versuche ich mit meinen Kindern anders zu machen.
Zum Schluss, um den Vätern – zumindest mit einem Augenzwinkern – ein wenig den roten Teppich auszurollen: Was können Väter besser als Mütter?
Bier trinken und Bollerwagen ziehen. (lacht) Und ganz ernsthaft: Ich glaube, dass bei aller frühzeitigen Bindung, die Väter haben, wenn sie intensiv da sind, trotzdem eine andere Art von Bindung herrscht – das Kind wächst nun mal im Bauch der Mutter, aber die Vater-Beziehung muss deshalb nicht schlechter sein. Ich bin ein Stück weit unvorsichtiger, lasse die Kinder eher mal machen und irgendeinen Quatsch ausprobieren.
Über den Gesprächspartner
- Fabian Soethof (*1981 am Niederrhein) ist Journalist und Autor. Von 2016 bis 2023 arbeitete er als Online-Redaktionsleiter beim "Musikexpress" – in Teilzeit. 2022 erschien sein Buch "Väter können das auch! Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben", seit 2013 betreibt er das Väterblog newkidandtheblog.de. Soethof ist Vater zweier Kinder und lebt in Berlin-Kreuzberg.