Viele Schwangere haben das Gefühl, dass sie plötzlich viel empfindlicher auf Gerüche reagieren - auch auf solche, die sie kurz zuvor noch mochten. Ist das wirklich so? Und wenn ja, wieso?

Igitt, was stinkt hier denn so? Was vor ein paar Tagen noch verführerisch duftete, kann bei Schwangeren plötzlich Übelkeit auslösen. Viele erleben das besonders in den ersten Wochen der Schwangerschaft. Doch was steckt dahinter? Können Schwangere tatsächlich besser riechen als andere? Oder reagieren sie nur empfindlicher auf bestimmte Gerüche?

Tatsächlich ist der verfeinerte Geruchssinn in der Schwangerschaft keine Einbildung. "Das ist ein normaler Effekt und eines der ersten unterschwelligen Zeichen, dass im Körper der Frau ein kleines Abenteuer beginnt", sagt Sportmediziner und Buchautor Markus Klingenberg.

Frühschwangerschaft verändert den Geruchssinn

Viele Frauen merken in der Schwangerschaft, dass ihnen alltägliche Gerüche plötzlich zu schaffen machen – selbst solche, die sie zuvor gemocht haben. Laut dem Mediziner wird der Geruchssinn vor allem in der Frühschwangerschaft empfindlicher und in manchen Fällen sogar so empfindlich, dass manche Gerüche Übelkeit auslösen können. "Ein alltäglicher Geruch, den man eigentlich mag, etwa Kaffee, wird plötzlich als unangenehm empfunden oder mit Ekel verbunden", sagt er.

Diese Reaktion hat biologisch gesehen vermutlich tiefere Wurzeln: "Der Geruchssinn in der Schwangerschaft ist ein Frühwarnsystem", sagt Klingenberg. "Nicht nur Kaffee wird als abstoßend empfunden, sondern auch Rauch, Käse, Fisch, Alkohol, Fleisch oder chemische Substanzen." Der gesteigerte Geruchssinn könnte die Mutter und das ungeborene Kind damit vor potenziell schädlichen Stoffen schützen.

Zu dieser Theorie passt auch, dass der Geruchssinn im ersten Trimester am sensibelsten ist, also in der kritischsten Phase der Schwangerschaft: Insbesondere in den ersten zwölf Wochen, wenn sich Organe und zentrale Systeme des Kindes entwickeln, ist es besonders anfällig für schädliche Einflüsse. "Danach pendeln die Hormone sich wieder ein", sagt der Experte. Oft werden Gerüche dann wieder erträglicher, allerdings nicht immer: "Es kann aber auch vorkommen, dass die Sensibilität bis zur Geburt bleibt – manchmal sogar darüber hinaus."

Schwangere reagieren auch emotionaler auf Gerüche

Dr. Markus Klingenberg ist der Autor des Buches "Ich will meinen Körper zurück". © Dr. Markus Klingenberg

Doch wie funktioniert das im Körper eigentlich genau? "Veränderungen sind durch den rasanten Anstieg des Östrogenspiegels hormonell bedingt", sagt Klingenberg. Das wirkt sich direkt auf die Riechzellen in der Nase und auch die Weiterleitung der Signale im Gehirn aus.

Parallel dazu wird auch das limbische System im Gehirn stärker aktiviert. "Das ist der Teil, der Emotionen, Erinnerungen und Sinneseindrücke verknüpft", erklärt der Mediziner. Das führt dazu, dass Gerüche nicht nur stärker als sonst wahrgenommen werden, sondern dass Schwangere auch emotionaler auf sie reagieren, typischerweise mit starker Abwehr und Ekel.

Das zeigt auch eine Studie der Universität Stockholm mit mehr als 300 Teilnehmerinnen: Sie kam zu dem Ergebnis, dass Schwangere Gerüche nicht nur intensiver wahrnehmen, sondern sie auch emotionaler bewerteten. Die Forschenden vermuten, dass diese Wahrnehmung sich auf das Essverhalten auswirkt – und zwar insbesondere zu Beginn der Schwangerschaft.

Oft normalisiert sich der Geruchssinn schnell wieder

Doch nicht nur in der Schwangerschaft kann sich der Geruchssinn verändern. Auch in anderen Lebensphasen, in denen die Hormone stark schwanken, können sich Gerüche besonders bemerkbar machen, etwa in der Pubertät und in den Wechseljahren. "In der Pubertät nimmt die hormonelle Aktivität zu, in den Wechseljahren nimmt sie ab", sagt der Arzt. "In beiden Lebensphasen kann es zu einer veränderten Geruchswahrnehmung kommen."

Manche Frauen bemerken auch kurz vor oder während ihrer Periode, dass sie plötzlich besser riechen können oder empfindlicher auf bestimmte Gerüche reagieren.

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"Kurz vor und während der Menstruation sinkt der Östrogenspiegel", so Klingenberg. Dann spielt das Hormon Progesteron eine wichtige Rolle: "Manche Frauen scheinen dann sensibler auf Gerüche zu reagieren, was möglicherweise mit einer kurzfristigen Verschiebung der Sinneswahrnehmung im Gehirn zu tun hat." Die Effekte seien allerdings längst nicht so stark ausgeprägt wie während einer Schwangerschaft.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. med. Markus Klingenberg ist Sportmediziner. Gemeinsam mit seiner Frau, Dr. Miriam Klingenberg, hat er das Buch "Ich will meinen Körper zurück" geschrieben, in dem es um den Körper nach der Schwangerschaft geht.

Verwendete Quellen

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