Eine Frage, mehrere Antworten: Manchmal hilft es, ein Problem aus mehreren Perspektiven zu betrachten. In unserem Format "... und jetzt?" beantworten Menschen mit ganz unterschiedlichen Expertisen die persönlichen Fragen unserer Leserinnen und Leser.
Es gibt mehr als schwarz und weiß, richtig oder falsch. Eigentlich wissen wir das. Doch wir haben uns daran gewöhnt, laute, einfache Antworten zu akzeptieren oder nur die Meinung zu hören, die uns unser Algorithmus vorgibt. Doch die Welt ist komplexer. Und das, was für jede und jeden von uns richtig sein kann, ist es auch.
Hier finden Sie auch frühere Ausgaben von "... und jetzt?"
- Mein Partner hat keine Lust mehr auf Sex - und jetzt?
- Mitte 30, Single, einsam - und jetzt?
- Ich verliebe mich immer in die Falschen - und jetzt?
- Ich möchte Liebe und Sex ohne Beziehung - und jetzt?
- Wir sind nur noch wegen der Kinder zusammen - und jetzt?
- Ich wünsche mir Seelenverwandtschaft - und jetzt?
- Ich finde jemand anderen als meinen Partner sexy - und jetzt?
- Psychische Erkrankungen in der Partnerschaft - und jetzt?
Unsere Leserinnen und Leser haben uns für dieses Format intime oder persönliche Fragen geschickt, die sie beschäftigen. Wir haben diese Fragen mit verschiedenen Menschen besprochen und unterschiedliche Antworten erhalten – die sich mal ergänzen, mal widersprechen.
Eine Frage – verschiedene Antworten
In unserer aktuellen Ausgabe hat sich eine Person Antworten auf die folgende Frage gewünscht:
"Wie gehe ich in einer Beziehung mit Geld um, wenn einer mehr hat als der andere?"
Hier lesen Sie die Antworten, die uns Expertinnen und Experten auf die Frage gegeben haben.
Michael Kühler: Gemeinsam definieren, was in der Beziehung gerecht ist
"Hier geht es um Fairness und Gerechtigkeit, eine klassische Frage der Ethik in der Beziehung. Gerade bei Geld entsteht oft eine Asymmetrie in der Beziehung, die sich auch in anderen Bereichen niederschlägt.
Wie selbstständig sind die einzelnen Beziehungspersonen noch, wenn die Person, die weniger verdient, finanziell abhängig wird von der anderen Person? In einer Liebesbeziehung würde man typischerweise die geliebte Person ja nicht übers Ohr hauen oder einen in erster Linie für sich selbst guten Deal herausschlagen wollen.
Man kann sich also zusammen fragen, wie man bestimmte Kosten – Miete, täglichen Bedarf und so weiter – fair aufteilen kann. Häufig würde man sagen, 50:50. Wenn jetzt aber eine Person deutlich mehr verdient als die andere, könnte man auch die Kosten gemäß den finanziellen Möglichkeiten beider aufzuteilen: Wenn die eine Person doppelt so viel verdient wie die andere Person, könnte eine Person ein Drittel der Kosten und die andere zwei Drittel übernehmen. Oder man kann es so machen, dass die eine Person sämtliche Kosten übernimmt für Haushalt, die andere Person sämtliche Kosten für den Hund. Ziel ist immer, eine gemeinsame Lösung zu finden, die beide aus freien Stücken als fair ansehen können.
Wichtig dabei ist, dass man tunlichst versucht, Abhängigkeiten zu vermeiden. Und vor allem, dass man im praktischen Miteinander nicht plötzlich darauf zurückverweist, dass man mehr als die andere Person zahlt. Man nimmt dann genau die Perspektive ein, die man nicht einnehmen sollte: Man versucht zu feilschen und hat vor allem die eigenen Interessen im Auge. Man könnte allenfalls sagen, dass man die bisherige Lösung nicht mehr als fair empfindet und man gemeinsam eine neue faire Lösung finden sollte.
Wenn man das Thema Fairness in einen größeren Kontext in der Beziehung setzt, kann man sich auch fragen: Wie ist die Beziehung gestaltet, dass sie auf verschiedenen Ebenen so funktioniert, dass beide zustimmen würden, dass sie fair ist. Man muss versuchen, das in offener Kommunikation auf verschiedenen Ebenen deutlich zu machen: Wer macht welche Haushaltstätigkeiten, wer kümmert sich um die Kinder, wer füttert den Hund und so weiter. Man verteilt die Aufgaben auf eine Weise, dass es auf anderen Ebenen ausgeglichen wird und man gemeinsam der Ansicht sein kann, die Aufteilung ist insgesamt fair."
Über den Gesprächspartner
- Prof. Dr. Michael Kühler hat die Professur für Angewandte Ethik in der gesellschaftlichen Verantwortung an der Fachhochschule Dortmund.
- Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die Philosophie der Liebe.
Paula Lambert: Offen über Geld sprechen und klären, wer was zahlt
"Ihr einigt euch darauf, wer was bezahlt. Es muss ganz klar sein, dass Dinge nicht über euer Budget geplant werden.
Zum Beispiel Reisen: Wenn der eine sagt, dass er Business-Class nach Thailand fliegen will und der andere, dass er sich eigentlich nur eine Busreise nach Italien leisten kann, dann lädt entweder der, der mehr Geld hat, den anderen ein oder er gibt etwas dazu, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Das ist ganz, ganz wichtig.
Oder man einigt sich auf etwas, das beide bezahlen können. Das ist wie in einer WG. Legt was in den Topf und schaut, was ihr davon kaufen könnt. Oder aber der andere sagt, dass er mehr übernimmt. Zum Beispiel für Reisen oder wenn die Waschmaschine kaputt ist. Und vor allen Dingen finde ich, dass man nicht gegen die tatsächlichen Realitäten arbeiten sollte. Es ist, wie es ist. Und damit muss man umgehen. Macht es nicht so kompliziert."
Über die Gesprächspartnerin
- Die Journalistin und Podcasterin
Paula Lambert ist Expertin für Liebes- und Sexfragen. - Sie hat mehrere Bücher über Beziehungen geschrieben und gibt in ihrem Podcast "Paula Lieben Lernen" sowie auf Instagram (@therealpaulalambert) Tipps zu Liebe, Sex und Partnerschaft.
Torsten Geiling: Verhandeln, was sich finanziell stimmig anfühlt
"Das ist Verhandlungssache. Es gibt Menschen, die sagen: Wer den Geldbeutel dabei hat - der zahlt. Andere wiederum teilen sich die Kosten prozentual nach dem jeweiligen Einkommen auf.
Ich persönlich sage immer, wenn ich in einer Beziehung bin und Kinder habe, dann ist das am Ende alles eins. Man kann das natürlich vorher in einem Ehevertrag regeln, wie das Vermögen im Falle einer Scheidung aufgeteilt wird. Grundsätzlich sollte man aber frühzeitig darüber sprechen, um unnötigen Stress zu vermeiden und zu klären, wie man mit den Finanzen umgehen möchte.
Die Frage ist: Was möchte ich mir in einer Beziehung finanziell zutrauen? Wenn der Mann mehr verdient und die Frau nur halbtags arbeitet, könnte er zum Beispiel mehr für die Miete übernehmen, alles andere wird dann gemeinsam geregelt. Letztlich ist das eine Verhandlungssache, für die es keine allgemeingültige Lösung gibt."
Über den Gesprächspartner
- Torsten Geiling ist Kommunikationswissenschaftler und systemischer Coach. Er berät und begleitet Menschen, die eine Beziehung beenden wollen, vor, während und nach einer Trennung.
- Er schreibt Ratgeberbücher wie "Ich will mich trennen". Sein neues Buch trägt den Titel "Du wusstest doch, dass ich Kinder habe!".
Sharon Brehm: Verstehen, was Geld für einen selbst und den anderen bedeutet
"Geld ist ein sehr, sehr häufiges Thema in meiner Arbeit, weil es so messbar ist. Am Geld sehen wir, wer mehr gibt und wer weniger bekommt. Wir können daran die Augenhöhe und viele andere Sachen festmachen. Deswegen geht es selten um den tatsächlichen Wert. Es geht selten um den einen Euro oder die zwei Euro hin und her. Vielmehr geht es oft darum, was wir mit Geld verbinden.
Prinzipiell würde ich empfehlen, darüber ganz offen zu reden. Zum einen sollte man sich Fragen stellen wie: 'Was hast du über Geld gelernt? Bist du jemand, der lieber spart oder gerne investiert? Wie war das bei deinen Eltern? Gab es eine klassische Rollenverteilung, bei der der Mann sich um alles Finanzielle kümmerte und die Frau wenig darüber wusste?' Damit beginnt man, über Geld zu sprechen.
Der zweite Schritt ist dann oft die Frage: 'Was machen wir mit dem Geld?' Nehmen wir an, man fährt gemeinsam in den Urlaub. Sieht unsere Art von Fairness so aus, dass beide gleich viel beisteuern? Das ist eine Möglichkeit. Eine andere wäre, dass man anteilig einen Beitrag leistet. Oder eben, dass jeder seinen Teil zahlt. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass 'Jeder zahlt seinen Teil' funktioniert. Spätestens, wenn man Kinder hat oder einen gemeinsamen Haushalt führt, wird es aber schwierig. Da würde ich ein gemeinsames Konto empfehlen.
Der nächste Aspekt hängt eben auch von Fragen ab wie: 'Welche Verbindung habe ich zu Geld? Habe ich übertrieben Angst, dass ich mit einem Golddigger zusammen bin und derjenige nur mein Geld übernimmt?' Wenn ja, müsste ich mir überlegen, mit wem ich eigentlich zusammen bin. Es geht auch um solche Themen wie Ausgleich. Wie großzügig kann ich sein, wenn ich derjenige bin, der mehr bezahlt, ohne das Gefühl zu haben, ausgenutzt zu werden? Umgekehrt ist es für die andere Person ja manchmal nicht einfach, mehr Geld zu bekommen oder im Rückstand zu sein. Auch ein Bewusstsein dafür zu haben, dass es für die Person, die mehr Geld bekommt, nicht immer angenehm ist, ist wichtig.
Wenn man merkt, dass man eine Lösung gefunden hat, kann man das ausprobieren. Und wenn man nach einem halben Jahr merkt, dass es nicht die optimale Lösung war, kann man das immer noch ändern. Es ist nicht in Stein gemeißelt."
Über die Gesprächspartnerin
- Dr. Sharon Brehm ist systemische Paartherapeutin und bietet Sitzungen in München sowie virtuell an.
- Sie hat mehrere Bücher über Beziehungen geschrieben, darunter den "Spiegel"-Bestseller "wiederherzgestellt".
Die Redaktion hat sich bereits mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigt:
- Ist über Geld reden in der Beziehung tabu? Umfrage fällt deutlich aus
- Frauen und Geld: 5 Tipps für alle Lebensphasen