Unter unseren Füßen tobt ein unsichtbarer Kampf. Im Mittelpunkt steht die Argentinische Ameise, eine der gefährlichsten invasiven Arten der Tierwelt. Trotz ihrer winzigen Körpergröße eliminiert sie ihre Feinde gnadenlos und hat sich mittlerweile über mehrere Kontinente ausgebreitet.

Die Argentinische Ameise (Linepithema humile) ist als Individuum den meisten ihrer Feinde unterlegen: Sie misst gerade einmal zwei bis drei Millimeter und besitzt nur winzige Zangen – und dennoch verdrängt sie andere Ameisenarten aus deren Heimat und rottet sie teilweise sogar aus.

Denn eine Kolonie der Argentinischen Ameise übertrifft die anderer Arten zahlenmäßig oftmals bei Weitem. Greift eine Kolonie, die über chemische Signale miteinander kommuniziert, ein fremdes Nest an, kann sie Verluste in den eigenen Reihen daher mühelos verkraften. Gegen die schier unendliche Masse an Argentinischen Ameisen haben nur wenige Gegner eine echte Chance.

Bei ihren Schlachten geht sie zudem erbarmungslos vor. Die Arbeiterinnen schmieren zunächst giftige Chemikalien auf ihre Feinde, überfluten sie dann und reißen ihnen Fühler und Beine aus. Danach fressen sie die Brut und übernehmen das Nest. Wird die gegnerische Königin getötet, ist die Kolonie dem Untergang geweiht.

"Die Argentinische Ameise hat die Fähigkeit, extrem schnell zu rekrutieren und sie tritt in großer Zahl auf", bestätigt Bernhard Seifert, einer der führenden Ameisenforscher Europas, im Gespräch mit unserer Redaktion. Wer in einem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ameisenarten die Oberhand behalte, hänge aber von einer Vielzahl von Faktoren ab: "In vielen Fällen ist derjenige im Vorteil, der über die wirksameren chemischen Abwehrstoffe verfügt."

Verändertes Sozialverhalten außerhalb Südamerikas

Mittlerweile ist die Argentinische Ameise in allen subtropischen Zonen Nord- und Südamerikas, Afrikas, Europas, Asiens und Ozeaniens verbreitet. Ursache ist – wie so oft – der Mensch. Bis Ende des 19. Jahrhunderts lebt die Argentinische Ameise ausschließlich im Paraná-Delta in Argentinien. Doch als "blinder Passagier" reiste sie mit Handelsschiffen nach New Orleans in den USA und nach Madeira in Europa, erreichte danach das europäische Festland und breitete sich weiter rasant aus.

Außerhalb ihrer ursprünglichen Heimat zeigt die Argentinische Ameise ein völlig anderes Sozialverhalten als in Südamerika. Während die Nester im Paraná-Delta meist nur eine Königin haben und sich Kolonien untereinander sowie mit anderen Arten aggressiv bekämpfen, leben außerhalb dieses Gebiets meist 15 bis 20 Königinnen in einem Nest und die Arbeiterinnen sind friedlich zueinander und unterstützen sich sogar bei der Nahrungssuche.

Grund dafür ist der sogenannte Gründereffekt: Aus wenigen verschleppten Argentinischen Ameisen ist eine genetisch wenig vielfältige Population entstanden – besonders bei den Genen für die sogenannten kutikulären Kohlenwasserstoffe, die der Kolonieerkennung dienen. Da alle Nachkommen eine ähnliche chemische Signatur tragen, erkennen sich die Ameisen gegenseitig als zugehörig und zeigen selbst über große Distanzen hinweg keine Aggression.

Superkolonien mit Billionen von Ameisen

Zusätzlich werden fortlaufend etwa 90 Prozent der eigenen Königinnen getötet, um den jungen, fruchtbareren Königinnen Platz zu machen, was die genetische Vielfalt innerhalb der Kolonie weiter verringert. Das Ergebnis ist eine Superkolonie, die sich teils über Tausende Kilometer und mehrere Kontinente erstreckt.

Die Argentinische Ameise hält sich Blattläuse wie Nutztiere. © Getty Images/iStockphoto/Heather Broccard-Bell

"Die Argentinische Ameise ist eine superkoloniale Ameise – das bedeutet, dass sie riesige Kolonien mit Hunderttausenden, teils sogar Millionen von Königinnen bildet. Entsprechend umfasst eine solche Superkolonie Milliarden, in Extremfällen sogar Billionen von Arbeiterinnen", erklärt Seifert.

Die größte bekannte Superkolonie der Argentinischen Ameise ist die südeuropäische Superkolonie, die sich über 6.000 Kilometer von Italien bis Nordostspanien erstreckt. Solch riesige Superkolonien sind im Tierreich und selbst unter den über 14.000 bekannten Ameisenarten äußerst selten.

Doch Argentinische Ameisen sind nicht immer friedfertig zueinander: Im US-amerikanischen San Diego County treffen seit Jahrzehnten zwei Superkolonien mit unterschiedlichem Ursprung und Duftprofil aufeinander und bekämpfen sich erbittert. Dabei sterben schätzungsweise jährlich rund 30 Millionen Ameisen.

Ameisen halten Blattläuse als Nutztiere

Der weltweite Siegeszug der Argentinischen Ameise stellt ein ernsthaftes Problem für einige Ökosysteme dar. Mit ihren unzähligen Arbeiterinnen und Königinnen verdrängt sie heimische Arten und bringt das ökologische Gleichgewicht ins Wanken. Dabei bedroht sie nicht nur andere Ameisen, sondern auch viele Insekten, Spinnen und Kleintiere, die wichtige Funktionen im Nahrungsnetz erfüllen.

Große Kolonien haben einen enormen Futterbedarf. Neben Insekten ernähren sich Argentinische Ameisen vor allem von energiereichem Honigtau. Um an diesen zu gelangen, halten sie Blattläuse wie Nutztiere: Sie pflegen sie, fördern ihre Vermehrung und verteidigen sie aktiv gegen Fressfeinde wie Marienkäfer. Durch den verstärkten Blattlausbefall leiden viele Pflanzen erheblich. In der Landwirtschaft entstehen teils erhebliche Ernteverluste.

Laut der Invasive Species Specialist Group (ISSG) der International Union for Conservation of Nature (IUCN) zählt die Argentinische Ameise zu den 100 schlimmsten invasiven Arten weltweit. Hat sie sich einmal in einem Gebiet etabliert, ist es kaum noch möglich, sie wieder loszuwerden. "Die einzige Chance, invasive Ameisen erfolgreich zu bekämpfen, besteht darin, sie frühzeitig zu erkennen, also in einem sehr kleinen, initialen Stadium der Kolonie", bestätigt Seifert.

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Verbreitung über Gartencenter

Um die Ausbreitung invasiver Ameisenarten einzudämmen, sieht der Experte vor allem den Menschen in der Verantwortung. "Man sollte möglichst keine fremdländischen Pflanzen unbedacht in den eigenen Garten holen", warnt er. Genau dort beginne das Problem. "Gartencenter sind die Haupteinfallspforten für invasive Ameisenarten. Klassischerweise werden sie in der Erde von Topfpflanzen eingeschleppt. Die invasiven Ameisenarten können sich nicht selbstständig über große Distanzen ausbreiten. Ihre Ausbreitung erfolgt durch den Menschen."

Obwohl die Argentinische Ameise bereits vereinzelt in Deutschland nachgewiesen worden ist, droht sie hierzulande noch nicht zur dauerhaften Plage zu werden. Ihre aktuelle Hauptverbreitungsgrenze liegt laut Seifert an der französischen Atlantikküste auf Höhe von Bordeaux. Woran das liegt? Niedrige Temperaturen. Mit dem fortschreitenden Klimawandel könnte sich ihr Lebensraum jedoch weiter nach Norden ausdehnen.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Bernhard Seifert ist ein deutscher Entomologe und einer der führenden Myrmekologen, also Ameisenforscher, Europas. Seit über vier Jahrzehnten erforscht er die Taxonomie, Soziobiologie, Ökologie und Evolution von Ameisen.

Verwendete Quellen

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