Die größte Epidemie der Meere bei einer nicht-kommerziell genutzten Art rafft im Pazifik seit mehr als zehn Jahren Milliarden Seesterne dahin, mit ökologischen Folgen. Eine Studie hat jetzt den Verursacher des Massensterbens ermittelt.

Seit 2013 wütete ein Massensterben von Seesternen entlang der nordamerikanischen Pazifikküste von Mexiko bis nach Alaska. Das stellte Forschende vor ein Rätsel. Dieses scheint nun gelöst: Ein Forschungsteam aus Kanada und den USA hat die Ursache der Katastrophe ermittelt.

Die Gruppe um Melanie Prentice von der University of British Columbia in Vancouver macht im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution" das Bakterium Vibrio pectenicida für die Epidemie verantwortlich, die weitreichende ökologische Schäden verursachte.

Großes Seestern-Sterben im Pazifik

Aquakulturen eine Rolle bei der Verbreitung der Erreger
Die Forscherin Alyssa Gehman vom Hakai-Institut zählt und misst Sonnenblumen-Seesterne im Burke Channel an der Zentralküste von British Columbia. © dpa / Bennett Whitnell/Hakai Institute

Das Seestern-Sterben sei die größte dokumentierte Epidemie der Meere bei einer nicht-kommerziell genutzten Art, schreibt das Team. Betroffen waren mehr als zwei Dutzend Arten, doch am schlimmsten wütete die Seuche unter den Sonnenblumen-Seesternen (Pycnopodia helianthoides). Die Art war einst von Mexiko bis Alaska weit verbreitet, inzwischen ist sie vielerorts verschwunden und gilt als vom Aussterben bedroht.

Das Verschwinden dieser Seesterne löste eine Kettenreaktion aus: Denn dadurch vermehrten sich Seeigel - ihre bevorzugte Beute - massiv. Diese wiederum konnte dadurch unbehindert die Kelpwälder entlang der Pazifikküste abweiden.

Tests bestätigen: Bakterium für Massensterben der Seesterne verantwortlich

Die Ursache des Seestern-Sterbens war rätselhaft - lange Zeit galt ein Virus als Hauptverdächtiger. Das Team um Prentice ermittelte die Ursache nun durch eine Serie von sieben Experimenten zwischen 2021 und 2024. Dabei setzte es gesunde, in Gefangenschaft aufgezogene Seesterne Gewebe oder Flüssigkeit von erkrankten Seesternen aus. Wurden Gewebe und Flüssigkeit gefiltert, so blieben die Sterne gesund - was ein Virus als Ursache ausschloss.

Weitere genetische Analysen ermittelten dann V. pectenicida als Hauptverdächtigen - genauer: dessen Stamm FHCF-3. Bestätigt wurde der Verdacht, indem das Team das Bakterium aus erkrankten Seesternen isolierte, dann im Labor vermehrte und schließlich gesunden Seesternen injizierte.

Diese Tiere entwickelten daraufhin die typischen Symptome, etwa verdrehte und später abfallende Arme und Auflösung des Körpers. Die genauen Mechanismen der Epidemie - etwa die Beteiligung eines von den Bakterien gebildeten Giftstoffes - kennt das Team nicht.

Erholung der Seesterne ungewiss

In einem "Nature"-Kommentar schreibt Kevin Lafferty von der University of California in Santa Barbara, die Ursache des Seestern-Sterbens, die ein Jahrzehnt lang mysteriös geblieben sei und Milliarden von Seesternen dahingerafft habe, sei nun geklärt. Allerdings bleibe die Erholung der Seestern-Bestände und der Ökosysteme ungewiss.

Aquakulturen eine Rolle bei der Verbreitung der Erreger
Eine der Folgen des Seesternsterbens: Seeigel breiten sich aus. © dpa / Grant Callegari/Hakai Institute

Nun müsse man die Übertragungswege klären. Da das verursachende Bakterium oft Muscheln befalle, sei es möglich, dass sich Seesterne beim Verzehren solcher Beute infizierten. Möglicherweise gebe es inzwischen auch V.-pectenicida-Stämme, die sich direkt unter Seesternen verbreiten könnten.

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Zudem müsse geklärt werden, ob Aquakulturen eine Rolle bei der Verbreitung der Erreger spielten, schreibt Lafferty. Aquakultur sei für die Verbreitung auch anderer Erreger verantwortlich, und V. pectenicida sei anfänglich in Muschel-Kulturen entdeckt worden. (Walter Willems, dpa/bearbeitet von sbi)

Teaserbild: © dpa / Bennett Whitnell/Hakai Institute