Der Waldrapp mit seinem nackten Kopf und langen Schnabel gilt als einer der seltensten Vögel der Welt – und wird heute durch spektakuläre Auswilderungsprojekte zurückgebracht.

Mit seinem schimmernd schwarzen Gefieder, dem langen, gebogenen Schnabel und dem nackten rötlichen Kopf wirkt der Waldrapp fast wie aus einer anderen Zeit. Tatsächlich zählt er zu den seltensten und am stärksten bedrohten Vogelarten weltweit.

Einst in Mitteleuropa verbreitet, verschwand der Waldrapp im 17. und 18. Jahrhundert aufgrund von Bejagung und Lebensraumverlust aus Deutschland. Heute gilt er als "vom Aussterben bedroht" und wird durch aufwendige Schutz- und Auswilderungsprogramme langsam wieder in Europa angesiedelt.

Der Waldrapp: Ein Vogel wie aus einer anderen Zeit

Der Waldrapp (Geronticus eremita) erreicht eine Größe von bis zu 67 Zentimetern und ist unverkennbar: Neben dem nackten roten Kopf trägt er am Hinterkopf einen auffälligen Schopf, seine langen roten Beine und der charakteristische Schnabel machen ihn zu einem extravaganten Erscheinungsbild in der Vogelwelt.

Die Vögel leben in Kolonien und zeichnen sich durch ein starkes Sozialverhalten aus. Beide Eltern kümmern sich um Brut und Aufzucht der Jungen. Ihre Nahrung ist vielfältig: Regenwürmer, Insekten, kleine Wirbeltiere, aber auch Wurzeln und Beeren gehören zum Speiseplan.

Besonders bemerkenswert ist das Zugverhalten: Anders als bei vielen anderen Arten ist es nicht genetisch festgelegt, sondern wird von Generation zu Generation innerhalb der Kolonie erlernt. Genau hier setzen moderne Auswilderungsprojekte an, um die Vögel wieder an funktionierende Zugrouten zu gewöhnen.

Ein Projekt zur Rettung des Waldrapps

Um das Aussterben dieser einzigartigen Art zu verhindern, hat die Organisation Waldrappteam Conservation & Research ein ehrgeiziges Projekt ins Leben gerufen: Junge Waldrappe werden von Menschenhand großgezogen und anschließend ausgewildert. Das Besondere daran: Sie lernen ihre Zugroute nicht instinktiv, sondern von Zieheltern, die sie sogar mit einem Ultraleichtflugzeug in ihr Winterquartier führen. Da es in Mitteleuropa keine wilden Vorbilder mehr gibt, übernehmen Menschen diese Rolle.

Schon wenige Tage nach dem Schlüpfen kommen die Küken zu sogenannten Zieheltern. Später ziehen sie in ein Trainingscamp, wo sie lernen, einem Ultraleichtflugzeug zu folgen. Die Zieheltern steuern das Fluggerät und bringen die Vögel Schritt für Schritt auf Kurs.

Wenn die Tiere stark genug sind, beginnt die große Reise in den Süden. In Etappen von rund 180 Kilometern pro Tag werden die Jungvögel von ihren menschlichen Begleitern über die Alpen bis in ein Winterquartier in Italien geführt. Dort verbringen sie zunächst Zeit in einer Voliere, bevor sie in die Freiheit entlassen werden. Dieser Übergang wird "Soft Release" genannt.

Damit die Forscher die Vögel weiter beobachten können, tragen die meisten Tiere leichte, solarbetriebene GPS-Sender. Diese liefern Daten über ihre Routen, das Verhalten und mögliche Gefahren. So können Schutzmaßnahmen gezielt verbessert werden – etwa an Stromleitungen, die für viele Vögel ein Risiko darstellen.

Erfolg für den Artenschutz?

Die Rückkehr des Waldrappen nach Mitteleuropa ist eine Erfolgsgeschichte des modernen Artenschutzes – wenn auch eine fragile.

Empfehlungen der Redaktion

Noch immer gilt die Art global als hochgradig gefährdet. Nur durch intensive Schutzmaßnahmen, langfristige Finanzierung und internationale Zusammenarbeit besteht die Chance, dass der auffällige Vogel eines Tages wieder ohne menschliche Hilfe in den Himmel über Europa aufsteigen kann. (ncz)

Verwendete Quellen

  © 1&1 Mail & Media/spot on news