2015 ist Russland als Großmacht auf die Weltbühne zurückgekehrt. Mit militärischen Manövern demonstriert Wladimir Putin die Stärke seiner Streitkräfte – und er schickt Soldaten in den Krieg gegen den IS. Aktuell macht Russland mit Operationen im Schwarzen Meer auf sich aufmerksam. Wie stark ist Russlands Militär?

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Die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei sind extrem angespannt. Seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets am 24. November geraten beide Länder immer wieder aneinander.

Inzwischen hat sich der Streit weg von der syrischen Grenze hin zum Schwarzen Meer verlagert. Dort kam es innerhalb von 24 Stunden gleich zu zwei Zwischenfällen. Am Sonntag und Montag hatte die russische Marine ein türkisches Schiff zur Kursänderung gezwungen.

Besonders aufhorchen lässt, dass Wladimir Putin Kampfhubschrauber auf einer armenischen Militärbasis nahe der Türkei stationieren lässt.

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Russische Militärbasen im postsowjetischem Raum südlich von Russland. (östliche Gebiete ausgenommen) © 1&1 Mail & media/ Stepmap

Dass Moskau wieder ein ernstzunehmender Gegenspieler ist, zeigt der Zustand seiner Streitkräfte. Russland hat zu militärischer Stärke zurückgefunden.

Noch vor Jahren galt die russische Armee als überholt, gar antiquiert. Der Einmarsch in Georgien 2008 zeigte eklatant, wie marode die Truppe war.

Vor allem in den Bereichen Ausrüstung und Ausbildung machten sich die katastrophalen Zustände bemerkbar.

Russland reformiert und rüstet auf

Seit der Blamage von 2008 hat sich viel geändert. Wladimir Putin – damals Ministerpräsident – und Präsident Dimitri Medwedew ließen die Armee generalüberholen. Aus einer als "Blechbüchse" verspotteten Armee wurde nach und nach eine schlagkräftige Streitmacht.

Verkrustete Strukturen wurden aufgebrochen, die Militärbezirke von sechs auf vier reduziert und umorganisiert, die Schlagkraft der Truppe optimiert und die Ausbildung der Soldaten massiv verbessert.

Der Anteil der Berufssoldaten wurde erhöht, die Zahl der Offiziere reduziert und die Zahl der Generäle verkleinert.

Dafür wurde 2008 ein Aufrüstungs- und Modernisierungsprogramm im Sinne eines "New Look" befohlen und die Militärdoktrin des Kremls umgeschrieben. Die 2010 per Erlass in Kraft gesetzte "Medwedew"-Doktrin erweitert den militärischen Einsatz von Truppen im Ausland.

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Russlands Streitmacht ist in vier Militärbezirke unterteilt. Deren Hauptquartiere (HQ) befinden sich in St. Petersburg, Rostow am Don, Jekaterinburg und Kabarowsk. Quelle: Russian Military Capability in a Ten-Year Perspective – 2013 © 1&1 Mail & Media/Stepmap

Russland investiert Milliarden

Intensiv mit dem russischen Aufrüstungs- und Modernisierungsprogramm auseinandergesetzt hat sich Professor Dr. Albert Alexander Stahel von der Universität Zürich. Eine seiner Abhandlungen berichtet wie folgt:

Um frischen Nachwuchs sicherzustellen, soll bis 2016 der Bestand an Freiwilligen schrittweise auf 425.000 Mann erhöht werden. Als Anreiz wurde zudem die Erhöhung des Solds beschlossen.

Auch die Luftverteidigung habe eine gründliche Reform erfahren. Sie wurde mit der Luftraumverteidigung verschmolzen.

Das ohnehin gewaltige Reformprojekt wurde durch ein Aufrüstungsprogramm von über 770 Milliarden US-Dollar ergänzt – für den Zeitraum von 2011 bis 2020.

Die Streitkräfte sollen bis Ende dieser Periode mit modernsten Waffen ausgestattet werden. In diesem Rahmen hat Putin am vergangenen Freitag die komplette Ausrüstung des Nukleararsenals mit neuen Waffen angeordnet.

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Russlands Militär in Zahlen. Quelle: Russian Military Capability in a Ten-Year Perspective – 2013 © 1&1 Mail & Media/ Stepmap

Neuer Superpanzer T-14 Armata

Um die Ausstattung der Streitkräfte mit modernstem Gerät sicherzustellen, fördert Russland die Forschung und Entwicklung neuer Waffen. Dazu gehört auch der neue Superpanzer T-14 Armata.

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Flottenhauptquartiere. Quelle: Russian Military Capability in a Ten-Year Perspective – 2013 © 1&1 Mail & Media/ Stepmap

Von den Streitkräften wird der 50 Tonnen schwere Koloss aus der Rüstungsschmiede Uralvagonzavod als Inbegriff einer neuen Panzer-Generation angepriesen. Experten loben die Kampfmaschine als "erste echte Innovation Russlands seit dem Zerfall der Sowjetunion".

Mächtig aufgerüstet werden auch die Luftstreitkräfte. Bis 2020 sollen sie 600 neue Kampflugzeuge erhalten. Zudem wird die Produktion von Kampfhubschraubern hochgefahren. 1.000 neue Helikopter stehen bis 2020 auf dem Plan.

Russlands Streitkräfte

Wie stark ist Putins Militär also derzeit? Stahel hat dazu die wichtigsten Kernpunkte aus der Studie Russian Military Capability in a Ten-Year Perspective - 2013 des schwedischen Forschungsinstituts für Verteidigungsfragen (FOI) wie folgt herausgearbeitet:

Die Streitkräfte gliedern sich in Heer-, See- und Luftstreitkräfte mit insgesamt 702.000 aktiven Soldaten. Darunter finden sich 220.000 Offiziere, 186.000 Berufssoldaten und 295.710 Wehrpflichtige.

Ab 2017 soll die Truppe wachsen. Geplant sind 915.000 Soldaten. Laut des "Global Firepower Index" stehen fast 2,5 Millionen Reservisten bereit.

  • Das Heer: Das Heer selbst verfügt über 285.000 Mann. Der eigentliche Kampfverband des Heeres - die Brigade - besteht aus 2.700 Mann. Insgesamt hat Russland über 79 einsatzbereite Kampfbrigaden. Hinsichtlich der technischen Ausstattung ist Russland bestens ausgerüstet: Es kann mit 2.800 Kampfpanzern, 18.260 Kampfschützenpanzern und gepanzerten Transportfahrzeugen sowie 5.436 Artilleriegeschützen aufwarten. Zudem befinden sich 18.000 Kampfpanzer, 15.500 Schützenpanzer, 21.695 Artilleriegeschütze in den Depots.
  • Russische Luftwaffe: Die Luftwaffe verfügt über 150.000 Soldaten. Sie soll auf 1.460 Kampfflugzeuge, 100 schwere Transportflugzeuge und eine Flotte von 105 Mittelstreckenbombern Tu-22M3 zurückgreifen können.
  • Russische Marine: Zur Marine gehören 130.000 Seeleute, vier Flotten und eine Flottille. Im Arsenal befinden sich nuklearangetriebene U-Boote mit Marschflugkörpern(SSGN) und nuklearangetriebene Jagd-U-Boote (SSG) sowie dieselelektrische Jagd-U-Boote (SSN).

Russlands Nuklearstrategische Triade

Zu Russlands Militär gehört auch die sogenannte Nuklearstrategische Triade. Zu ihr gehören die strategischen Raketenstreitkräfte, die strategischen nuklearangetriebenen U-Boote mit ballistischen Flugkörpern sowie die Bomberverbände der Langstreckenluftwaffe. Im Arsenal befinden sich insgesamt 8.500 nukleare Gefechtsköpfe.

Verteidigungsminister Sergej Schoigu zufolge befinden sich 95 Prozent des strategischen Nukleararsenals der Atommacht in ständiger Kampfbereitschaft. Im laufenden Jahr habe die Armee bereits 35 neue ballistische Raketen und 1.172 moderne Panzer sowie Kurzstreckenraketen vom Typ Iskander erhalten, sagte Schoigu.

Daneben hätten die Rüstungsbetriebe dem Militär zehn strategische Tupolew-Bomber mit interkontinentaler Reichweite übergeben - darunter die Tu-160, die als weltweit größtes Kampfflugzeug gilt. Nach Angaben des Ministers wurden auch die Atom-U-Boote "Alexander Newski" und "Wladimir Monomach" in Dienst gestellt.

Russland auf Platz zwei der größten Militärmächte der Welt

"Russland sieht sich neben den Vereinigten Staaten als zweite Supermacht", sagte der ehemalige Nato-General Harald Kujat bereits im Mai im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Nuklearstrategisch ist Russland schon immer eine Supermacht gewesen, militärisch konventionell in den vergangenen Jahren eher nicht. Aber das hat sich geändert. Putin will neben den USA ein gleichberechtigter Partner sein."

Der Nato-Botschafter der USA, Douglas Lute, zeigte sich jüngst von der russischen Streitmacht beeindruckt. Innerhalb kürzester Zeit gelang es Russland Hunderte Soldaten und Kriegsgerät in Syrien zusammenzuziehen.

"Für einen schnellen Aufmarsch innerhalb etwa einer Woche ist die Streitmacht, die sie da unten im Einsatz haben, eigentlich ziemlich beeindruckend", sagte Lute Anfang Oktober in Brüssel.

Laut "Global Firepower Index" befindet sich Russland momentan auf Platz zwei der größten Militärmächte der Welt - hinter den USA.

Mit Material der dpa.
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