Die Liebe zu finden, ist schwer. Ein gutes Date auch. Ein neues Dating-Format möchte das ändern - und das ohne Swipen auf Tinder und Co., sondern (fast) ganz analog. Was hinter "Love At First Slide" steckt.

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"Es ist echt Horror", sagt Katja. "Fast noch schlimmer als 'ne Wohnungssuche." Und das will in München was heißen. Katja sitzt in einer Bar in der bayerischen Landeshauptstadt und spricht über Tinder, Bumble und Co. "Die Profile sind fast alle gleich. Wenn man nicht gern wandern geht, ist es ganz schwierig", sagt sie. "Und die Leute sind teilweise auch zu gut aussehend, dass man sich gar nicht traut, zu swipen."

Katja hat - um es vorsichtig zusammenzufassen - keine große Lust mehr auf Online-Dating. Sie sagt: "In echt sind die Leute immer ein bisschen menschlicher." Darum ist sie an diesem Abend mit einer Freundin in die kleine, schummrige Bar in der Münchner Innenstadt gekommen, um sich verschiedene PowerPoint-Präsentationen anzuschauen.

Große Liebe per PowerPoint?

Die haben Menschen zusammengestellt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Single-Freunde unter die Haube zu bringen - sei es nur für den einen Abend, die Nacht oder gar für einen längeren Lebensabschnitt. "Love At First Slide" (etwa: Liebe auf die erste PowerPoint-Folie) heißt das Format, das es inzwischen in Köln, Berlin, Hamburg und eben auch München gibt.

Wer Interesse an den vorgestellten Singles hat, kann Dating-Kärtchen mit seinem Instagram-Profilnamen ausfüllen - ganz analog geht es dann doch nicht - und sie direkt abgeben oder in vorbereitete Schüsseln für die Singles werfen.

Das Publikum ist im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30, die Stimmung ist gut, gelöst und entspannt. Dazu trägt auch Dragqueen Vicky Voyage als Moderatorin bei. "Ein toller Abend für Leute, die eine Alternative zum Online-Dating suchen und die auch einfach ihre Freunde und Freundinnen sehr gerne mögen und diese Liebe auch gerne zeigen und sich gegenseitig sagen", beschreibt die Projektleiterin Fine Stammnitz das Ziel des Abends.

Medienanthropologin: "Reaktion auf Swipe-Kultur"

Und damit scheinen die Veranstalter einen Nerv zu treffen. "Wir beobachten Gegenbewegungen zu den sozialen Praktiken im Internet. So versuchen Menschen beispielsweise – im Gegensatz zu den stilisierten Selbstdarstellungen auf Instagram –, sich in kleineren Kreisen von Freunden und Bekannten natürlicher zu präsentieren", sagt Sahana Udupa, Professorin für Medienanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

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"Dieser Trend ist nicht universell, doch es gibt gezielte Bestrebungen, ältere Formen des Kennenlernens wiederzubeleben, bei denen physische Zusammenkünfte, leibliche Interaktionen und persönliche Einführungen durch vertrauenswürdige Freunde eine zentrale Rolle spielen. Dies ist eine direkte Reaktion auf die durch Dating-Apps geprägte Swipe-Kultur."

"Mal was ganz anderes", sagt ein Teilnehmer des Abends wie zur Bestätigung. "Ich kriege auch keine Fingerstarre vom ständigen Links-und-rechts-Swipen." Und: "Im echten Leben kriegt man doch immer noch mehr Chemie mit, als einfach nur beim Online-Dating."

"Dating-Fatigue" und "emotionale Erschöpfung"

Rund 7,5 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln auf Dating-Plattformen wie Tinder oder Bumble unterwegs. 61 Prozent der deutschen Internet-Nutzerinnen und -Nutzer zwischen 16 und 29 Jahren haben schon mal eine Dating-App genutzt; über alle Altersklassen hinweg sind es 33 Prozent.

"Während 2023 noch eher ein gewisser Optimismus oder Elan zu spüren war, online fündig zu werden, ist inzwischen eine Dating-Fatigue eingetreten. Die meisten Menschen (...) würden lieber offline jemanden kennenlernen", sagt Barbara Engels vom IW. "Das hat damit zu tun, dass Online-Dating oft mehr Frust als Erfolgserlebnisse liefert: endloses Swipen, oberflächliche Matches, Ghosting. Hinzu kommen Risiken wie Fake-Profile, Datenmissbrauch und emotionale Erschöpfung durch ständige Verfügbarkeit. Die App verspricht Liebe auf Knopfdruck, liefert aber oft nur digitale Erlebnisse ohne echte Verbindung."

Und das wird sich ihrer Einschätzung nach durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Chatten noch verstärken. Engels sieht darum durchaus einen Trend hin zu analogen Formaten: "Die Dating-Müdigkeit befeuert analoge Formate, allerdings ohne das Online-Dating zu verdrängen." (dpa/bearbeitet von tar)