Am Abend des 15. Aprils 2019 steht der Dachstuhl der berühmten Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen. An der Seine beginnt eine lange Nacht des Bangens. Eine Chronologie.

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Die Kathedrale Notre-Dame ist eines der bedeutendsten Wahrzeichen von Paris. An dem geschichtsträchtigen Ort krönte Napoleon sich selbst zum Kaiser – und 1918 fanden dort die Feierlichkeiten zum Ende des Ersten Weltkriegs statt. Der Bau der gotischen Kirche, der im Jahr 1163 begann, dauerte fast 200 Jahre. In nur einer Nacht drohte das weltberühmte Bauwerk 2019 den Flammen vollständig zum Opfer zu fallen. Eine Rekonstruktion der Stunden, die nicht nur Paris in Atem hielten.

Der Brand von Notre-Dame - Eine Chronik

18:20 Uhr: In Notre-Dame ertönt ein erster Alarm – aber der Sicherheitsbeauftragte kann kein Feuer feststellen. Erst gut 20 Minuten später, als der Alarm wieder losgeht, entdeckt der Wachmann den Brandherd in Holzbalken unterm Dach.

18:50 Uhr: Rauch steigt inzwischen in den Pariser Abendhimmel. Wenig später schon gehen Bilder bedrohlicher Flammen und einer riesigen Rauchsäule über dem Wahrzeichen der französischen Hauptstadt um die Welt.

19:19 Uhr: Französische Medien berichten unter Berufung auf die Feuerwehr, dass der Brand mit Renovierungsarbeiten an der Kirche zusammenhängen könnte. Am Dach ist ein Baugerüst aufgestellt.

19:21 Uhr: Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vermeldet das "schreckliche Feuer" über den Kurznachrichtendienst Twitter. Sie bittet die Stadtbewohner und Besucher darum, Sicherheitsabstand zu halten.

19:42 Uhr: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verschiebt eine wichtige Fernseh-Ansprache, die er am Abend halten wollte. Es sollte um die Ergebnisse einer monatelangen Bürgerdebatte als Reaktion auf die Gelbwesten-Proteste gehen. Stattdessen macht sich der Staatschef auf den Weg zur Kathedrale.

Brand von Notre-Dame: Der Moment, als der Spitzturm einstürzt

19:50 Uhr: Der kleine Spitzturm, der im 19. Jahrhundert auf das Mittelschiff gebaut worden war, bricht unter den Flammen zusammen. "Alles brennt. Vom Dachstuhl wird nichts mehr übrig sein", bedauert ein Sprecher von Notre-Dame.

20:00 Uhr: Die französische Tageszeitung "Le Monde" vermeldet Probleme bei den Löscharbeiten: Der Wasserstrahl reiche nicht weit genug, um die Flammen, die aus der Kathedrale schlagen, zu erreichen. Eine Redakteurin vor Ort berichtet, dass inzwischen erste Feuerwehrleute in den zweiten Stock zwischen die beiden Türme vorgerückt seien, um das Feuer von dort zu bekämpfen.

20:09 Uhr: Der Stellvertreter der Bürgermeisterin, Emmanuel Grégoire, spricht beim Fernsehsender BFM TV: Man versuche nun, Kunstwerke aus der Kathedrale zu retten. Die Sicherheit aber habe höchste Priorität: Anwohner und Touristen müssten vor einem möglichen Zusammensturz bewahrt werden.

20:17 Uhr: Das Feuer breitet sich auf das gesamte Dach aus. Mehrere Hundert Feuerwehrleute sind im Einsatz, heißt es aus dem Pariser Rathaus. Die Löscharbeiten gestalten sich weiterhin kompliziert.

20:36 Uhr: Hunderte Pariser sind auf den Straßen nahe der Kathedrale, sie bangen und trauern gemeinsam um das historische Gebäude: Mal schweigen sie, mal singen sie.

20:38: Immer wieder fragen Menschen in den sozialen Netzwerken und über die Medien, warum keine Löschflugzeuge eingesetzt werden. Ein Vorschlag, den auch US-Präsident Donald Trump per Twitter nach Paris gesendet hat. Ein solcher Einsatz könnte die nun fragile Konstruktion jedoch zum Einsturz bringen, erklärt der Zivilschutz.

20:50 Uhr: Die Pariser Staatsanwaltschaft ordnet eine Voruntersuchung an, um die Brandursache zu ermitteln.

21:00 Uhr: Erneut steigen Flammen und Rauch vom Nordturm der Kathedrale auf.

21:29 Uhr: Das Feuer wütet noch immer. Während Teile des Dachs eingestürzt sind, hält das Baugerüst den Flammen weitgehend Stand.

Keine Todesopfer, mehrere Leichtverletzte

21:37 Uhr: Das Innenministerium gibt bekannt, dass es keine Todesopfer und bislang auch keine Verletzten gibt. Am nächsten Morgen wird sich herausstellen, dass sich zwei Polizisten und ein Feuerwehrmann im Einsatz leicht verletzt haben.

21:39 Uhr: "Wir sind nicht sicher, ob wir die Ausbreitung der Flammen in den Glockenturm nach Norden stoppen können", sagt ein Sprecher der Pariser Feuerwehr. Er gibt bekannt, dass 400 Kolleginnen und Kollegen im Einsatz sind.

22:41 Uhr: Die Dornenkrone und die Tunika von Saint Louis sind gerettet. Bei der Dornenkrone soll es sich dem Glauben vieler Katholiken nach um jene handeln, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung trug.

22:50 Uhr: Vier Stunden nach Beginn des Brandes läuten in Paris und mehreren Vororten Kirchenglocken: Ausnahmsweise öffnen die Gotteshäuser auch nachts, um Menschen zum Gebet und zum gemeinsamen Innehalten einzuladen.

22:53 Uhr: Der Staatssekretär des Innenministers, Laurent Nunez, hat gute Nachrichten: Die Struktur des Gebäudes ist gerettet, das Feuer hat an Intensität verloren. Auch ein Sprecher der Feuerwehr bestätigt: Die Struktur der Kathedrale bleibt erhalten. Zwei Drittel des Dachs sind jedoch zerstört.

Macron: "Werden diese Kathedrale wieder aufbauen"

23:35 Uhr: Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit dankt vor Ort den Feuerwehrleuten – und betont: "Heute ist Paris im Gebet, alle Kirchen sind offen. Wir sind alle geeint in diesem großen Unglück." Nach ihm spricht Emmanuel Macron: "Wir werden diese Kathedrale wieder aufbauen. Notre-Dame de Paris ist unsere Geschichte, unsere Literatur." Der Staatschef kündigt eine Spendenaktion an, schon jetzt haben Franzosen Geld für die Rettung der Kirche gesammelt.

00:15 Uhr: Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat sich ein erstes Bild von der Zerstörung gemacht: Auf Höhe des Dachs befindet sich ein großes Loch, dort ist der Turm ins Kirchenschiff eingebrochen. Der Altar und sein Kreuz sind erhalten. "Es ist nicht so schlimm, wie ich befürchtet habe", sagt die Stadtchefin. Glück im Unglück: Wenige Tage zuvor waren 16 Statuen – die der zwölf Apostel sowie der vier Evangelisten – für Restaurationsarbeiten vom nun eingestürzten Turm abgenommen worden.

00:28 Uhr: Es brennt noch immer im Inneren der Kathedrale.

00:42 Uhr: Religiöse und künstlerische Schätze konnten gerettet werden. Am nächsten Tag steht eine Bestandsaufnahme der Werke und der Kunst im Gebäudeinneren an – noch ist unsicher, wie stark sie durch Rauch und Wasser beschädigt worden sind.

01:06 Uhr: Die wohlhabende Unternehmer-Familie Pinault, Inhaber der Kering-Gruppe, kündigt an, 100 Millionen Euro für Notre-Dame zu spenden.

03:40 Uhr: Ein Sprecher der Pariser Feuerwehr gibt bekannt, dass das Feuer "vollständig unter Kontrolle" ist – und teilweise gelöscht.

08:33 Uhr: Die Spendensumme steigt beträchtlich: Der Luxusgüterhersteller LVMH und die dahinterstehende Familie Arnault kündigen an, 200 Millionen Euro für den Wiederaufbau zu geben. Ein halbes Jahr nach dem Feuer wird sich die zugesagte Spendensumme auf 922 Millionen Euro belaufen.

09:38 Uhr: Endlich: Das Feuer ist aus, melden die Einsatzkräfte. Dennoch bleiben 100 Kollegen vor Ort, um die Stabilität des Bauwerks zu überwachen – und vor allem, um weitere wertvolle Werke herauszuholen. Das wird noch den ganzen Tag dauern.

Der Stand heute

Ein Jahr nach dem verheerenden Feuer sind die Türen der Kathedrale, durch die sonst rund 13 Millionen Besucher pro Jahr eintreten, verschlossen. Schnell hatte Emmanuel Macron versichert, dass Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren wieder aufgebaut werden soll. Ein Versprechen, dessen Einhaltung viele Experten anzweifeln. Ein riesiger Baukran schwebt über dem Gebäude, 200 Tonnen verkohlte Balken und Trümmer sind inzwischen weggeräumt.

Das Baugerüst, das in den Flammen teilweise geschmolzen ist, steht aber noch. "Dieses Gerüst abzubauen, ohne dass das Gewölbe einstürzt, ist immer noch das Schwierigste", sagte die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner der Deutschen Presse-Agentur. Sie koordiniert die deutsche Unterstützung beim Wiederaufbau. Während des Brandes ist Blei geschmolzen, was die Arbeiten ebenfalls erschwert. Und nun das Coronavirus: Wie sehr es den Fortschritt verzögert, wird sich erst noch zeigen.

Die Brandursache

Die Brandursache ist nicht abschließend geklärt. Einen Anschlag oder eine Brandstiftung schließen die Behörden sicher aus. Am wahrscheinlichsten ist ein Kurzschluss – an einem Schaltschrank oder an Elektromotoren der Aufzüge zu den Baugerüsten. Auch eine achtlos weggeworfene Zigarette könnte das Feuer entfacht haben.

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