Nach dem Amoklauf an einer Schule in Graz gedachte das Land mit einer Trauerminute der Opfer. Noch immer fehlen Antworten auf wichtige Fragen.

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Einen Tag nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule mit elf Toten ist am Mittwoch um 10:00 Uhr eine österreichweite Gedenkminute abgehalten worden. Die heimischen Kirchen beteiligten sich mit Trauergeläut, in Wien wurde auch die Trauerglocke des Stephansdoms, die "Halbpummerin", geläutet. Der ORF unterbrach sein TV- und Radioprogramm, die Wiener Linien hielten rund 900 Öffi-Fahrzeuge für eine Minute an. Beim Ministerrat wurde zu Beginn ebenfalls eine Trauerminute abgehalten.

Menschen legen eine Schweigeminute in Graz ein. © picture alliance/AP/Darko Bandic

Nach der Tat steht auch die Suche nach dem Motiv des 21-jährigen Österreichers im Fokus. Der Mann hatte am Dienstag an seiner ehemaligen Schule in Graz mit zwei Schusswaffen zehn Menschen getötet und danach Suizid begangen. Offen ist auch die genaue Identität der Opfer.

Die Polizei hat bisher sieben weibliche und drei männliche Opfer bestätigt. Unter ihnen soll auch eine Lehrerin sein.

Ein Abschiedsbrief des 21-Jährigen geht nach Darstellung der Polizei nicht auf etwaige Gründe für seinen Amoklauf ein. Allerdings gewinnt auch in den Augen von Experten die These, dass jahrelanges Mobbing zu Rachegelüsten geführt hat, an Plausibilität.

Grundsätzlich sei an Schulen zu beobachten, dass eine steigende Zahl an jungen Menschen sich nicht mehr ausreichend wahrgenommen fühle, was zu latenter oder offener Gewalt führen könne, sagt der Leiter des Schulärztlichen Dienstes der Steiermark, Josef Zollneritsch.

Alle Verletzten stabil

Laut der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) waren am Mittwoch alle Verletzten stabil. So befinden sich im LKH-Universitätsklinikum insgesamt noch sechs Patientinnen und Patienten. Vier von ihnen sind noch auf der Intensivstation, zwei konnten bereits auf die Normalstation verlegt werden. Eine Person, die am Dienstag noch in kritischem Zustand war, befindet sich nun wie die anderen in stabilem Zustand, wie die APA berichtet.

Im LKH Graz II/West wird eine verletzte Person betreut. Dieser gehe es gut, sie sei stabil, aber weiterhin auf der Intensivstation. Im UKH Graz werden vier Patienten versorgt. Sie alle sind ebenfalls in stabilem Zustand. "Folgeoperationen sind bei einem Opfer mit Gesichtsverletzungen und einem weiteren mit Knieverletzung notwendig", hieß es am Mittwoch in einer Aussendung der KAGes.

Hunderte Menschen bei Trauergottesdienst

Die Trauer im Land und in Graz, der mit 300.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Österreichs, ist groß. Am Abend kamen Hunderte Menschen zu einem Trauergottesdienst in die Stadt, im Zentrum bildeten zahlreiche Kerzen in Erinnerung an die Toten ein Lichtermeer. Die österreichische Bundesregierung unter Kanzler Christian Stocker (ÖVP) hatte eine dreitägige Staatstrauer beschlossen die Trauerminute ist Teil davon.

Nach Amoklauf in Graz
Trauernde zünden Kerzen für ein Lichtermeer im Stadtzentrum an. © dpa / Heinz-Peter Bader/AP/dpa

Viele Veranstaltungen abgesagt

Zahlreiche politische und gesellschaftliche Veranstaltungen wurden mit Blick auf das dramatische Geschehen abgesagt oder verschoben. Dazu zählt ein Bundesparteitag der FPÖ sowie ein Landesparteitag der ÖVP. Auch die NEOS haben ihre für das kommende Wochenende geplanten Mitgliederversammlungen verschoben, wie die APA berichtet. Ein neues Datum sei noch in Ausarbeitung, die Bundesmitgliederversammlung werde wahrscheinlich im Herbst stattfinden, hieß es seitens der Partei am Mittwoch.

Unter dem Eindruck des Geschehens, das Kanzler Stocker als "nationale Tragödie" beschrieb, riefen praktisch alle Parteien zu gesellschaftlicher Solidarität auf. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf X: "Heute und in den schweren Tagen, die kommen, wird unser Land zeigen, dass in diesem Miteinander unsere Stärke liegt."

Am Tag nach dem Amoklauf wurden laut APA zudem immer mehr Veranstaltungen im Kultur- und Wissenschaftsbereich abgesagt: So findet etwa die für Mittwoch geplante "MQ Pride Night" nicht wie geplant statt und die Uni Graz sagt die Verleihung des Oberhummer Awards für Wissenschaftskommunikation an Eckart von Hirschhausen ab. Ebenfalls gestrichen wurden etliche Aufführungen im Zuge des Theaterfestivals SCHÄXPIR in Linz. Die Oper Graz und das Schauspielhaus setzen ihren Betrieb "mindestens bis einschließlich Donnerstag" aus. Bei anderen Veranstaltungen finden Schweigeminuten statt.

Debatte über Waffengesetze ist zu erwarten

Dennoch bahnt sich eine Diskussion über die Waffengesetze in Österreich an, die längst nicht so scharf sind wie in Deutschland. Bestimmte Gewehre kann praktisch jeder 18-Jährige kaufen. Für eine Faustfeuerwaffe, wie sie der Amokschütze einsetzte, ist eine Waffenbesitzkarte nötig. Die wurde dem jungen Mann nach einem psychologischen Test auch ausgestellt.

Deshalb stellen sich umso mehr Fragen, ob die Hürden für den Erwerb, den Besitz oder das Führen von Waffen hoch genug sind. Auch eine Diskussion um die generelle Gewährleistung der Sicherheit an Schulen ist zu erwarten. (dpa/APA/bearbeitet von tas und nap)

Hilfsangebote

  • Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800/1110-111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
Teaserbild: © picture alliance/AP/Darko Bandic