Am 1. Dezember 2019 tritt Charles Michel die Nachfolge von Donald Tusk an: Er wird neuer Präsident des Europäischen Rates. Doch wer ist der Belgier und was sind seine Ziele? Wir stellen den 43-Jährigen vor.

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Am 2. Juli 2019 wurde der Belgier Charles Michel vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt. Er tritt damit am 1. Dezember 2019 die Nachfolge von Donald Tusk an.

Sein Ziel, so Charles Michel, sei "ein vereintes Europa, in dem die nationalen Verschiedenheiten geachtet werden". Für ihn bilden "Solidarität, Freiheit und gegenseitiger Respekt das Herzstück Europas".

Politik bestimmt sein Leben von Kindesbeinen an

Charles Michel wurde am 21. Dezember 1975 im wallonischen Namur in der Nähe von Brüssel geboren. Sein Vater ist der ehemalige belgische Außenminister und spätere EU-Kommissar und EU-Abgeordnete Louis Michel. Charles Michel studierte Jura in Brüssel und Amsterdam, seit 1998 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

Mit gerade mal 43 Jahren blickt er schon auf eine mehr als 20-jährige Politikerkarriere zurück: Mit 18 Jahren bekam er einen Sitz im Regionalparlament, mit 23 Jahren war er jüngster Abgeordneter im belgischen Parlament, mit 24 Jahren wallonischer Innenminister, mit 32 Jahren belgischer Entwicklungsminister und mit 36 Jahren Chef der wallonischen Liberalen – der Partei Mouvement Réformateur (MR) –, der einzigen Partei aus dem frankophonen Teil Belgiens.

Im Oktober 2014 wurde Charles Michel belgischer Premierminister und lenkte die Föderalregierung aus flämischen Christdemokraten, flämischen Liberalen und der rechtsnationalen Partei des Flamen Bart de Weber. Obgleich Vertreter des kleineren Koalitionspartners, wurde er Premierminister – ein Novum in Belgien. Ende 2018 kam es zum Bruch der Koalition mit den flämischen Konservativen, so dass er danach nur noch geschäftsführend agierte.

Ein überzeugter Europäer

Der liberale Politiker ist engagierter und überzeugter Europäer. In seiner Funktion als Premierminister eines vergleichsweise kleinen Landes stimmte er sich oft und gerne mit den europäischen Partnern ab. Als Regierungschef Belgiens hat er es verstanden, europäische Netzwerke zu knüpfen.

Er unterhält enge, beinahe freundschaftliche Beziehungen insbesondere zu Angela Merkel und Emmanuel Macron, aber auch zu Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und dem ehemaligen, bis Juni 2019 regierenden dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen.

Ein Mann der Kompromisse

Charles Michel kennt sich mit Kompromissen aus. Mit viel Geschick leitete er als Premierminister Belgiens die schwierige Koalition, die oft auch als "Kamikazekoalition" bezeichnet wurde.

Während seiner Amtszeit bewies er viel Verhandlungsgeschick und bemühte sich stets um Konsens. So gelang es ihm unter anderem, schwierige und überfällige Reformen auf den Weg zu bringen, nicht ohne dabei das Gleichgewicht zwischen flämischen und wallonischen Interessen aus den Augen zu verlieren.

Sein Verhandlungsgeschick und seine Kompromissbereitschaft werden gefragt sein, wenn er als EU-Ratspräsident zwischen den Staats- und Regierungschefs von 28 EU-Staaten wird vermitteln müssen.

Politische Freunde und Gegner

Michel tritt die Nachfolge von Donald Tusk nicht zuletzt deshalb an, weil er zur liberalen Parteienfamilie gehört und außerdem als Vertrauter von Emmanuel Macron gilt. Sicher ist seine Wahl teilweise auch der Tatsache geschuldet, dass er gerade frei war, weil er bei den belgischen Wahlen am 26. Mai dieses Jahres abgewählt worden war.

Charles Michel sucht zwar den Kompromiss, allerdings nicht um den Preis seiner politischen Überzeugungen. Als während der Flüchtlingskrise sein Koalitionspartner Front gegen Merkel machte, brachte er seine Hochachtung für Merkel zum Ausdruck. Als es innerhalb der Koalition zum Streit über die Flüchtlingspolitik kam und die flämischen Nationalisten verhindern wollten, dass Belgien den UN-Migrationspakt in Marrakesch unterschreibt, kündigte er im Dezember 2018 nach einer Amtszeit von vier Jahren seinen Rücktritt als Regierungschef an. Dass er damit den Bruch der Koalition in Kauf nahm, brachte ihm internationale Anerkennung ein.

Der Vermittler, der den Konflikt nicht scheut

Sein Vater Louis Michel beschreibt ihn als diplomatisch und ausgewogen. "Eine seiner Stärken ist der Respekt, den er gegenüber anderen Menschen zeigt, sowie die Tatsache, dass er anderen zuhören kann", zitiert freiheit.org Vater Louis.

Charles Michel ist erst der dritte Ratsvorsitzende, aber bereits der zweite Belgier. Während der erste Ratsvorsitzende, der flämische Christdemokrat Herman Van Rompuy versuchte, nicht anzuecken und daher eher im Hintergrund blieb, sorgte der Pole Donald Tusk in einigen EU-Ländern immer wieder für Irritationen, wenn er versuchte, die Agenda zu bestimmen und die EU-Politik in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Der neue Ratsvorsitzende Charles Michel hingegen wird seine Aufgabe primär als Vermittler im Sinne aller EU-Staaten sehen.

Verwendete Quellen:

  • consilium.europa.eu: Charles Michel, gewählter Präsident des Europäischen Rates
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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