Österreich steht unter Druck: Die EU hat ein Defizitverfahren eingeleitet, da das Budgetdefizit die erlaubte Grenze überschreitet. Finanzminister Marterbauer sieht dennoch keinen Grund zur Sorge.
Die EU-Finanzminister haben bei ihrem Treffen am Dienstag in Brüssel offiziell die Eröffnung eines EU-Defizitverfahrens gegen Österreich beschlossen. Der Rat folgt damit der Empfehlung der EU-Kommission. Auch der heimische Fiskalstrukturplan wurde final gebilligt. Er zeigt die Maßnahmen und Reformen auf, um das Budgetdefizit wieder unter die erlaubte 3-Prozent-Grenze zu bringen. Für Österreich ist Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) in Brüssel.
Marterbauer betonte am Dienstag vor dem Rat, alle weiteren Veranlassungen im Defizitverfahren seien klar: "Wir werden von der Europäischen Kommission aufgefordert, Maßnahmen vorzulegen, wie das übermäßige Defizit, das ja ein Erbe der letzten Regierung ist, mittelfristig abgebaut werden kann. Wir haben die entsprechenden Beschlüsse schon im Nationalrat mit dem Doppelbudget gefasst." Österreich sei "auf sehr gutem Weg, plangemäß das Defizit abzubauen".
Grund für das Defizitverfahren ist, dass Österreich mit seinem Budgetdefizit von 4,7 Prozent des BIP im vergangenen Jahr und den geplanten 4,5 Prozent heuer klar über der erlaubten Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung der sogenannten Maastricht-Kriterien der EU liegt. Die EU-Kommission hatte Anfang Juni in ihrem Frühjahrspaket zum sogenannten Europäischen Semester für Österreich ein übermäßiges Defizit festgestellt und die Empfehlung eines Verfahrens angekündigt.
Österreich muss fristgerecht reagieren
Laut der von der Kommission vorgeschlagenen Ratsempfehlung wird Österreich eine Frist bis zum 15. Oktober 2025 gesetzt, um aktiv zu werden und die notwendigen Maßnahmen vorzulegen. "Danach sollte Österreich mindestens alle sechs Monate über die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung berichten, und zwar im Frühjahr im Rahmen seines jährlichen Fortschrittsberichts und im Herbst im Entwurf des Haushaltsplans, bis das übermäßige Defizit korrigiert worden ist", heißt es weiter. Und: "Österreich sollte daher das übermäßige Defizit bis 2028 beseitigen."
Das Budgetdefizit soll laut Plänen heuer auf 4,5 Prozent des BIP sinken und im nächsten Jahr 4,2 Prozent betragen, 2028 will die Regierung wieder aus dem EU-Defizitverfahren herauskommen. Der Konsolidierungsbetrag soll heuer 6,4 Milliarden betragen, im kommenden Jahr 8,7 Milliarden. Marterbauer betonte am Montag, er habe "keinen Grund, an der Erreichung der Budgetziele zu zweifeln". Er sehe auch keinen "Imageschaden" für Österreich und auch keine Probleme auf den Finanzmärkten. Österreich sei "eine der stärksten Volkswirtschaften Europas".
FPÖ wirft ÖVP Wählertäuschung vor
"Die Einleitung des Verfahrens kommt nicht überraschend. Nach einem Defizit von 4,7 Prozent des BIP im vergangenen Jahr und voraussichtlichen 4,5 Prozent im Jahr 2025 war dieses Verfahren absehbar und unausweichlich. Mit dem Beschluss des Doppelbudgets 2025 und 2026 hat Österreich bereits wichtige Maßnahmen hin zur Budgetkonsolidierung gesetzt. Um, wie geplant, 2028 die geforderte Unterschreitung der 3 Prozent Grenze zu erreichen, müssen wir die vereinbarten Maßnahmen nun auch im Vollzug einhalten", sagte Finanzminister Marterbauer nach der heutigen Entscheidung.
Die FPÖ sieht die Verantwortung für das Defizitverfahren in erster Linie bei der ÖVP, der sie am Dienstag einmal mehr "Wählertäuschung" in Bezug auf die Defizitentwicklung vor der Nationalratswahl vorwarf. Mit dem Defizitverfahren habe die Dreierkoalition das erste zentrale Wahlversprechen gebrochen, meinte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz. "Selbstverständlich ist das ein Prozess der Österreich natürlich auch teilentmündigt, was zumindest das Finanzgebaren betrifft", entgegnete Hafenecker gegenteiligen Versicherungen des Finanzministers.
Für die Industriellenvereinigung dürfe das Defizitverfahren nicht als Ausrede dienen, drängende Strukturreformen weiter hintanzustellen: "Vielmehr muss die Regierung den Zeitraum des Defizitverfahrens dazu nutzen, diese Strukturreformen in der Verwaltung, der Bildung, bei den Pensionen und der Gesundheit anzugehen. Gleichzeitig braucht es auch effiziente und überlegte konjunkturbelebende Maßnahmen. Wir müssen dieses Zeitfenster sinnvoll nutzen, um nicht nur den Staatshaushalt schnell in Balance zu bringen, sondern auch die Konjunktur durch strukturelle Maßnahmen anzukurbeln und den Staat endlich zukunftsfit aufzustellen. Andernfalls droht Österreich in die Regionalliga abzusteigen und eine längerfristige Stagnationsphase", heißt es in einer Stellungnahme. (APA/bearbeitet von amb) © APA