Sollen Chats leichter überwacht werden dürfen? Geht es nach der ÖVP, lautet die Antwort "Ja". Die Oppositionsparteien sind anderer Meinung - und schießen sich noch bei weiteren Themen gegen die Regierung ein.
FPÖ und Grüne haben vor der letzten Nationalratssitzung vor der Sommerpause Kritik an Regierungsvorhaben geübt. Einig war man sich bei der Messenger-Überwachung - diese sei eine "Überwachungsfantasie der ÖVP", so Grünen-Chefin Leonore Gewessler und FPÖ-Verfassungssprecher Michael Schilchegger. Im Plenum thematisieren wollen die Grünen per dringlichem Antrag die Verschärfung des Waffengesetzes, die FPÖ die überarbeiteten internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO.
Die Messenger-Überwachung bringe "keinen Mehrwert an öffentlicher Sicherheit, sondern weniger", kritisierte Schilchegger am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Das Problem liege dabei weniger auf der rechtlichen als auf der technischen Seite.
Denn die Schadsoftware lasse sich nicht einschränken, sodass sie nur auf Nachrichten und nicht auf alle Daten auf dem Endgerät zugreife. Zudem lasse sie Sicherheitslücken bewusst offen, die von Dritten ausgenutzt werden könnten. Außerdem wäre keiner der bisherigen islamistischen Terroranschläge dadurch verhindert worden.
Grüne: Es wurden schon Journalisten und Politikerinnen überwacht
Ähnliche Kritik äußerten die Grünen. In anderen Ländern - und zwar europäischen Rechtsstaaten - seien etwa Journalisten oder Oppositionspolitikerinnen überwacht worden, sagte Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba, der NEOS und SPÖ vorwarf, "in Rekordtempo umgefallen" zu sein. An Chatverläufe könne man über Hausdurchsuchungen kommen. Wird die Messenger-Überwachung für Gefährder am Mittwoch in ihrer aktuellen Form beschlossen, werden die Grünen eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüfen, stellte Zorba fest.
Mit Unverständnis reagierte ÖVP-Sicherheitssprecher Ernst Gödl. Grüne und FPÖ würden die Gefährderüberwachung skandalisieren - "ohne aber selbst einen Plan vorzulegen, wie man Terror in Österreich künftig effektiv verhindern kann", betonte er in einer Aussendung.
Dringliche Anträge zu Waffengesetz und WHO
Die Oppositionsparteien kündigten jeweils einen dringlichen Antrag an - einmal zum Waffengesetz an ÖVP-Innenminister Gerhard Karner (Grüne), einmal zur WHO an SPÖ-Gesundheitsministerin Korinna Schumann (FPÖ). Die Grünen wollen, dass Privatpersonen - mit Ausnahmen etwa für Jägerinnen oder Sportschützen - überhaupt keine Schusswaffen mehr besitzen dürfen.
Jeder Mensch habe ein Recht auf Schutz vor Waffen, meinte Justizsprecherin Alma Zadić. Vernünftig sei, dass Waffenbesitzkarten künftig nur noch für acht Jahre ausgestellt werden sollen und so regelmäßig die Verlässlichkeit überprüft werden könne. Inkonsequent sei aber, dass das nur für neue Waffenbesitzkarten gelten soll. Dass es für Jägerinnen und Jäger keine psychologischen Tests brauche, sei außerdem nicht nachvollziehbar.
Mit ihrem dringlichen Antrag zur WHO wollen die Freiheitlichen einen Einspruch der Bundesregierung gegen die Änderung der internationalen Gesundheitsvorschriften erreichen. Indem der Generaldirektor der WHO künftig eine pandemische Notlage ausrufen könne, werde viel "Macht in die Hände eines Einzelnen gelegt", warnte FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch.
Auf die Frage zum Erkenntnisgewinn aus den insgesamt 827 parlamentarischen Anfragen, welche die FPÖ zur Corona-Zeit eingebracht hat, verwies die Abgeordnete darauf, dass die Beantwortungen derzeit noch ausgewertet würden. Es habe sich jedenfalls rentiert, denn "auch keine Antwort ist eine Antwort" und man behalte sich vor, nachzufragen, wenn Antworten nicht gegeben wurden.
FPÖ sieht bei Social-Media-Novelle "Tabubruch"
Die FPÖ stemmt sich auch gegen die von den Grünen mitgetragene geplante Änderung des Parteiengesetzes. Die Neuregelung der Social-Media-Accounts von Politikern sei ein "Tabubruch und ein Freibrief zum Rechtsbruch", so FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.
Aus Sicht der Freiheitlichen ist die ursprünglich geplante und vielfach kritisierte rückwirkende Geltung durch die angekündigte Einigung von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen noch nicht vom Tisch. Es reiche nicht, die betreffende Formulierung durch einen Abänderungsantrag zu streichen, sondern die Geltung für laufende Verfahren müsse positiv formuliert werden, meinte Schilchegger.
Kritik übte die FPÖ auch an der neuen Teilpension, die am Donnerstag beschlossen werden soll. Belakowitsch befürchtet dadurch "massive Verschlechterungen" für alle, die künftig in Pension gehen. Es sei "schäbig" von der Regierung, die Neuregelung als Erfolg zu verkaufen, während es "nur ein Belastungspaket" sei.
Der Regierung unterstellte Belakowitsch zudem, dass die "eiskalte Erhöhung des Pensionsantrittsalters" in Form des sogenannten Nachhaltigkeitsmechanismus längst beschlossen und nur auf 2030 verschoben worden sei. "Dahin soll es gehen: Arbeiten bis 70 Jahre." (APA/bearbeitet von ank)