Sieben Jahre ist es her, dass Donald Trump einen G7-Gipfel in Kanada spektakulär scheitern ließ. Nun findet das Treffen wieder in dem US-Nachbarland statt. Und die Sorge vor einem Eklat geht erneut um. Finden die G7 einen Weg, mit Trump umzugehen?

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Die Weltpolitik im Krisenmodus: Drängende Themen warten, wenn die Chefs der sieben großen westlichen Industriestaaten im kanadischen Kananaskis zusammenkommen.

Doch das Treffen steht dieses Mal vor allem im Schatten von US-Präsident Donald Trump. Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus nimmt er an dem Gipfel teil.

Für die übrigen Staatsführer ist das die größte Herausforderung des Gipfels. Wie geht man mit dem unberechenbaren Republikaner um, besänftigt ihn und bindet ihn ein?

Und vor allem: Wie verhindert man diplomatische Schäden?

Die Sorge vor einem Eklat treibt die anderen Staaten um

Bei dem Treffen steht letztlich die Handlungsfähigkeit der westlichen Staatengruppe in einer aus den Fugen geratenen Welt auf dem Spiel. Die G7 verstehen sich traditionell als Hüter einer dialogorientierten und regelbasierten Weltordnung. Ein Ausscheren der USA würde den Westen als globalen Akteur weiter schwächen – zur Freude Russlands und Chinas.

Und die Sorge, dass Trump einen Eklat provozieren und den Gipfel platzen lassen könnte, treibt die übrigen Politiker im Vorfeld des Gipfels um. Beim letzten G7-Gipfel in Kanada 2018 zog er nach seiner Abreise seine Unterschrift unter das Abschlussstatement zurück, weil er sich über den damaligen kanadischen Premierminister geärgert hatte. Ein diplomatischer Affront.

Generell hält Trump nicht viel von multilateralen Institutionen wie den G7 und misstraut diesen zutiefst. Das hat er in der Vergangenheit immer wieder deutlich gemacht.

Die Europaexpertin Rachel Rizzo von der Denkfabrik Atlantic Council sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Trump sieht solche Foren vor allem als Einengung der USA". Sie seien für ihn kein "geeignetes Mittel, Macht und Einfluss der USA auszuweiten." Druck von Seiten der G7-Partner werde sich Trump nicht gefallen lassen.

Gerade deswegen wertet etwa der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz den Gipfel als Test. Es gehe darum, wie sich Trump "in einer Teamsituation" verhalte, wie es einer seiner Berater formuliert.

Die Mission: Die G7 zusammenzuhalten

Das vorderste Ziel von Deutschland, Kanada, Frankreich, Japan, Italien und Großbritannien dürfte deshalb sein: Mögliche Dispute mit den USA einzuhegen, um die G7 zu erhalten.

Das ist auch das Hauptziel von Merz. "Das Wichtigste ist, dass wir es schaffen, als G7 ein Signal der Einigkeit zu senden", heißt es aus dem Berliner Kanzleramt. Ähnlich formuliert es ein Berater von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris: Es gehe um die "Einheit der G7".

Doch aus dem Umfeld des Gastgebers kommen derweil ernüchternde Töne. Das Land, das Trump mehrfach aufrief, Teil der USA zu werden, blickt pessimistisch auf seinen Nachbarn. "Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr", erklärte Kanadas Premierminister Mark Carney etwa.

Trump hat viele Partner verprellt – finden sie wieder zusammen?

So offen wie Carney sagen das wenige. Doch insgeheim denken dürften es sich viele Staaten. In seinen fast fünf Monaten im Amt hat Trump in schwindelerregendem Tempo Hand angelegt an die Demokratie und das Verfassungssystem in den USA. Auch international hat er einen Partner nach dem anderen vor den Kopf gestoßen. Keine leichte Ausgangssituation für ruhige, diplomatische Gespräche.

Und Themen gibt es einige. An einem der vielen Krisenherde eskalierte die Lage seit Freitag: Israel und der Iran liefern sich seither die bisher größte militärische Auseinandersetzung in ihrem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt.

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Währenddessen tobt der Krieg in der Ukraine weiter. Trump hatte immer wieder versprochen, für Frieden sorgen zu wollen. Doch bislang ohne wirklichen Erfolg. Die Europäer hoffen nun, ihn davon überzeugen zu können, dass seine Bemühungen um Frieden in der Ukraine nur dann Erfolg haben können, wenn der Druck auf Russland erhöht wird.

Deswegen soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag die Gelegenheit bekommen, noch einmal für weitere Unterstützung zu werben.

Fokus auf wenig konfliktträchtige Themen

Auch in der Handelspolitik gilt es dicke Bretter zu bohren. Schon seit März erheben die USA etwa Strafzölle gegen Kanada. Und wenn bis zum 9. Juli keine Einigung erzielt wird, greifen nach derzeitigem Stand neue hohe US-Zölle auf fast alle Exporte aus der EU in die Vereinigten Staaten.

Die EU würde ihrerseits mit Zöllen auf Einfuhren aus den USA antworten. Um das zu verhindern, laufen seit Wochen Gespräche – ob sie zum Erfolg führen, ist allerdings unklar. Trump sieht Zölle nicht nur als Instrument zum Abbau des amerikanischen Außenhandelsdefizits, sondern auch als Einnahmequelle, um Steuersenkungen zu finanzieren.

Auch wegen des hohen Konfliktpotenzials solle es auf dem Gipfel viel um Themen gehen, bei denen man hofft, sich eher einigen zu können. Dazu gehören der Umgang mit künstlicher Intelligenz, Nachschubwege für kritische Rohstoffe, den Umgang mit Migration sowie – vielleicht etwas überraschend – Waldbrände. Letzteres soll dazu dienen, das Thema Klimawandel anzusprechen, das Trump sonst nicht behagt.

Wenig konkrete Beschlüsse erwartet

Wahrscheinlich dürfte der G7-Gipfel wenige konkreten politischen Maßnahmen hervorbringen. Auf eine ausführliche Abschlusserklärung, mit der ein G7-Gipfel normalerweise die gemeinsamen Positionen des Westens formuliert, will man vorne herein verzichten.

Denn ob sich Trump diesbezüglich einbinden ließe? Das kann derzeit niemand sagen. Stattdessen wird vermutlich der direkte Austausch auf Chefebene zu brisanten Themen im Fokus stehen.

Je nachdem, wie dieser abläuft, dürfte klarer werden, inwieweit die USA unter Trump zur Zusammenarbeit in multilateralen Gremien bereit sind. Das wäre ein wichtiges Signal an die Welt. Auch, weil in der Folgewoche der Nato-Gipfel in Den Haag auf dem Plan steht. Und es dort um den Fortbestand des Bündnisses in seiner jetzigen Form geht.

G7-Experte: Trump wird "die goldene Gans nicht G7 schlachten"

Der G7-Experte John Kirton von der kanadischen University of Toronto warnt vor zu viel Panik im Vorfeld des Gipfels. Trump würde "jetzt nicht die goldene Gans G7 schlachten, bevor er in zwei Jahren mit seinem 'größten und besten Gipfel aller Zeiten' vor der ganzen Welt glänzen kann", sagt Kirton.

Denn 2027 sollen die USA Gastgeber des G7-Gipfels sein. Kirton sieht darin eine Gelegenheit für Trump, sich groß zu präsentieren. Er glaubt, der US-Präsident wird das auskosten wollen.

Ein schmaler Hoffnungsschimmer für den Zusammenhalt der großen westlichen Industriestaaten. (afp/dpa/thp)