Die politische Krise in Paris spitzt sich weiter zu. Nach nur 27 Tagen im Amt hat Premierminister Lecornu hingeworfen. Präsident Macron steht dadurch gewaltig unter Druck.

Mit dem Rücktritt von Frankreichs neuem Premierminister Sébastien Lecornu nach nur vier Wochen im Amt schaukelt sich die politische Krise in Paris weiter hoch. Noch bevor Lecornu seine neue Regierungsmannschaft komplett zusammengestellt hatte, führte ein Streit um Macht und Posten zum Bruch des Bündnisses zwischen dem Regierungslager und den Konservativen. Wie es weitergeht, ist offen.

Warum ist Frankreichs Premier zurückgetreten?

Sébastien Lecornu gab an, dass die Bedingungen für eine stabile Regierung nicht mehr gegeben seien. "Man kann nicht Premierminister sein, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind", sagte er nach der Verkündung seines Rücktritts. Er warf den politischen Parteien mangelnde Kompromissbereitschaft und eine Blockadehaltung vor. Sie würden sich verhalten, als ob sie eine absolute Mehrheit hätten, obwohl dies nicht der Fall sei.

Unmittelbarer Auslöser der Krise war ein Gerangel der Parteien um Posten bei der Regierungsbildung. Nach der Ernennung eines Teils seines neuen Teams am Vorabend sah sich der Premierminister großer Kritik ausgesetzt - vor allem von den Konservativen, die mit einem Rückzug aus der Regierung drohten.

Derzeit bilden sie ein Bündnis mit dem Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron, das im Parlament jedoch keine Mehrheit hat. Der Vorsitzende der Républicains, der in seinem Amt eigentlich bestätigte Innenminister Bruno Retailleau kritisierte die Zusammensetzung der Regierungsmannschaft.

Wie geht es nun weiter?

Präsident Macron kann nun zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten auf die Suche nach einem neuen Premierminister gehen. Angesichts der verfahrenen politischen Lage dürfte es aber sehr schwer sein, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden, der nicht von der anderen Seite gleich wieder blockiert wird. Immer wahrscheinlicher wird damit, dass Macron das Parlament auflöst und Neuwahlen ausruft. Ob dies aber zu klareren Mehrheiten in der gespaltenen Nationalversammlung führt, ist fraglich.

Stürzt nun auch Macron?

Der Präsident gerät in der Politikkrise immer mehr unter Druck. Ihm wird angelastet, die unklaren Machtverhältnisse im Parlament mit den von ihm im Sommer 2024 ausgerufenen vorgezogenen Parlamentswahlen noch verschärft zu haben, aus denen keiner der politischen Blöcke als Sieger hervorging. Da Frankreich praktisch auf die Unregierbarkeit zusteuert, dürfte der Ruf der Opposition nach Macrons Rücktritt nun noch lauter werden. Offiziell läuft Macrons Amtszeit erst im Frühjahr 2027 aus und einen vorzeitigen Rückzug hatte er immer ausgeschlossen - bisher.

Was bedeutet die Pariser Krise für Deutschland und die EU?

Frankreichs Nachbarländern macht vor allem die französische Haushaltskrise Sorgen. Längst befürchten die Partner in der Europäischen Union, dass Frankreichs Verschuldung außer Kontrolle geraten könnte und das Land damit die ohnehin schwache wirtschaftliche Entwicklung Europas bremsen könnte.

Bereits beim Regierungssturz vor vier Wochen kam die Befürchtung auf, dass sich die finanzielle Situation angesichts der politischen Lage weiter zuspitzen könnte. Die Ratingagentur Fitch stufte im September die Kreditwürdigkeit des Landes herab. Man blicke mit Sorge darauf, sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Bezug auf die Haushaltskrise. Gleichzeitig schränkte er ein: "Aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die politischen Herausforderungen in Frankreich gerade den Euroraum gefährden."

Die Europäische Kommission hatte bereits im vergangenen Jahr ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung eingeleitet. Dabei droht ein Vertrauensverlust in die Eurozone. Eine neue Eurokrise wie im vergangenen Jahrzehnt gilt unter Ökonomen im Moment aber nicht als wahrscheinlich.

Welche Auswirkungen hat die Krise auf Frankreichs Haushalts- und Schuldenproblematik?

Frankreich hat mit rund 3,3 Billionen Euro die höchsten Schulden in der Europäischen Union und reißt seit längerem die EU-Regeln zur Begrenzung der Neuverschuldung. Die Verabschiedung des dringend nötigen Sparhaushaltes dürfte sich angesichts der Krise nun in die Länge ziehen, ebenso wie erforderliche Reformen sowie konkrete Sparanstrengungen.

Empfehlungen der Redaktion

Wie reagiert die Wirtschaft?

Der überraschende Rücktritt des Premiers belastet auch den Aktienmarkt des Landes. Der Leitindex Cac 40 fiel um rund eineinhalb Prozent. Auch der Kurs des Euro geriet zum US-Dollar unter Druck. Unternehmen und Investoren, die in den vergangenen Monaten bereits zögerlich die politischen Entwicklungen abwarteten, dürften nun noch zurückhaltender mit ihren Entscheidungen sein. (dpa/bearbeitet von phs)

Teaserbild: © picture alliance/Jacovides Dominique/Pool/ABACA