Nach der Wahl des US-Amerikaners Robert Prevost zum Papst hieß es schnell, er sei Kritiker von US-Präsident Donald Trump. Dann kooperierten sie bei Friedensverhandlungen. Sind sie Gegner und Verbündete? Ein Experte klärt auf.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Dominik Bardow sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am 14. Juni könnte es in den USA zum Showdown zwischen Präsident Donald Trump und Papst Leo XIV. kommen. Während Trump an seinem Geburtstag eine Militärparade in Washington abhält, könnte der Papst in einem Baseball-Stadion in Chicago erscheinen. Die dortige Gemeinde ehrt den nun berühmten Sohn der Stadt mit einer Messe, zu der er aus dem Vatikan zugeschaltet werden soll.

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Der Auftritt per Videoleinwand ist wohl nicht als Gegenveranstaltung zur Militärparade gedacht, eher Terminfragen geschuldet, aber nährt das Narrativ, dass Trump nun einen mächtigen Gegner aus dem eigenen Land habe: Robert Francis Prevost, der Welt seit 8. Mai als Papst Leo XIV. bekannt.

Doch kann und will das Oberhaupt der katholischen Kirche überhaupt ein Korrektiv zu Trump sein?

Widersprüche: Trump-Fan oder Kritiker?

Nachdem es zunächst hieß, er sei Kritiker von Trumps Politik, gab es widersprüchliche Meldungen. Sein Bruder Louis Prevost sei Trump-Fan, er selbst als Republikaner registriert gewesen, hieß es.

Der US-Präsident schlug den Vatikan als Ort für Friedensgespräche der Ukraine mit Russland vor. Gibt es also eher Kooperation? Ein Experte kann aufklären, wofür der Papst steht und wofür nicht.

"Die Wahl kam für viele Beobachter überraschend, er galt nicht als Topkandidat", sagt der Theologe Benjamin Dahlke. "Das hat dazu geführt, dass er viel Projektionsfläche bietet. Was über ihn gesagt wird, sagt oft mehr über die Wünsche derjenigen aus, die diese Aussagen formulieren, als über ihn."

Auch wenn erstmals ein US-Amerikaner gewählt wurde, geht es der Kirche nicht primär um Trump.

Schlichtet der Papst in der Ukraine und Gaza?

"Außenpolitik ist sicherlich ein wichtiges Thema", sagt Dahlke, "aber man darf nicht unterschätzen, wie wichtig die Situation in der Kirche selbst ist." Leo XIV. komme aus der Kurie und werde diese Kirchen-Verwaltung neu aufstellen, Finanzprobleme des Vatikans in den Griff bekommen müssen. "Es sind auch innenpolitische Gründe, warum ihn die Kardinäle ausgewählt haben", sagt er.

Natürlich hat das Wort des geistigen Führers von 1,4 Milliarden Katholiken auch politisch Gewicht. So wurde viel beachtet, dass Leo ab Amtsantritt von Frieden sprach, speziell in der Ukraine und Gaza. "Die klassische Linie des Vatikans ist Überparteilichkeit, sich aus Konflikten herauszuhalten, mit allen Seiten im Gespräch zu bleiben und eventuell Verhandlungen zu ermöglichen", erklärt Dahlke.

Trump und Selenskyi nähern sich im Vatikan an

Sein Vorgänger, der verstorbene Papst Franziskus, war für die neutrale Haltung oft kritisiert worden. Noch sei unklar, wie Leo sich verhalten wird, auch wenn er den Vatikan als Verhandlungsort anbot. Der Stadtstaat beeindrucke Besucher durch seine Atmosphäre und Geschichte, auch Nicht-Christen, sagt Dahlke, "er gehört auch keinem politischen Block an, hat keine direkten Geschäftsinteressen".

Das mache ihn als Vermittler attraktiv, obwohl Russland nun lieber in Istanbul verhandeln will. So kam Trump Ukraine-Präsident Selenskyj zur Trauerfeier für Franziskus im Vatikan wieder näher.

Profitiert der US-Präsident, der den Ukraine-Krieg schnell beenden wollte, von Friedensstifter Leo? "Es geht um die Menschen in der Ukraine und in Gaza, egal, wer Frieden herstellt", sagt Dahlke.

Finanzprobleme vor Friedensarbeit?

Noch ist unklar, wohin den Papst der erste Staatsbesuch führt. Der Theologe bringt eine Reise nach Israel mit Besuch im Gazastreifen ins Gespräch, als starkes Signal, trotz aller Sicherheitsbedenken. "Es sollte nur kein Schnellschluss sein, der neue Papst muss klar Ziele formulieren und bedenken, ob er sie erreichen kann." Sonst kann der Vatikan als Friedensmacht an Glaubwürdigkeit verlieren.

Im Vatikan sei Kardinal Pietro Parolin für Außenpolitik und diskrete Gesprächskanäle zuständig. Ob Friedensarbeit Vorrang hat, lässt sich noch nicht sagen. Auch innerkirchliche Probleme drängen.

2023 machte der Vatikan 83,5 Millionen Euro Verlust, er hat ein Gesamtdefizit von zwei Milliarden Euro. Pensionskasse, Vatikanbank und Immobiliengeschäfte belasten die Bilanzen, sie brauchen Reformen.

Schwierige Themen ansprechen oder Einheit betonen?

Dazu kommen Missbrauchsskandale, wo der Papst aufklären muss, was er angeblich zuvor nicht tat. "Es gab Vorwürfe, die aber zurückgewiesen wurden", sagt Dahlke zu Robert Prevosts Zeit in Peru. Wenn es substanzielle Beweise gäbe, hätten die Kardinäle ihn sehr wahrscheinlich nicht gewählt. Dafür könnte Leo XIV. mit sehr internationaler Vita ein Versöhner von Nord- und Südamerika sein.

"Er hat sogar drei Staatsbürgerschaften: die amerikanische, peruanische und vatikanische", sagt Dahlke. Seine Biografie decke viele relevante Fragen ab, er könne viele Perspektiven einnehmen. Wobei Leo eher soziale Themen ansprechen dürfte als Abtreibung, Verhütung oder Homosexualität. In der Weltkirche gibt es dazu unterschiedliche Ansichten. "Er muss den Laden zusammenhalten."

Mit den Republikanern auch Gemeinsamkeiten

Auch die USA sind in dieser Hinsicht gespalten. "Es gibt dort liberale und konservative Katholiken", sagt Dahlke, der ein Buch dazu geschrieben hat. Dass Leo viel Spanisch spreche, gebe den Latinos Selbstvertrauen, bei aller Angst vor Abschiebung. Dennoch müsse er überparteilich bleiben, die Trennung von Staat und Kirche respektieren. Doch stieß Papst Johannes Paul II. in Polen immerhin eine Revolution an.

Das steht in den USA kaum zu erwarten. "Trump hat auch ein strategisches Verhältnis zur Kirche, er benötigt die Stimmen der Katholiken." Der Papst dürfte sich da eher als Brückenbauer versuchen.

Es gebe auch Schnittstellen der Kirche zu den konservativen Werten, die die Republikaner betonen. Wobei schon Papst Franziskus radikalen Ansichten von Vizepräsident J.D. Vance widersprach.

Weltweiter Bedarf nach einer moralischen Instanz

US-regierungskritische Posts auf Social Media kamen wohl wirklich von Robert Prevosts Account. Wobei er oft nur Artikel weiterleitete. "Solange er keine großen Ansprachen oder Texte herausgibt, ist es schwer zu sagen, wofür er theologisch und politisch steht." Da gebe es weiter viel Projektion.

Nur zeigt das Rätseln um seine Ansichten eines: Es gibt weltweit Bedarf nach einer Instanz, die überparteilich und moralisch handelt. "Der Papst könnte eine solche Figur sein", sagt Dahlke.

Ob sich der Vatikan unter ihm zu einer solchen Institution entwickelt, muss sich erst noch zeigen. So spreche der Vatikan oft über soziale Gerechtigkeit, aber besitze selbst keine Gewerkschaften, beklagt Dahlke. "Zwischen der Rhetorik und Realität sollte es möglichst wenig Diskrepanz geben."

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass Robert Francis Prevost der Welt seit 19. März als Papst Leo XIV. bekannt sei. Richtig ist, dass er am 8. Mai 2025 zum Papst gewählt wurde.

Über den Gesprächspartner

  • Benjamin Dahlke ist ein katholischer Theologe und Professor für Dogmatik an der Universität Eichstätt. Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie in Paderborn, München und Princeton promovierte und habilitierte er sich in Mainz. Er lehrte unter anderem am Boston College und ist Autor von Fachpublikationen zur katholischen Theologie in den USA.

Verwendete Quellen