Sowohl in Israel als auch in Gaza lebt eine Vielzahl von Kindern in ständiger Angst. Bei "Markus Lanz" lieferten sich Soziologin Melody Sucharewicz und Journalist Daniel Gerlach ein hitziges Wortgefecht, als es um das schwierige Thema der Verantwortung und Schuld ging.

Eine TV-Nachlese
von Natalie Cada
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natalie Cada auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Könnte es bald zum Frieden in Nahost kommen? Während Journalist Daniel Gerlach kritisch auf den 20-Punkte-Plan von Donald Trump blickte, erinnerte Soziologin Melody Sucharewicz immer wieder an die Gräueltaten der Hamas vom 7. Oktober. Bei "Markus Lanz" gerieten die beiden verbal aneinander, als es um die konkrete Schuldfrage in Bezug auf das Leid in Gaza ging.

Das Thema der Runde

Am Montag hat US-Präsident Donald Trump an der Seite von Benjamin Netanjahu einen 20-Punkte-Plan vorgestellt, mit dem er den fast zwei Jahre währenden Konflikt im Gazastreifen beenden will. Eine Antwort der Hamas steht zwar noch aus, doch schon jetzt gab es seitens der EU sowie Bundeskanzler Friedrich Merz öffentliches Lob für den neuen Gaza-Plan. Markus Lanz nahm dies am Dienstagabend zum Anlass, die aktuelle Lage in Gaza und insbesondere das Leid der Kinder vor Ort näher zu beleuchten.

Die Gäste

  • Journalist Daniel Gerlach äußert sich zu Trumps 20-Punkte-Friedensplan für den Gazastreifen und gibt zu: "Netanjahu klang in dieser selben Pressekonferenz so, als hätte er einen ganz anderen Plan im Kopf."
  • Korrespondent Elmar Theveßen informiert über die Reaktionen auf das gestrige Treffen zwischen US-Präsident Trump und Israels Premierminister Netanjahu: "Der Plan gilt hier eindeutig als der vielversprechendste, den es seit zwei Jahren gegeben hat."
  • Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk berichtet von den massiven Zerstörungen in Gaza: "Diese extreme Todesangst, die ich dort bei Kindern und Erwachsenen gesehen habe, das ist es, was die Situation in Gaza so einzigartig macht."
  • Soziologin Melody Sucharewicz spricht über den Zustand der israelischen Gesellschaft und sagt: "Ich trauere um jedes einzelne palästinensische Kind, das heute nicht mehr lebt."

Das Wortgefecht

Bei "Markus Lanz" berichtete die in Tel Aviv lebende Soziologin Melody Sucharewicz von den Ängsten, unter denen viele israelische Kinder seit dem 7. Oktober tagtäglich leiden müssen. Gleichzeitig sagte sie mit Blick auf die horrenden Zustände in Gaza: "Es gibt kein Kind auf der Welt, das so eine Situation erleben darf. Und jedem Kind, dem geholfen werden kann, muss geholfen werden."

Eine Aussage, die Journalist Daniel Gerlach stutzig machte: "Glauben Sie nicht, dass die israelische Regierung dafür verantwortlich ist, was diesen Kindern passiert?" Mit strenger Miene fügte er hinzu: "Es muss doch irgendwann der Moment der Reflexion einsetzen!" Statt einzulenken, reagierte Melody Sucharewicz fassungslos: "Um Gottes Willen, Herr Gerlach! Sie werfen mir gerade vor, dass ich die Frage von Herrn Lanz beantworte, der mich fragt, (...) wie Kinder in Israel mit dem Trauma des 7. Oktobers umgehen."

Die Deutsch-Israelin fragte in Richtung Gerlach: "Wie voreingenommen können Sie denn sein, um (...) bei dieser Obsession des Bashings zu bleiben?" Sie warf dem Journalisten konkret vor, sich "nicht zufrieden" zu geben, "bis Sie nicht auf dem Tablett serviert bekommen, dass Israel der Aggressator ist und dass Israel die größere Gefahr in der Welt ist als der Iran".

Melody Sucharewicz weiter: "Sie sprechen von Verantwortung! Die Verantwortung nehmen wir sehr ernst (...) und ich trauere um jedes einzelne palästinensische Kind, das heute nicht mehr lebt. Die Verantwortung, Herr Gerlach, trägt einer - und einer alleine - und das ist die Hamas."

Ein Ende der Gewalt könne es für die Soziologin nur unter einer Bedingung geben: "Solange unsere Kinder nicht sicher sind, (...) kann Israel es sich als souveräner und demokratischer Staat nicht leisten, diesen Krieg mittendrin zu beenden und die Hamas weiter agieren zu lassen und den nächsten 7. Oktober zu planen!"

Kurz erklärt: Das steht im Friedensplan für Gaza

US-Präsident Donald Trump hat einen Friedensplan für den Gazastreifen vorgelegt. Er beinhaltet einen schnellen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und palästinensischer Gefangener und die Einrichtung einer Übergangsregierung. Den Frieden absichern soll eine internationale Truppe.

Dennoch sprach Markus Lanz immer wieder das Thema der Verhältnismäßigkeit an und wollte wissen, wie viele Tote angemessen seien. Melody Sucharewicz konterte geschockt: "Es gibt doch um Gottes Willen nicht eine Antwort auf so eine Frage!" Der ZDF-Moderator ließ jedoch nicht locker und stellte klar, dass zwei Drittel derer, die in Gaza sterben, Frauen und Kinder seien. Ein Fakt, den die Soziologin nicht unkommentiert ließ.

Sie unterstellte Lanz, "der Hamas-Statistik" zu glauben. Ein Vorwurf, der Daniel Gerlach wütend werden ließ: "Die israelische Armee übernimmt diese Zahlen selber!" Als der Journalist kritisierte, dass Sucharewicz "wissenschaftliche, (...) anerkannte Zahlen" einfach "vom Tisch" wische, konterte sie: "Nein, das tue ich nicht!"

Gerlach blieb jedoch bei seiner Meinung und warnte: "So kann es nicht weitergehen! (...) Die Diskussion über den Nahost-Konflikt ist kein Volkssport. Es ist auch keine Frage, wer geht hier als Sieger in einer Debatte vom Platz."

Die Offenbarung des Abends

Am Dienstagabend stand vor allem der angekündigte, neue Friedensplan für Gaza im Fokus. US-Präsident Donald Trump sprach am Montag von einem "historischen Tag" - und auch ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen musste zugeben: "Der Plan gilt hier eindeutig als der vielversprechendste, den es seit zwei Jahren (...) gegeben hat."

Laut Theveßen gebe es eine Perspektive, "dass am Ende auch ein palästinensischer Staat infrage kommt" und "dass so etwas wie friedliche Koexistenz möglich" ist. Gleichzeitig stellte der Korrespondent klar: "Das, was da drinsteht, ist nichts anderes als die Kapitulation - die totale Kapitulation - der Hamas."

Daniel Gerlach sah das Ganze daher skeptisch und sagte: "Das ist (...) kein Friedensplan, sondern es ist allenfalls ein Waffenstillstandsplan." Elmar Theveßen nickte und fügte hinzu: "Es ist alles recht vage formuliert und es fehlt (...) jede Zeitreferenz."

Mit Blick auf die prekäre Situation in Gaza gab Kinderpsychologin Katrin Glatz Brubakk derweil zu, dass eine Zweistaaten-Lösung aktuell vor Ort keine Rolle spiele. Vielmehr gehe es ums "nackte Überleben". Laut Glatz Brubakk haben die meisten Menschen in Gaza "nicht die Kraft, viel über Politik zu denken. Sie wünschen sich nur, dass der Frieden kommt".

Die Kinderpsychologin, die selbst für "Ärzte ohne Grenzen" mehrfach in Gaza war, berichtete daraufhin von Zweijährigen, die sich aus Verzweiflung die Haare rausziehen. "Andere Kinder ziehen sich dagegen vollkommen zurück", so Glatz Brubakk sichtlich emotional.

Auch viele ihrer Kollegen vor Ort seien mittlerweile so unterernährt, "dass ich sie nicht mehr erkenne". "Meine Kollegen wünschen sich nur, dass sie morgens zur Arbeit fahren können und sich sicher fühlen können, dass ihre Kinder am Nachmittag noch am Leben sind. Denn heute geht das nicht. Sie sind total erschöpft, sie sind total am Ende ihrer Kräfte", so die Ärztin.

In dem Zusammenhang stellte sie klar: "Es gibt wirklich keinen sicheren Ort im Gazastreifen." Dennoch sah sie es als ihre Verpflichtung an, vor Ort zu helfen, denn: "Ich versuche, Kindern die Hoffnung noch zu geben, dass es eine Zukunft gibt. (...). Ich versuche, ihnen zu helfen, weiterzuleben, wenn sie das Aller-, Allerschlimmste erlebt haben."

Empfehlungen der Redaktion

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" wurde einmal mehr deutlich, wie groß das Leid in Gaza mittlerweile ist. Mit den Lebensgeschichten einzelner palästinensischer Kinder sorgte Katrin Glatz Brubakk auch bei dem ZDF-Moderator für blankes Entsetzen. Und auch Melody Sucharewicz musste zugeben: "Ich finde es bemerkenswert, was Sie für eine wichtige Arbeit leisten mit den Kindern." Eine Arbeit, die laut der Kinderpsychologin noch lange nicht am Ende ist, denn: "Keiner hat genug getan, ehe die Waffen schweigen."   © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich