Bei Caren Miosga stritt die Runde über Russlands Friedensbereitschaft und Wege zum Ende des Ukraine-Kriegs. Ein Journalist hatte eine mutige Idee, die keinen großen Widerhall fand. Und ein ARD-Korrespondent berichtete von zynischen Aussagen der russischen Unterhändler beim Verhandlungsauftakt.

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Das Thema der Runde

Die ersten bilateralen Gespräch zwischen Russland und der Ukraine seit dem Überfall Russlands auf den Nachbarn im Jahr 2022 fanden ohne die Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj statt, nachdem Putin dem Treffen in Istanbul ferngeblieben war. Nun will US-Präsident Donald Trump – ohne die Europäer – in einem Telefonat mit dem russischen Machthaber Fortschritte auf dem Weg zum Frieden machen. Das Thema bei Caren Miosga am Sonntagabend in der ARD: "Putin versetzt Selenskyj – und Europa schaut zu?"

Die Gäste

Norbert Röttgen: Für den CDU-Außenpolitiker ist nach den geplatzten Spitzengesprächen in Istanbul noch mal klar geworden, was ihm schon vorher klar war: "Der Krieg ist das Mittel der Wahl von Putin". Bei ihm sei nie der Wille vorhanden gewesen, wirklich zu verhandeln.

Claudia Major: Die Expertin für Sicherheits- und Verteidigungspolitik erklärte, dass für die Russen die Diplomatie kein Mittel sei, um zu einem Kompromiss zu kommen, sondern um den Krieg doch noch zu gewinnen. Daher gibt es in Moskau ihrer Meinung nach "keine wirkliche Bereitschaft" zum Frieden.

Rüdiger von Fritsch: Der ehemalige deutsche Botschafter in Russland kritisierte, dass Putin mit Wladimir Medinski ein Leichtgewicht als Verhandlungsführer nach Istanbul geschickt hat. "Frieden ist für den völlig egal." Fritsch war sich sicher, dass Putin alles tun werde, den Sieg zu erreichen, "solange er nicht in eine Situation kommt, wo der Druck so groß ist, dass er verhandeln muss."

Heribert Prantl: Der Journalist der Süddeutschen Zeitung mahnte zu mehr Geduld. Das Treffen in Istanbul sei schließlich erst der "Einstieg in den Einstieg von Verhandlungen" gewesen. Prantl wunderte sich, dass neue Russland-Sanktionen in den Verhandlungen als Drohkulisse eingesetzt werden und nicht als Verhandlungsmasse, die bei Fortschritten abgebaut werden könnten. Prantl war der einzige in der Runde mit mutigen Ideen.

Der Special Guest

Vassili Golod: Der ARD-Korrespondent in Kiew berichtete per Videoschalte von den ungeheuerlich zynischen Aussagen der Russen in Istanbul. Verhandlungsführer Wladimir Medinski erklärte, er wüsste, dass einige der ukrainischen Verhandler Angehörige im Krieg verloren hätten. "Wenn man sich nicht an die russischen Forderungen halten würde, dann würden es noch mehr Angehörige werden, die sterben", gab Golod die Drohungen aus seinen Gesprächen mit ukrainischen Verhandlungsteilnehmern wieder.

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Das Wortgefecht des Abends

Wurde in den letzten Jahren wirklich genug getan, um den Ukraine-Krieg zu beenden? "Wir haben seit drei Jahren regelmäßig Verhandlungsangebote", meinte Claudia Major und zählte auf. "Es gab die afrikanische Friedensinitiative, die vom Papst, es gab die chinesische, es gab das Angebot vom US-Präsidenten, Russland ganz viel entgegenzukommen: keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Anerkennung der besetzten Gebiete." Aber man müsse erkennen, dass Russland imperiale Ziele verfolge. Heribert Prantl unterbrach sie. "Aber deswegen muss ich doch auch versuchen, die Hand auszustrecken."

Major erwiderte: "Die Hand ist seit drei Jahren ausgestreckt." Prantl hat daran Zweifel: "Ich weiß nicht." Major sagte nun: "Wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, dass Russland diesen Krieg beenden möchte. Es möchte ihn nur mit Sieg beenden." In ihren Augen ist es naiv zu glauben, dass es Frieden gibt, wenn man alle russischen Forderungen erfülle. Prantl fühlte sich davon angegriffen: "Frau Major", sagte er deutlich. "Das ist nicht meine Position, Russland alles zu geben. Ich will nur, dass die Verhandlungen weitergeführt werden."

Ehemaliger Top-Diplomat erklärt, wann Moskau zu Frieden bereit wäre

Als ehemaliger deutscher Botschaft in Russland war Rüdiger von Fritsch 2014 an Verhandlungen mit Wladimir Putin nach der Annexion der Krim beteiligt. Bei "Caren Miosga" sprach der erfahrene Diplomat über die Chancen, durch Verhandlungen den Frieden in der Ukraine wiederherzustellen. Dazu müsse Putin erst in eine besondere Notlage gebracht werden, meint von Fritsch. Erst wenn er nicht mehr die finanzellen Mittel habe, sich die Zustimmung seines Volkes zu erkaufen, sei der Kremlchef dazu gezwungen, sich ernsthaft auf diplomatische Gespräche einzulassen. Deswegen müsse der Westen geschlossen sein und standhaftig bleiben, bis Putin in die Enge getrieben ist. © ProSiebenSat.1

Die Offenbarung des Abends

Lob für Donald Trump ist in den Politik-Talkshows eine Seltenheit. Aber Claudia Major gab zu, dass sie bei Trump "ein ganz ehrliches Interesse" erkannt hat, "diesen Krieg zu beenden. Er möchte dieses Sterben beenden und er möchte dieses Leid beenden." Nicht nur diesen, auch andere Kriege – "mit dem Ziel, neue Partnerschaften aufzubauen." Nur an Trumps Vorgehen hat Major so ihre Zweifel: Sie sorgt, dass sich da mit den USA und Russland zwei Großmächte auf dem Rücken der Ukraine und der europäischen Partner einigen.

Der Erkenntnisgewinn

Derzeit steht US-Präsident Trump in den Ukraine-Verhandlungen offenbar mehr an der Seite Europas und kann sich sogar weitere Russland-Sanktionen vorstellen, wenn Putin den Waffenstillstand weiter mit Angriffen auf den Nachbarn unterläuft. Doch Rüdiger von Fritsch warnte vor zu viel Optimismus in Bezug auf Trumps Standfestigkeit: "Wenn Donald" – er sprach den Vornamen deutsch aus – "schlecht geschlafen hat, aufwacht und sagt: 'Ich stelle das alles ein, Wladimir ist mein Freund', dann können wir uns anstrengen, wie wir wollen, es bringt alles nichts." Europa sitzt eben nur am Katzentisch.

Fazit: Der Talk nach dem "Einstieg in den Einstieg von Verhandlungen" lieferte vor allem Aufgewärmtes und Bekanntes – aber wenige neue Einsichten.