• Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht sich komplett aus der Politik zurück.
  • Das gab der Kanzler auf einer Pressekonferenz bekannt.
  • Er will sich künftig wieder mehr um seine Familie kümmern.

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Sebastian Kurz legt alle seine politischen Ämter nieder und zieht sich komplett aus der Politik zurück. Das bestätigte der Ex-Bundeskanzler auf einer Pressekonferenz.

Als erstes hatte "Krone.at" berichtet. Auch dem "Standard" und der APA wurde die Information vor der offiziellen Bekanntgabe aus ÖVP-Kreisen bestätigt.

Sebastian Kurz: "Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher"

In seiner persönlichen Erklärung blickte Kurz auf "zehn lehrreiche Jahre" in der österreichischen Bundesregierung zurück - zunächst als Staatssekretär, dann als Außenminister, zuletzt als Bundeskanzler. So manches sei in dieser Zeit vernachlässigt worden - "unter anderem die eigene Familie".

Er freue sich darauf, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, und werde sich erst im neuen Jahr neuen Aufgaben widmen. Kurz' Partnerin Susanne Thier hatte am vergangenen Wochenende das erste gemeinsame Kind des Paares zur Welt gebracht, Sohn Konstantin.

Es sei "ein natürlicher Prozess, dass die Begeisterung weniger wird" im Lauf der Zeit. Spitzenpolitik sei extrem vielseitig, insbesondere in der Rolle als Bundeskanzler. Vor allem bedeute Spitzenpolitik "ein ständiges Wechselbad an Gefühlen. Wenn man das Gefühl hat, etwas zu tun, was man für richtig erachtet. Gleichzeitig hat man so viele Entscheidungen zu treffen, dass man jeden Tag schon beim Frühstück weiß, dass auch eine falsche dabei sein wird", sagte Kurz.

Er habe Politik immer verstanden als einen "Wettbewerb der besten Ideen", in den vergangenen Wochen sei es für ihn jedoch häufig nur noch um "die Abwehr von Unterstellungen und Verfahren" gegangen. Kurz: "Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher."

Vizekanzler Werner Kogler zollt Kurz Respekt

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekundete großen Respekt für die Entscheidung von Kurz, sich aus der Politik zurückzuziehen. "Wir haben gemeinsam in der Bundesregierung trotz aller Unterschiede viel erreicht", sagte der Grünen-Chef in einer ersten Reaktion. Trotz der Corona-Pandemie habe man in der Koalition um wichtige Reformen gerungen und diese auch durchgesetzt, resümierte Kogler. "Ich wünsche Sebastian Kurz und seiner Familie alles Gute."

Sebastian Kurz: Korruptionsermittlungen lösten Wechsel im Kanzleramt aus

Unbestätigten Informationen aus ÖVP-Kreisen zufolge soll Innenminister Karl Nehammer neuer Parteichef und vielelicht auch Kanzler werden. August Wöginger dürfte erneut das Amt des Klubchefs übernehmen.

Kurz war erst im Oktober als Regierungschef zurückgetreten. Hintergrund waren Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Inseratenaffäre wegen Vorwürfen der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Der grüne Koalitionspartner hatte Kurz zuvor für "nicht mehr amtsfähig" erklärt und die ÖVP dazu aufgerufen, ihn zu stürzen.

Kurz hatte einen Rücktritt als Kanzler zuvor kategorisch ausgeschlossen und auch erklärt, dass er selbst im Fall einer Anklage weiter im Amt bleiben wolle.

Alexander Schallenberg folgte im Kanzleramt. Kurz legte zwar sein Amt als Bundeskanzler nieder, blieb jedoch Parteichef und kehrte als Abgeordneter und Klubchef in den Nationalrat zurück, was ihm den Vorwurf eintrug, als "Schattenkanzler" weiter die Fäden in der Hand zu halten. Einen Vorwurf, den der 35-Jährige stets dementierte.

Mitte November hob der Nationalrat Kurz' Immunität auf - und machte damit den Weg für Ermittlungen frei.

Kurz-Partei ÖVP verliert in Umfragen an Zustimmung

Die Ermittlungen gegen den Ex-Kanzler, die Berichte über gekaufte Umfragen und das Hin und Her der Regierung in Sachen Corona-Politik schlugen sich auch in den Umfragen nieder.

Laut der aktuellen Sonntagsfrage von OGM im Auftrag des "Kurier" vom 27. November wäre die SPÖ mit 26 Prozent stimmenstärkste Partei, die ÖVP nur mehr bei 23 Prozent vor der FPÖ (21 Prozent), Grünen und NEOS (jeweils 12 Prozent).

ÖVP-Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht

Unterdessen hat der Geschäftsordnungsausschuss den Beweisbeschluss für den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss einstimmig gefasst. Verlangt hatte den U-Ausschuss die Opposition, es stimmten jedoch nun auch ÖVP und Grüne zu.

SPÖ, FPÖ und NEOS möchten beleuchten, inwiefern zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 Vorteile an ÖVP-nahe Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden. Anlass für den Antrag war das Bekanntwerden der Ermittlungen der WKStA gegen Kurz und andere wegen Untreue und Bestechlichkeit in der neuen Inseratenaffäre. Auch vorbereitende Handlungen im Zusammenhang mit dem "Projekt Ballhausplatz" - Kurz' Strategie zum Aufstieg an die Parteispitze - sollen beleuchtet.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz Sebastian Kurz
  • Krone.at: Kurz zieht sich komplett aus Politik zurück
  • Standard.at: Sebastian Kurz zieht sich aus der Politik zurück
  • APA
  • dpa
  • Statista.com: Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Nationalratswahl wäre?
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