Daniel Collins hätte Profi-Baseballspieler werden können, stattdessen landete er für elf Jahre im Gefängnis wegen seiner Drogensucht. Dort schloss er sich einer rechtsextremen Gang an, nicht zum Schutz, sondern aus Überzeugung. Er wuchs unter tief konservativen Republikanern in Florida auf, war Anhänger der Maga-Bewegung unter Trump und verfiel dem Christlichen Nationalismus. Dann traf er auf den jungen Afroamerikaner Rashawn.

An diesem frühen Morgen in Florida ist Daniel Collins spät dran. Er muss unser Telefonat um dreißig Minuten verschieben. Das Gefängnis hat ihn angerufen und er soll spontan vorbeikommen, um einige Papiere zu unterschreiben. Eine gängige Praxis, wenn Häftlinge auf Bewährung entlassen werden. "Wenn sie rufen, muss ich springen", scherzt Daniel. Seit 2021 ist er auf freiem Fuß, aber es fällt ihm schwer, wieder Fuß zu fassen.

Es ist mühsam, einen Job, eine Wohnung oder ein Haus zu bekommen, doch was ihn besonders belastet: Als Ex-Häftling darf er in seinem Heimatstaat Florida nicht wählen. Was er beinahe amüsant findet, angesichts dessen, dass ein verurteilter Straftäter die USA anführt. Früher fand er Donald Trump toll. Der heute 42-Jährige war tief konservativ und lehnte als überzeugter christlicher Nationalist Abtreibung sowie gleichgeschlechtliche Ehen ab. Die Black-Lives-Matter-Bewegung sah er als Aufstand der radikalen Linken. Seine Freunde waren Maga bevor es überhaupt Maga gab, sagt er.

Maga steht für Trumps Wahlspruch "Make America Great Again", mit dem er 2016 die Präsidentschaftswahlen gewann. Mittlerweile hat sich unter diesem Begriff eine Bewegung gebildet, die Experten auch als einen "Kult" einordnen, mit Trump als unfehlbarem "Anführer". Besonders weiße Männer aus ländlichen Gebieten und mit geringer Bildung gelten als Anhänger.

USA: Obama verletzte das "große Ego privilegierter Weißer"

"Ich war überzeugt, dass wir Weißen in den USA attackiert werden, dass man uns ausradieren will", sagt Daniel im Gespräch mit unserer Redaktion. Sein gesamter Freundeskreis in seiner Heimatstadt Fort Pierce vertrat diese Meinung – auch seine Familie. Es waren die Jahre 2009 bis 2017 unter Präsident Barack Obama, in denen sich die Menschen um Daniel herum radikalisierten. Denn plötzlich, wie er sagt, standen nicht mehr die Weißen im Mittelpunkt. Obama zeigte mit dem Finger auf Probleme, dass Schwarze etwa noch immer diskriminiert und benachteiligt werden. "Er gab ihnen eine Stimme und das große Ego vieler privilegierter Weißer war verletzt", meint Daniel.

Egal, ob von Afroamerikanern, Latinos, Arabern oder Transpersonen – er und sein Umkreis fühlten sich bedroht und von der Obama-Regierung, dem sogenannten Establishment, vergessen. "Trump fütterte die Angst und den Hass in uns, machte Rassismus wieder salonfähig. Er gab uns das Gefühl, gehört zu werden", sagt der US-Amerikaner rückblickend auf seine Vergangenheit.

Das Leben des 42-Jährigen ist von Armut, Traumata, Drogen und verpassten Chancen geprägt. In der Highschool hatte er gute Noten, vor ihm lag eine Karriere als Baseball-Spieler in der Profi-Sportliga. Mit 20 Jahren spielte er für die "Atlanta Braves", erhielt viel Geld, aber der Druck war zu hoch. Innerlich kämpfte Daniel mit Dämonen aus seiner Kindheit. Mit einer Mutter, die ihn und seinen Vater verließ, als er ein Baby war. Eines Tages stand ein Mädchen vor ihm in der Schule und sagte, sie wäre seine Halbschwester. Das war der Moment, in dem er herausfand, dass die Frau, mit der er aufwuchs, nicht seine leibliche Mutter ist.

Die Suche nach Halt brachte Daniel zum Christlichen Nationalismus

Anstatt die seelischen Wunden aufzuarbeiten, ertränkte er sie im Alkohol, später kamen Drogen dazu. Er verpasste das Training, flog aus dem Team, stürzte ab. Die Sucht brachte ihn 2009 für vier Jahre ins Gefängnis. Dort suchte er Halt in der Religion und verfiel dabei zunehmend dem Christlichen Nationalismus. Eine Ideologie, die die Vision eines autoritär geführten, christlich geprägten Staates verfolgt und Abtreibung sowie LGBTQIA+-Rechte verteufelt.

Drei Jahre nach seiner Freilassung kämpfte Daniel noch immer mit seinem Suchtproblem. Um Drogen zu kaufen, klaute er den Laptop seiner Eltern, die daraufhin Anzeige erstatteten, um ihm zu helfen. 2016 musste er eine siebenjährige Haftstrafe wegen Diebstahls antreten, die sein Leben verändern sollte.

Im Gefängnis gehörte Daniel als Weißer zur Minderheit. Laut der gemeinnützigen "Prison Policy"-Initiative weisen Afroamerikaner signifikant höhere Inhaftierungsraten als weiße Amerikaner auf. 37 Prozent der Menschen im Gefängnis sind dunkelhäutig, dabei machen sie gerade mal 13 Prozent der US-Bevölkerung aus. Auch Hispanics gehören neben den Weißen zu einer großen ethnischen Gruppe in den US-Bundesgefängnissen.

Donald Trump füttert die Angst der Weißen in den USA

Daniel schloss sich der rechtsextremen Gang "Unforgiven" an, die innerhalb und außerhalb des Gefängnissystems von Florida operiert. Die Mitglieder gelten als Trump-Anhänger und "White Supremacists", also Personen, die glauben, dass Weiße allen anderen Ethnien überlegen sind. Hinter Gittern radikalisieren sich viele weiße Männer, sagt der ehemalige Häftling. In der Unterzahl verspüren sie eine Art "existenzielle Bedrohung", die sie auch in der "Außenwelt" erleben könnten.

Die USA verändern sich demografisch, wodurch einige Weiße befürchten, in der Zukunft an Einfluss zu verlieren. Maga bestärkt diese Angst, während sich Trump als "Beschützer" der weißen Christen inszeniert. Auch Daniel glaubte das einst. "Dabei habe ich mich selbst nie als Rassist gesehen", sagt er. Die meisten Maga-Leute würden sich als gute Menschen und Christen bezeichnen.

Der Christliche Nationalismus fungiert als Motor der Maga-Bewegung. Daniel bezeichnet ihn als Instrument, um Macht und Kontrolle auszuüben auf Menschen, die denken, sie würden moralisch im Namen der Bibel handeln. "Es ermöglicht, politische Gegner zu verteufeln, als das Böse darzustellen. Gegen Einwanderer oder Transpersonen zu hetzen, um die eigene Agenda voranzutreiben. Trump ist besonders gut darin", sagt er.

Maga-Aussteiger klärt heute über den "Kult" um Trump auf

Es sei enorm schwer, zu diesen Menschen durchzudringen, damit sie Maga hinterfragen oder hinter sich lassen. Daniel sagt dazu "Aussteigen", denn in seinen Augen ist es ein Kult. Er verlor damals alles, als er eine 180-Grad-Wende machte: Job, Haus, Ehefrau, Familie und Freunde.

Heute klärt er auf Social Media über die Gefahren von Maga und Christlichen Nationalismus auf. Mittlerweile erreicht er mehr als 230.000 Follower auf Instagram. Ihm gelingt es, Maga-Anhänger zum Nachdenken anzuregen. Dabei ist es hilfreich, dass er einer "von ihnen" war. "Ich habe es gelebt. Ich bin dieser weiße Typ, ein ehemaliger Baseball-Spieler mit Tattoos. Sie können sich mit mir identifizieren", sagt er.

Auch außerhalb von Social Media lässt er sich auf Gespräche ein. Kürzlich rief ihn ein Freund aus Florida an und beschwerte sich, dass sich seine Ex-Frau mit einem Schwarzen trifft. Ein absolutes No-Go für viele Maga-Männer, wie Daniel sagt. Es werde von Generation zu Generation vorgelebt. "Auch die Söhne sagten zu ihrer Mutter, ob sie nicht einfach jemanden 'von ihnen' daten könnte. Sie werden in der Schule gemobbt", führt er aus.

Daniel hielt ihm vor Augen, dass das rassistisch sei. Seine Devise lautet dabei: Erst die Person ernst nehmen, dann mit Wissen um sich werfen. Das ist der Weg, wie ein junger, schwarzer Mithäftling es damals schaffte, ihn zum Nachdenken zu bewegen.

Ein junger Afroamerikaner veränderte Daniels Leben im Gefängnis

Während seiner Zeit im Gefängnis traf er auf Rashawn. "Wir hätten nicht unterschiedlicher sein können, und doch baute er eine Freundschaft zu mir auf. Wir hörten uns gegenseitig zu", erinnert sich Daniel. Rashawn schaffte es, dem rechtsradikalen, tief konservativen Hardcore-Maga-Unterstützer zu zeigen, wie ungerecht das System gegenüber Schwarzen in den USA ist. Er reichte Daniel die Hand, um eine andere Perspektive einzunehmen.

Nach Daniels Entlassung im Sommer 2021 bildete er sich weiter, las Bücher und sah Dokumentationen, die sein Freund ihm empfahl. "Ich kannte zuvor nichts anderes. Bildung ist der Schlüssel", sagt er. Es verwundert ihn nicht, dass die Trump-Regierung das Bildungssystem und die Universitäten attackiert. Gerade in Florida kämpft der republikanische Gouverneur Ron DeSantis rigoros gegen LGBTQIA+-Rechte und Diversität. Schüler sollen etwa lernen, dass Sklaven von der Zwangsarbeit profitiert hätten. Seit 2021 wurden Tausende Schulbücher aus Floridas Bibliotheken entfernt.

Bildung, Aufklärung, Therapie, Austausch – das wirkt aus Daniels Sicht wie Gift auf Maga, daher wollen Trump und seine Anhänger diese Punkte kontrollieren und verhindern. "Sie spielen längst mit anderen Regeln und das müssen die Demokraten verstehen", fordert er. Den kalifornischen Gouverneur, der gegen Trump in sozialen Netzwerken austeilt, beschreibt er als keck. Die Demokraten müssen aus Daniels Sicht laut und mutig sein, wie etwa auch James Talarico in Texas, der sich gegen Christlichen Nationalismus ausspricht.

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Auch Daniel will weiterhin laut und mutig über Maga auf Social Media aufklären, obwohl er dafür täglich Hass und Drohungen erhält – vor allem aus seiner eigenen Community in Florida. Aber solange es Leute gibt, die er zum Nachdenken anregt, prallt das an ihm ab.

Verwendete Quellen