Die Bundeswehr treibt die Aufstellung ihrer "Brigade Litauen" voran. Ein Baltikum-Experte erklärt, wie die Litauer für den gemeinsamen Kampfverband aufrüsten. Und was sie der Bundeswehr bieten.

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Es ist ein geradezu geschichtsträchtiger Satz. "The protection of Vilnius ist the protection of Berlin!" (zu Deutsch: "Der Schutz von Vilnius, ist der Schutz von Berlin!") Gesprochen von Friedrich Merz (CDU), als der Bundeskanzler zum Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 in der litauischen Hauptstadt war.

Bis Ende 2027 will Deutschland in dem kleinen baltischen Staat mit seinen rund 2,9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern einen Kampfverband aufstellen. Mit 5.000 Soldatinnen und Soldaten, mehr als 90 Leopard-2-Kampfpanzern und bis zu 200 Schützenpanzern. Ende Mai waren laut Verteidigungsministerium 400 Bundeswehr-Soldaten der Brigade vor Ort. Die litauischen Streitkräfte haben indes nicht einen einzigen Panzer auf Ketten in ihren Reihen.

"Die Aufnahme der Bundeswehr-Soldaten ist fast schon überschwänglich. Der litauische Staatspräsident (Gitanas Nausėda, Anm. d. Red.) hat allen Mitbürgern mitgegeben, 'Willkommen' zu sagen, wenn sie einen deutschen Soldaten oder eine deutsche Soldatin auf der Straße sehen", sagt der Baltikum-Experte Oliver Morwinsky im Gespräch mit unserer Redaktion.

Baltische Staaten sorgen sich wegen Wladimir Putin

Morwinsky leitet das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Baltischen Staaten im lettischen Riga. Von hier aus hat der Staatswissenschaftler die sicherheitspolitischen Entwicklungen an der Ostflanke der Verteidigungsallianz Nato im Blick.

Der russische Imperialismus des Autokraten Wladimir Putin bereitet den jungen Ländern Litauen, Lettland und Estland große Sorgen, die 1991 ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion erklärt hatten. Die Bedenken wegen Putin sind gerade in Litauen erheblich, das im Osten an den russischen Verbündeten Belarus und an der südwestlichen Landesgrenze an die russische Exklave Kaliningrad grenzt.

Die Regierung reagierte entschieden. "Aktuell liegen die Verteidigungsausgaben bei 3,9 Prozent des BIP. Laut Plan möchte man nächstes Jahr auf rund fünf Prozent des BIP erhöhen, im weiteren Verlauf auf sechs Prozent. In Zahlen sind das zwischen 3 und 4,5 Milliarden Euro", erklärt Morwinsky zu den Anstrengungen der Litauer, ihre Armee aufzurüsten und der Bundeswehr gleichzeitig bestmögliche Bedingungen zu bieten.

Nato-Partner Litauen: Eine Milliarde Euro für die Bundeswehr

Fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigungsausgaben hatten die Nato-Mitglieder jüngst als Maßstab vereinbart. Vilnius geht in Vorleistung, für das Bündnis und für die Bundeswehr. Bei Rüdninkai, rund 20 Kilometer südlich von Vilnius und 30 Kilometer westlich der litauisch-belarussischen Grenze gelegen, baut der baltische Staat unter Hochdruck eine Militärbasis für die Brigade Litauen.

"Man rechnet mit einer Fertigstellung in 2027. Für dieses Projekt sind von litauischer Seite über eine Milliarde Euro eingeplant", sagt Morwinsky. Im Hinblick auf das Verteidigungsbudget von knapp drei Milliarden Euro unterstreiche das die Bedeutung für Litauen.

General Christoph Huber, Chef der Brigade Litauen, erklärte dem BR: "Wir warten auf die Infrastruktur. Diese ist die Voraussetzung für die Verlegung unserer deutschen Soldatinnen und Soldaten. Litauen unternimmt hier alles, damit das auch schnell geschieht."

Abschreckung Wladimir Putins: Litauen baut Bundeswehr eine Basis

Laut Morwinsky werden in Rüdninkai aktuell größere Schießplätze, Kasernen und Munitionslager gebaut. Vilnius braucht jede militärische Unterstützung. So hat Litauen nicht nur keine Kampfpanzer, sondern bis auf ein paar ältere Hubschrauber keine eigene Luftwaffe. Die Berufssoldatinnen und -soldaten schätzt Morwinsky auf bis zu 23.000. Zum Vergleich: Bei der Bundeswehr sind es 182.000.

Jährlich ziehe Litauen rund 4.000 Wehrpflichtige ein, zudem könnten im Verteidigungsfall 28.000 militärisch trainierte Reservisten eingezogen werden. Hinzukommen 16.000 Riflemen-Union-Mitglieder, paramilitärische Kämpfer eines Freiwilligenverbandes. Aber: Eine Mobilisierung bräuchte Zeit. Und von Vilnius, dem politischen Zentrum, sind es nach Belarus nur 25 Kilometer.

Litauen hat 44 Leopard-2-Panzer in Deutschland bestellt

Litauen rüstet deswegen im großen Stil auf. Aktuell hat die litauische Armee 20 selbstfahrende Panzerhaubitzen 2000 und rund 50 Cardom-Mörser im Kaliber 120 Millimeter für die Artillerie. Die Brigade "Iron Wolf" ("eiserner Wolf") ist als einziger Kampfverband auf den rund 90 Schützenpanzern Vilkas ausgebildet, die auf dem Radpanzer GTK Boxer aus deutscher Rüstungsproduktion basieren.

"Litauen befindet sich derzeit im Aufbau einer eigenen Division, welche die Abschreckungsfähigkeit – im Verbund mit der deutschen Brigade – erhöhen soll", schildert Baltikum-Experte Morwinsky unserer Redaktion.

Dafür hat Litauen 44 moderne Leopard-2-Panzer in Deutschland bestellt. Für eine Division bräuchte es jedoch sehr viel mehr Kampfpanzer, nach Bundeswehr-Verständnis mindestens die doppelte Anzahl. Und: Die Beschaffung von Puma-Schützenpanzern ist auch nach monatelangen Debatten noch nicht geklärt. So ruhen die Hoffnungen der Litauer vor allem auf der deutschen Bundeswehr.

Verwendete Quellen